Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

24 Nationen unter einem Schuldach

Miteinander leben – Voneinander lernen – Füreinander da sein

„Friedensschule“ prangt in großen Lettern über einem bunten Regenbogen, der zur Eingangstür weist. Die Volksschule 11 in Klagenfurt St. Ruprecht setzt interkulturelles Lernen unaufgeregt seit vielen Jahren um. - Von Ingeborg Jakl

Blick zurück auf die Verleihung des Kärntner Menschenrechtspreises 2011. Ilse Fina, Direktorin der Friedensschule St. Ruprecht, im Kreis ihrer stolzen Schülerinnen und Schüler.  (© Foto:  Marion Lobitzer)
Blick zurück auf die Verleihung des Kärntner Menschenrechtspreises 2011. Ilse Fina, Direktorin der Friedensschule St. Ruprecht, im Kreis ihrer stolzen Schülerinnen und Schüler. (© Foto: Marion Lobitzer)

Sabinas Herz schlägt bis zum Hals. Gleich wird Ilse Fina, Direktorin an der Friedensschule St. Ruprecht in Klagenfurt, die achtjährige Inderin den anderen Mädchen und Buben in der Aula vorstellen. 160 Augenpaare schauen schon ganz neugierig auf die neue Schulkollegin, die jetzt, mitten im Schuljahr, dazugekommen ist. Sabina würde sich in diesem Augenblick am liebsten hinter ihrer Freundin, der siebenjährigen Subreen, ebenfalls aus Indien, verstecken. Die aber ist mutig, nimmt Sabina bei der Hand und stellt in perfektem Deutsch den anderen „die Neue“ vor. Dazwischen befragt sie souverän Sabina immer wieder in ihrer Landessprache und übersetzt flink für alle anderen zum Mithören. Die sind ganz erstaunt zu erfahren, dass Sabina bisher nie einen dicken Pullover getragen hat, sich aber trotzdem im Kärntner Winter wohlfühlt. Und damit das auch so bleibt, erklingt „Hello, hello“ als Willkommensgruß in Englisch, und ab da fühlt sich die neuangekommene Inderin gleich gut aufgenommen.
„Alltag“, sagt dazu Ilse Fina. Die Direktorin der Friedensschule St. Ruprecht beherbergt 24 Nationen, das heißt auch 20 verschiedene Sprachen, unter ihrem Dach. Das sind 160 Schülerinnen und Schüler, die sich auf neun Klassen verteilen. Hier, in der Volksschule 11, ist alles ein wenig anders als anderswo. „Viele Sprachen, viele Kulturkreise, viele Religionen“, attestiert denn auch die Direktorin. Trotzdem oder gerade deshalb sind hier nicht nur die Lehrpersonen gefordert, sondern auch die Mädchen und Buben. Sie lernen bereits im Volksschulalter, was es heißt, gesellschaftliches Zusammenleben über die Schultür hinauszutragen.


Kultur durch Religion
„Unsere Kinder lernen Kultur durch Religion“, sagt Fina. Die wöchentliche Friedensstunde in den jeweiligen Klassen bietet den Kindern die Möglichkeit eines fast spielerischen Zugangs, nämlich des Respekts unter- und füreinander. Werden religiöse Inhalte der einzelnen Religionen ernst genommen, sind diese in höchstem Maß friedvoll und tragen zur Gewaltfreiheit bei, ist Fina überzeugt. Sie muss es wissen, denn immerhin finden sich an ihrer Schule elf verschiedene Religionen.
Die Reaktionen der Kinder geben ihr  und ihrem Team in ihren Bemühungen recht. Amir, Melin und Ayshia haben keine Kommunikationsprobleme untereinander, denn sie verbindet die Schulsprache Deutsch. Darüber hinaus bietet das interkulturelle Lernen die Chance, eine fremde Kultur näher kennen zu lernen und dabei die eigene zu reflektieren. Sich einlassen, ganz selbstverständlich, und den anderen Raum geben in ihrem vordergründigen Anderssein, um voneinander und mitei-nander zu lernen.


Vertrauen und Respekt
„Wir bemühen uns stets, ein positives Lernklima zu schaffen und die Freude unserer Schülerinnen und Schüler zum Lernen zu wecken und zu erhalten“, umreißt Fina ihr Bestreben. Dazu zählt auch, die Stärken der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Das überträgt sich oftmals auf die Eltern. Die kommen nämlich pünktlich zu den Sprechstunden in der Schule, oft mit einem Dolmetscher ihres Vertrauens. Ihre Kinder könnten problemlos dolmetschen, aber, wie Fina schmunzelnd verrät, nicht alles ist für die Kinderohren bestimmt. Der Weg zur Friedensschule nahm seinen Anfang, als der Konflikt im ehemaligen Jugoslawien eskalierte. „Plötzlich hatten wir Kinder aus Bosnien in der Schulbank sitzen und mussten reagieren“, erinnert sich Fina. Im Laufe der Jahre kamen andere Nationalitäten dazu, und Fina und ihre Kolleginnen und Kollegen stellten sich dieser besonderen pädagogischen Herausforderung mit viel Gespür und auch Herz. Sie leisteten im Bereich der Integration im Stadtteil St. Ruprecht in Klagenfurt einen wesentlichen Beitrag zum Abbau von Vorurteilen und wertvolle Pionierarbeit für den interreligiösen und interkulturellen Dialog im Land und über die Grenzen hinaus.
„Unser Ziel war und ist immer, die Schülerinnen und Schüler zu gegenseitiger Achtung, Höflichkeit und Toleranz zu erziehen.“ Dazu brauche es Freundlichkeit, Geduld und Konsequenz, fügt sie an.


Zeichen setzen
All das war ausschlaggebend dafür, dass der Kärntner Menschenrechtspreis 2011 an die Friedensschule mit Direktorin Ilse Fina ging. Im Spiegelsaal der Kärntner Landesregierung wurde der Preis zweigeteilt. Auch die FGM-Hilfe – Verein zur Bekämpfung weiblicher Genitalverstümmelung unter Obfrau Elisabeth Cencig – wurde ausgezeichnet.
Prälat Horst-Michael Rauter hob in seiner Laudatio besonders die Verdienste der Friedensschule mit Direktorin Fina und ihrem Team hervor. Rauter verriet auch, dass Fina ihre Kraftquellen für Recht und Gerechtigkeit aus Familie und Glauben schöpfe sowie durch das gelingende Miteinander an dieser Schule. Die stolzen Schülerinnen und Schüler, die mit zur Preisverleihung gekommen waren, präsentierten mit Freude zum Abschluss Gedichte und Lieder in vielen Sprachen. Sie setzten ein Zeichen der ethnischen und kulturellen Vielfalt und betonten einmal mehr das friedliche Miteinander. Nämlich: Friede sei nicht nur ein Wort, sondern Worte und Taten.