Architektur ist ein Spiegel für das ganze Leben
Ferdinand Čertov und Roland Winkler, Kärntner Architekten, im Gespräch mit Gerald Heschl
Die Architektenbüros Ferdinand Čertov und Winkler&Ruck gewannen den Architektenwettbewerb für das größte Museumsprojekt Österreichs. Die Kärntner im Gespräch über Bauen und Leben.


Herzliche Gratulation zum ersten Preis für das Wien Museum – eines der derzeit größten Hochbauprojekte Österreichs. Immerhin wurden mehr als 270 Entwürfe eingereicht. Was ist das Ausschlaggebende bei solchen Wettbewerben? Worauf kommt es an?
Čertov: Wir haben einen prominenten Ort, den Karlsplatz, mit einer Geschichte, mit großartigen Gebäuden wie der Karlskirche und ein bestehendes Museumsgebäude. Man hätte auch den Abriss und einen vollständigen Neubau beschließen können. Aber in diesem Fall gab es die Vorentscheidung, dass dieses Gebäude bleiben soll.
Winkler: Wir haben uns an dieser Vorgabe wohl am präzisesten und einfühlsamsten orientiert. Darauf ist es angekommen.
Herr Winkler, Sie haben das Diözesanmuseum in Gurk geplant. War dies für Sie im Zusammenhang mit dem Wien Museum ein Vorteil? Oder sind die beiden Projekte so unterschiedlich, dass sie sich nicht vergleichen lassen?
Winkler: Sie sind zwar völlig unterschiedlich, lassen sich aber dennoch vergleichen: Wir haben in beiden Fällen aus einem Bestand heraus gearbeitet. Das war im Diözesanmuseum noch viel stärker, denn dort haben wir eigentlich das genommen, was schon da ist. Das Gebäude in Gurk atmet ja viele Jahrhunderte Geschichte. Man muss genau darauf achten, was da- raus erwachsen kann. Eigentlich sind die Räume dort schon das erste Ausstellungsstück. In Wien war das natürlich nicht ganz so. Aber diese Kombination aus Alt und Neu ist sowohl in Gurk wie in Wien ein eigenes Zeichen.
Ist es eigentlich schwieriger, ein bestehendes Gebäude zu adaptieren oder etwas Neues hinzuzustellen?
Winkler: Ich brauche das Bestehende fast. Man kann an der Geschichte anknüpfen. Jedes Gebäude hat eine Geschichte – das fehlt einem Neubau. Nehmen Sie die „Schatzkammer“ in Gurk. Die lange Geschichte des Gebäudes war dort eine ganz besonders schöne Herausforderung. Da hat man viele Anknüpfungspunkte.
Čertov: Ich bin eher beim Neubau. Gebäude sind ja nicht für die Ewigkeit gebaut. Ich finde, es ist ein schöner Aspekt, dass ein Gebäude einmal wegkommt und an diesem Platz etwas Neues entsteht.
In früheren Zeiten baute man aber schon für die Ewigkeit. Denken Sie an die Kathedralen.
Čertov: Den Sakralbau muss man aus diesen Überlegungen ausblenden. Beim Sakralbau trifft die gesamte abendländische Kultur in einem Gebäude auf uns. Die müssen auch erhalten werden.
Gibt es eigentlich Parallelen zwischen einem Museums- und einem Sakralbau? Man spricht ja bei Museen auch gerne von den „Tempeln der Kunst“ …
Čertov: Es gibt da schon große Unterschiede. In einem Museum werden Exponate gezeigt, die auch in jedem anderen Museum sein könnten. Dagegen sind Sakralbauten einmalige Räume der Kontemplation. Das ist für mich etwas ganz anderes. Ein Sakralbau ist für mich schon etwas ganz Spezielles.
Auch da gibt es Neu- und Umbauten. Wie geht es Ihnen damit?
Čertov: Wir haben schon Kirchen komplett restrukturiert, die in den 60er-Jahren in ein Wohnzimmer umgewandelt wurden. Das war damals zeitbedingt richtig.
Das hing eng mit dem II. Vatikanischen Konzil zusammen, das auch für den Kirchenbau eine wichtige Rolle gespielt hat. Geht es heute wieder in eine andere Richtung?
Čertov: Das war damals eine Befreiung von alten Machtstrukturen. Das war auch ganz richtig so. Aber in einer Zeit, in der die Menschen beruflich so sehr ins Hamsterrad eingespannt sind wie heute, spielen Spiritualität und Besinnung eine immer größere Rolle. Dafür braucht es spezifische Räume. Auch für die Feste des Kirchenjahres ist wieder ein wachsendes Grundbedürfnis spürbar.
Winkler: Wenn man an die Hektik unserer Zeit denkt, gibt der Kirchenraum in seiner Beständigkeit schon Halt. Zu allen Zeiten hat man in den Kirchen versucht, das Beste der möglichen Architektur anzuwenden. Das hat sich bewährt und wird fortgesetzt.
Čertov: Gegenüber den mächtigen alten Kirchen soll der Kirchenraum heute ein Refugium darstellen. Der Raum selbst wird immer wichtiger. Er spiegelt mehr die menschlichen Proportionen wider und ist nicht so sehr Zeichen der Allmächtigkeit. Für mich hat sich die Bedeutung in diesem Sinne positiv verändert.
Sie sprachen vorhin im Zusammenhang mit der „Schatzkammer“ von Zeichen. Wie weit setzt Architektur heute noch Zeichen der Zeit, wie dies ja in früheren Jahrhunderten ein zentrales Anliegen war?
Čertov: Es geht heute schon etwas weg von diesem Zeichen-Setzen. Das geschieht nur noch in ganz seltenen Fällen. Es geht vielmehr darum, zeitgemäß zu bauen. Da spielt die Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle, ob Baumaterialien, Ressourcenschonung etc. Diesen Aspekt würde ich als modernes Bauen bezeichnen.
Winkler: Dieses Zeichen-Setzen geht nach heutigen Maßstäben am Thema vorbei. Ganz aktuell bei der Flüchtlingskrise: Man kann doch nicht Unsummen in einen Bau stecken, um ein Zeichen zu setzen, und bei den Menschen spart man. Daher geht die Architektur heute viel mehr in Richtung Nachhaltigkeit.
Ist das eine neue Bescheidenheit?
Čertov: Damit hat das eigentlich nichts zu tun. Es geht um den Sinn dahinter, um Sinnhaftigkeit. Es ist vielmehr intelligentes Planen und Bauen. Da spielt etwa das Bauen mit Holz als heimischem Baustoff eine Rolle und ähnliche Dinge.
Zur Person:
Arch. Dipl.-Ing. Ferdinand Čertov ist in Zell-Pfarre/Železna Kapla aufgewachsen. Er leitet sein eigenes Architekturbüro in Graz. Neben zahlreichen Schul- und Wohnprojekten hat er u. a. die Kapelle der Mohorjeva in Klagenfurt, die Aufbahrungshalle in Micheldorf, den Pfarrhof in Mieger und zahlreiche weitere Sakralbauten in Kärnten und der Steiermark geplant.
Arch. Dipl.-Ing. Roland Winkler leitet gemeinsam mit seiner Frau Klaudia Ruck in Klagenfurt ein Architekturbüro. Er hat in Graz Architektur studiert. Zahlreiche Projekte in Kärnten, u. a. Stadtgartenamt in Klagenfurt. Winkler & Ruck zeichneten für die Planung der „Schatzkammer Gurk“, das neue Diözesanmuseum in Gurk, verantwortlich.