Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Arbeiten für eine Kirche, die den Menschen nahe ist

Hubert Ritt im "Sonntag"-Gespräch

Der Seelsorger und Neutestamentler Hubert Ritt über die großen Anliegen von Papst Franziskus, Widerstände dagegen und eine menschennahe Ehepastoral

Der Seelsorger und Neutestamentler Hubert Ritt im SONNTAG-Gespräch über die großen Anliegen von Papst Franziskus, Widerstände dagegen und eine menschennahe Ehepastoral (© Foto: Sonntag / Leo Klinke)
Der Seelsorger und Neutestamentler Hubert Ritt im SONNTAG-Gespräch über die großen Anliegen von Papst Franziskus, Widerstände dagegen und eine menschennahe Ehepastoral (© Foto: Sonntag / Leo Klinke)
 (© Foto: Leo Klinke)
(© Foto: Leo Klinke)

Herr Professor, Sie werden in Tainach ein Eheseminar halten und auch über den Vatikan referieren. Woher kommt Ihr Interesse am Vatikan?
Ritt: Ich wurde schon von Papst Johannes Paul II. in die Päpstliche Bibelkommission berufen. Auch in meiner Studienzeit am Päpstlichen Bibelinstitut hatte ich in der Vatikanischen Bibliothek gearbeitet. Ich werde oft gebeten, biblische Grundlagen für Vatikanische Dokumente vorzubereiten, was immer wieder Besuche vor Ort mit sich brachte.

Welche großen Veränderungen merkt man im Vatikan seit dem Pontifikat von Franziskus?
Ritt: Von früh bis spät merkt man diese Veränderungen: Es beginnt in der Früh mit der fast täglichen Messe im Gästehaus Santa Marta, wo der Papst in einer Mini-Wohnung wohnt, und bis zum Abend ist es jederzeit möglich, dass der Papst unangemeldete Besuche macht. Das höfische Zeremoniell ist beinahe abgeschafft. Franziskus kann im Team arbeiten und „sucht“ die Wahrheit; er „hat“ sie nicht. Er ist eine so strahlkräftige Persönlichkeit mit Charisma, dass sich das ganze Klima im Vatikan verändert hat. Er lebt total mit den Menschen. Fragen Sie Bettler in Rom: Was der Papst z. B. für diese Menschen Gutes tut, ist wunderschön. Erzbischof Krajewski, der liebevolle „Sozialminister“ im Vatikan, ist heute genauso wichtig wie der Staatssekretär.

Manche haben erwartet, dass Franziskus „heiße Eisen“ wie den Zölibat, den sakramentalen Dienst der Frau oder die katholisch-evangelische Eucharistie anpackt. Wieso tut er das nicht?
Ritt: Er öffnet Tore, aber er respektiert die große Vielfalt an Traditionen, um sie dann mit großer pastoraler Klugheit und enormem theologischem Wissen – er ist Jesuit – behutsam zu Entscheidungen zu führen. Das größte Problem ist, dass manche Bischöfe und Kardinäle in der Weltkirche ihn nicht hundertprozentig unterstützen.

... bis dahin, dass sie ihn sogar mehr oder weniger offen anfeinden. Ist das wirklich deren Sorge um die Kirche oder eher der Aufschrei von Befürwortern einer macht- und glanzvollen, eigentlich vorkonziliaren Kirche ?
Ritt: Ja, es gibt eine kleine Gruppe von älteren „Herren“, die in einer anderen Welt leben – kilometerweit von der Seelsorge entfernt. Es ist geradezu verwunderlich, dass die Wappensprüche solcher Kardinäle – Burke: „Gemäß deinem Herzen“, Caffarra: „Allein durch Barmherzigkeit“ – völlig konträr sind zu ihrem „herzlosen“ und „unbarmherzigen“ Widerstand gegen den Papst.

Franziskus kann im Team arbeiten und „sucht“ die Wahrheit, er „hat“ sie nicht.

Kardinal Burke, einer der größten Gegenspieler des Papstes, wirft ihm vor, die Grundlagen von Ehe und Familie zu untergraben. Gleichzeitig unterstützt er den US-Päsidenten Trump und lobt diesen, dass nun im Weißen Haus wieder ordentliche Familienpolitik zu erwarten wäre. Ist das nicht widersinnig?
Ritt: Ein „Würdenträger“ wie Kardinal Raymond Burke, der sogar im Petersdom 1975 von Paul VI. zum Priester geweiht wurde und am obersten kirchlichen Gericht tätig war, müsste so viel Anstand haben, dass er dem wirklichen „Bürdenträger“ Franziskus brüderlich begegnet. Wer sich in der Kirche wie ein „Herr“ benimmt, hat wenig Gespür für das „Dienen“.

Sie sind Neutestamentler: Ist es nicht ungewöhnlich, dass Sie als solcher ein Seminar für Braut- und Ehepaare anbieten?
Ritt: In allen meinen Jahren als Universitätsprofessor war ich immer Pfarrer in großen Pfarrgemeinden, sowohl in der Stadt als auch am Land, in sozial sehr unterschiedlichen Gebieten. Dadurch war ich auch immer in der Familienpastoral engagiert. In Wien-Grinzing mit unserer beliebten Hochzeitskirche gehört die Vorbereitung vieler Brautpaare aus dem In- und Ausland zu einer meiner wichtigen seelsorglichen Bemühungen. Ich begleite auch viele Wiener Ehepaare – oft gemeinsam mit Eheberaterinnen und Eheberatern – in kritischen Lebenssituationen.

Welche Veränderungen können Sie in den letzten Jahren feststellen?
Ritt: Dass das Hochzeitsalter immer höher wird; dass die meisten Brautpaare viele Jahre miteinander leben, bis sie sich wirklich zur Hochzeit entscheiden. Auch dass wir das Eherecht der Kirche und die Gewissensentscheidung der Brautleute kaum in Einklang bringen können; ich denke da z. B. an die Segnung der Menschen, die nach der Scheidung eine neue Ehe schließen. Oder dass es keine Anerkennung des Amtes evangelischer Pfarrer/Pfarrerinnen gibt, was aber notwendig wäre, um miteinander Eucharistie zu feiern. Eheleute vertrauen sich am ehesten einem Priester an, der – wie Papst Franziskus – die Barmherzigkeit Gottes als Leitmotiv hat und nicht nur kirchenrechtliche Probleme bereitet.

Wie kommt es, dass Menschen ausgerechnet Sie, den Universitätsprofessor, als Seelsorger suchen?
Ritt: Mein Pfarrhaus ist ein offenes Pfarrhaus, Menschen fühlen sich darin „daheim“. Es ist telefonisch immer erreichbar. Das schafft eine enorme Vertrauensbasis. Es ist wichtig, als Priester wirklich immer verfügungsbereit zu sein. Das geht zwar bis an die Grenzen der Gesundheit, aber dafür gibt es keine Langeweile, und ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen das sehr zu schätzen wissen.

Interview: Georg Haab

 

Zur Person:

Univ.-Prof. DDr. Hubert Ritt, geb. 1942, studierte Philosophie und Theologie in Löwen, Graz und Rom. Nach seiner Habilitation an der Universität Würzburg lehrte er Exegese des Neuen Testamentes ebendort, in Tübingen, Wuppertal, Münster, Bonn und Regensburg, wo er von 1992 bis 1995 auch Dekan der Theologischen Fakultät war. Ritt ist Mitglied der Päpstlichen Bibelkommission. An den Orten seiner Lehrtätigkeit war der Theologe, der 1966 zum Priester geweiht wurde, immer auch in der Seelsorge tätig.

 

Veranstaltungstipp:

Vortrag mit Univ.-Prof. DDr. Hubert Ritt:
Wie wird im Vatikan unter Papst Franziskus gearbeitet?
Freitag, 24. März 2017, 19.00 Uhr.

Ich will immer bei dir bleiben. Wie verstehen Bibel und Kirche die eheliche Liebe und Treue? Seminar für angehende Brautpaare und Eheleute mit Univ.-Prof. DDr. Hubert Ritt, Samstag, 25. März 2017.
Seminarbeitrag: € 30,- (Einzelpersonen), € 50,- (Paare).

Beide Veranstaltungen: Bildungshaus Sodalitas, Tainach
Weitere Infos auf: www.sodalitas.at