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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

70 Jahre “Tag der Menschenrechte”

Josef Till über die Menschenrechtskonvention, die heute ihren 70. Jahrestag begeht

Bildunterschrift (Bildrechte sind zwingend anzugeben!)
Foto: UNHCR

Vor 70 Jahren, am 10. Dezember 1948, wurde von der UN-Generalversammlung die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ in einer Resolution verabschiedet, die allerdings kein völkerrechtlicher Vertrag und somit rechtlich nicht bindend ist. Wegen ihrer universellen Anerkennung gilt sie jedoch als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechtes; sie ist ein Grundkodex der internationalen Staatengemeinschaft über die Menschenrechte.

Missachtung der Menschenrechte
Im vergangenen Jahrzehnt wurden Menschenrechte kaum geachtet. Überall auf der Welt kam es zu Menschenrechtsverletzungen, bewaffneten Konflikten, Folterungen, Misshandlungen, politischen Morden, Todesstrafen, Ausgrenzungen und zur Verfolgung von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten. Diese Verschärfung der Lage hat aber auch Widerstand ausgelöst. Weltweit haben sich Menschen dagegen gewehrt und sich Gehör verschafft.
Menschenrechte sind Rechte jedes Einzelnen mit universalem Geltungsanspruch. Diese Rechte stehen jedem Menschen in gleichem Maße zu, sie erlauben keine Diskriminierung nach Stand, Geschlecht, Religionszugehörigkeit oder ethnischer Herkunft. Sie haben einen emanzipatorischen Charakter. Die menschenrechtliche Gleichheit will aber kein Gleichsein, sie will gleiche Freiheit für jeden Menschen.
Menschenrechte bilden aber auch eine politisch-rechtliche Kategorie, sie wollen grundlegende Bedingungen menschenwürdigen Lebens in Verfassungen und internationalen Verträgen so festschreiben, dass sie durchgesetzt werden können.
Menschenrechte unterscheiden sich von der christlichen Nächstenliebe oder von der buddhistischen Mitleidsethik. Sie gehen über diese hinaus, weil sie politisch-rechtlich in der Gesellschaft durchgesetzt werden sollen.

Entstehung und Entwicklung
Die Anfänge der Menschenrechte sind in antiken Philosophien zu finden, z. B. bei der stoischen Lehre von der gemeinsamen Teilhabe aller Menschen am göttlichen Wort sowie in der europäischen Naturrechtstradition. Beim Apostel Paulus gibt es Hinweise hinsichtlich der Menschenrechte in 1 Kor 12,13 und Gal 3,28.
Die mittelalterliche Scholastik hat aufgrund der Beschäftigung mit der Antike dazu beigetragen, dass die Rechte des Einzelnen deutlicher erkennbar wurden, wie z. B. in der englischen Magna Charta von 1215. Die Reformation war für die Ausformung eines Menschenrechtskataloges bedeutsam. Theologische und rechtsphilosophische Überlegungen wurden zunächst in England und später in Nordamerika rechtswirksam.
Meilensteine dieser Entwicklung sind die englische „Bill of Rights“ von 1689 und die Grundrechtsdeklaration des US-Staates Virginia (1776). Mit der Französischen Revolution (1789) und der Unabhängigkeit der USA (1789) gab es eine positive Weiterentwicklung. Die französische Aufklärung rief zum Schutze der Rechte des Individuums auf.

Tag der Menschenrechte
Aufgrund der Erfahrungen mit Nationalsozialismus, Faschismus und Stalinismus kam es zu verbindlichen Vereinbarungen, zur „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ am 10. Dezember 1948, und zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten am 3. September 1953. Der „Tag der Menschenrechte“ wird seit dem 10. Dezember 1950 jährlich begangen.
48 Staaten stimmten für die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, acht enthielten sich der Stimme. Österreich konnte wegen seiner nicht vorhandenen Souveränität den Katalog nicht unterzeichnen. 1958 wurde aber in Österreich die Europäische Menschenrechtskonvention in die Verfassung übernommen. Sie ist seitdem ein wichtiger Bestandteil der österreichischen Verfassung.
Im Artikel 1 heißt es: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sollen einander im Geiste der Geschwisterlichkeit begegnen.

Menschenrechte und Kirche
Philosophen, z. B. Edmund Burke und Friedrich W. Hegel, lehnten die Menschenrechte ab, desgleichen die christlichen Kirchen, da sie sie mit dem antikirchlichen Kulturkampf und der Zersetzung christlicher Werte assoziierten.
Die Katholische Kirche gab aber ihre Vorbehalte gegen die Menschenrechte beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) auf. Im Konzilsdokument „Dignitatis humanae“ vom 7. Dezember 1965 wird die Religionsfreiheit ausdrücklich anerkannt. Vor allem Papst Johannes XXIII. war es, der in seiner Enzyklika „Pacem in terris“ (Frieden unter allen Völkern, 1963) ein Bekenntnis zu den Menschenrechten ablegte.
Der Menschenrechtskatalog der Enzyklika unterscheidet sich jedoch von der Erklärung der UNO durch den Hinweis auf die Pflichten beim Wahrnehmen der Menschenrechte. Freiheits- und Sozialrechte sind nicht trennbar. Mit der Enzyklika „Pacem in terris“ hat der heiliggesprochene Papst eine Magna Charta der Menschenrechte geschaffen, die über den kirchlichen Raum hinausweist. Das Konzil und die Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. haben das Bewusstsein für die Menschenrechte in der Kirche weiterentwickelt.
Auch der Protestantismus gab seine Bedenken gegen die Menschenrechte erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg auf.

Theologische Begründung
Die Menschenrechte werden theologisch durch die Lehre von der Schöpfung und der Gottesebenbildlichkeit, durch die Menschwerdung Jesu und die Gleichheit aller Menschen sowie durch die Sendung des Hl. Geistes als Fortsetzung des Werkes der Befreiung begründet. Es ist aber zu beachten, dass in allen religiösen Traditionen Elemente wie Frieden, Toleranz, Gewissensfreiheit, Würde, Gleichheit der Person und soziale Gerechtigkeit vorkommen, allerdings ist immer zu fragen, ob alle, die die Menschenrechte im Mund führen, auch dasselbe meinen.