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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Corona verändert die Seelsorge

Pastoraltheologe Johann Pock im SONNTAG-Gespräch

Pastoraltheologe Johann Pock im Sonntag-Gespräch (Foto: Sonntag)
Pastoraltheologe Johann Pock im Sonntag-Gespräch (Foto: Sonntag)

Langsam öffenen sich die Kirchen wieder. Es sind zaghafte Schritte, wie Kardinal Christoph Schönborn selbst betont. Noch ist ein Ende der pastoralen Durststrecke nicht absehbar. Damit ist Zeit, mit dem Pastoraltheologen Johann Pock über die Auswirkungen der Krise auf die Kirche zu sprechen.


Abseits von Gottesdienstübertragungen ist das kirchliche Leben seit über einem Monat heruntergefahren. Mancherorts hört man die Frage: Werden die Menschen nachher wiederkommen?
Pock: Das lässt sich nur sehr schwer voraussagen. In dieser Krisenzeit wird sich einiges verändern. Manche Menschen werden verstärkten Bedarf haben, sich in der Gemeinschaft einzufinden. Das wird ein Gutteil jener sein, die schon bisher in den Pfarren verankert waren. Zu fragen ist, ob nicht auch Neues entsteht. Es haben sich neue Felder erschlossen, auch im Internet. Vielleicht bekommen manche, die man über die bisherigen Aktivitäten nicht erreichen konnte, einen neuen Bezug zu Religion.

Sie selbst betreiben schon länger den theologischen Blog „feinschwarz.net“. Wie sind Ihre Erfahrungen damit – speziell aus pastoraler Sicht?
Pock: Über dieses Medium erreichen wir eine gar nicht so kleine Leserschaft. Es sind natürlich zu einem großen Teil Personen, die theologisch interessiert sind; ganz viele kirchlich interne Leute. Über Leserbriefe und Kommentare (hier vor allem über Facebook und Twitter) gibt es auch rege Diskussionen zu einzelnen Beiträgen. Ich glaube, dass es eine sehr wichtige Ergänzung zu anderen Medien in der Theologie ist – und dass diese Blogs eine Möglichkeit sind, kurzfristig und sehr rasch auf aktuelle Fragen zu reagieren. Und Blogs bieten auch sehr viele kreative Möglichkeiten.

Ist es nicht fatal, dass die Corona-Krise gerade die Arbeit in den Pfarrgemeinden trifft, wo sich das meiste kirchliche Leben abspielt?
Pock: Für die Pfarrseelsorge ist das sehr einschneidend, gerade auch für die Tätigkeit der Ehrenamtlichen. Aber wie sieht ehrenamtliche Seelsorge derzeit aus? Wir erleben eine Art von Wohnviertelapostolat: Man schaut auf die Nachbarn, im engsten Umkreis. Diese Formen wachsen. Für bisher gewohnte Formen von Gruppenarbeit ist es schwierig geworden. Das kann zu einer neuen Wertschätzung führen, wenn sie wieder möglich sind. Andere Menschen werden sagen: „Das geht mir eigentlich nicht ab.“

Rund um Ostern sind Umfragen zur Religiosität der Österreicher und Österreicherinnen erschienen, die sehr ernüchternd waren. Hat die Corona-Erfahrung eine Auswirkung auf Religiosität in der Gesellschaft?
Pock: Das werden wir erst im Nachhinein sagen können. Ich denke, die Menschen werden sich merken, wer oder was in dieser Krise für sie hilfreich war, wer sich bei ihnen gemeldet hat. Da geht es nicht nur um Rundschreiben per E-Mail, sondern auch um kreative Formen der Kontaktaufnahme. Engagierte Pfarren haben zum Beispiel über Ostern Menschen aktiv etwas zur Verfügung gestellt: ein Feierheft oder eine Kerze. Oder sie haben aktiv gerade bei Älteren angerufen, die man nicht über das Internet erreicht. Da merken die Menschen, dass die Kirche sie nicht alleine lässt. Ob sie durch die Corona-Krise zum Glauben kommen oder davon wegkommen, ist – wie bei persönlichen Krisen – sehr individuell.

Den „Erfolg“ von Gottesdienstübertragungen kann man in Zahlen messen. Hauskirche geschieht im Stillen. Lässt sich da gar nichts aussagen, wie diese Impulse angenommen wurden?
Pock: Ich arbeite mit Kollegen derzeit daran, die entstandenen liturgischen Impulse zu sammeln. Mit Zahlen evaluieren lässt sich das nicht. Vielleicht setzen sich aber die Erfahrungen fort, die Menschen jetzt machen: „Wir dürfen und können Gottesdienst feiern und auch segnen, wir trauen uns das zu und haben das schon gemacht.“ Mir haben Menschen geschrieben, sie hätten noch nie so bewusst Ostern gefeiert, weil sie die Texte selbst gelesen und ausgewählt und sich eigene Gedanken gemacht haben.

Trotz allem erreichen uns auch die Stimmen von manchen Kirchenmitgliedern, die sich allein gelassen fühlen. Ist in der Coronazeit nicht mehr möglich oder hat die Kirche nicht alles ausgeschöpft?
Pock: Es wurden sicher nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, aber man muss auch sehen, dass wir alle Mitte März ins kalte Wasser geworfen wurden. Möglicherweise hat man sich zunächst zu stark auf Liturgie konzentriert. Viele Feiervorschläge waren für Familien konzipiert. Menschen, die allein leben, haben mir gesagt, dass sie sich mit diesen Vorschlägen schwertun.


Worauf sollten sich Pfarrgemeinden jetzt für den Wiederbeginn des Pfarrlebens einstellen? Wie lange wird es bis zur Normalisierung dauern?
Pock: Sie werden schrittweise wieder starten. Vieles wurde aufgeschoben und man muss sich fragen, wie sich diese Feiern alle organisieren lassen. Das kann durch das Aufteilen auf verschiedene Schultern und im Abgeben von Kompetenzen geschehen: die Betrauung der Pfarrer mit den Firmungen und von Laien mit der einen oder anderen Feier. So lassen sich die Erfahrungen aus der Hauskirche mitnehmen. An kleinen Stellen werden die Pfarrgemeinden wieder beginnen, bis ihre Tätigkeit wieder in den großen gemeinsamen Feiern mündet. Die volle Auferstehungsfeier des pfarrlichen Lebens wird frühestens im Herbst, vielleicht erst Ostern 2021 möglich sein.