Auf welchen Felsen soll die Kirche bauen?
Du bist Petrus: Eine Zusage, die die Wahl des neuen Papstes begleitet. Hochrangige Theologinnen und Theologen dazu.

„Mit der Papstwahl ist die Aktualität des Buches nicht vorbei“, sagt Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich und Herausgeberin des Buches „Du bist Petrus“. Vielmehr möchten sie und die Autoren der 15 Beiträge eine Situationsanalyse wagen, um daraus Anforderungen und Erwartungen abzuleiten, die auf den neuen Papst zukommen.
Von Gott oder doch von Menschen erwählt, fragen sich viele, wenn die Medien reelle oder vermutete Vorgänge rund ums Konklave kolportieren. Die falsche Frage, antwortet Sr. Beatrix Mayrhofer, und beschreibt den Wahlprozess als „Pascha-Ereignis“ – als einen Prozess, den man nicht aus sicherer Entfernung kommentiert. „Es geht um die Sendung Christi, um die Frohe Botschaft – und wir, die Getauften, tragen dafür die Verantwortung.“
Aktiv am Wahlprozess teilnehmen
Deshalb sind wir gefordert, uns auf den Wahlprozess einzulassen mit Beten und Fasten, mit Loslassen und spiritueller Vertiefung. Das ist in gewisser Weise mit Sterben und Neuanfang verbunden. „Das Wählen ist im spirituellen Kontext ein intensives Suchen nach dem Willen Gottes. Nicht meine Pläne“ sollen zum Zug kommen, sondern derjenige, mit dem „der Herr die Gemeinschaft in die Zukunft führen will. In diesem Sinn sind Wahlprozesse in der Kirche tatsächlich nicht einfach demokratische Vorgänge, (...) bei denen man im Vorfeld alles daran setzen muss, eine Mehrheit zu sammeln“, so Sr. Beatrix.
Loslassen: Das gilt auch für die Eurozentrik, die mehrere Autoren thematisieren. Nur ein Viertel der Katholiken weltweit lebt in Europa, die Organisation Kirche trägt aber vor allem europäische Züge. Hier ist Umdenken gefordert, Loslassen liebgewordener Selbstverständlichkeiten. Mit den Worten des Pastoraltheologen Paul-M. Zulehner: Auf dem 2. Vatikanischen Konzil hat sich „die katholische Kirche enteuropäisiert und sich entschieden, Weltkirche zu sein. Das steht so auf dem Papier. Es ist wie eine geschlossene, aber nicht vollzogene Ehe. Erst wenn der Papst das Gesicht eines Asiaten (...), eines Afrikaners (...) oder eines Lateinamerikaners (...) trägt, ist – um beim Bild zu bleiben – die Ehe vollzogen. Dann erst ist die katholische Kirche wirklich Weltkirche geworden.“
Am Wahlprozess aktiv teilnehmen bedeutet aber auch, unsere eigenen, oft überhöhten Erwartungen an Papst und Papstamt zu überdenken. Wir sollten nicht erwarten, „ein besonders charismatischer Mensch in Rom könne alle Probleme lösen“, räumt Roman Siebenrock, Dogmatiker in Innsbruck, mit falschen Illusionen auf. Der Rücktritt Benedikts war ein historischer Schritt zur Entmythologisierung des Petrusdienstes, hat die Trennung von Amt und Person erfahrbar gemacht: Der Papst ist weder Gott in Person noch Buhmann, der für alle Fehler der Kirche verantwortlich ist.
Kollegiale Verantwortung
Diesem Schritt sollte eine Reform der Kurie folgen, fordert Jan-Heiner Tück, ebenfalls Dogmatiker: Wie jeder Verwaltungsapparat neige auch sie als Instrument päpstlicher Vollmacht dazu, immer mehr Macht an sich zu ziehen. Rückbesinnung auf die Praxis kollegialer Verantwortung im 1. Jahrtausend, die auch das 2. Vatikanische Konzil wieder aufgegriffen habe, sei an der Zeit.
Eberhard von Gemmingen SJ, der die römischen Verhältnisse als langjähriger Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatican gut kennt, konkretisiert: „Viele Fragen, die heute in vatikanischen Kongregationen und Räten diskutiert und vielleicht entschieden werden, müssten dezentralisiert werden: Fragen der Liturgie, der Sakramentenspendung, der Seelsorge, der Personalentscheidungen und des Rechtes“. Die Kurie, die den Papst in der Gesamtleitung der Kirche unterstützt, sollte „möglichst international besetzt sein, die Zahl der Italiener sollte reduziert werden“.
Beiträge des evangelischen Landesbischofs Michael Bünker sowie von namhaften jüdischen, islamischen und orthodoxen Autoren ergänzen die wichtige ökumenische Dimension. Ein großes Hindernis der Ökumene – die Überhöhung des Papstamtes – hat Benedikt mit seinem historischen Rücktritt jedenfalls relativiert.
Das Buch:
Gerda Schaffelhofer (Hg.), Du bist Petrus. Anforderungen und Erwartungen an den neuen Papst. 15 Theologinnen und Theologen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz analysieren die Situation der Kirche und überlegen, welches Profil der neue Papst haben müsste, um die Aufgaben und Erwartungen zu erfüllen, die an ihn gestellt werden. Styria (2013), 208 Seiten, € 19,99.