Organisation

Referat für pfarrpastorale MitarbeiterInnen

Gnade - Eine Beziehung, die in die Freiheit führt

Theologie aktuell - Rezensionen aktueller theologischer Fachartikel und Anstöße für das theologische Gespräch

Geöffnete Kette (© Foto: Michael Kapeller)
Geöffnete Kette (© Foto: Michael Kapeller)

Im Artikel Es geht ums Ganze – Zur Revision des Opfermodells im Diskurs von Gnade und Sünde (nachzulesen in: ThPQ (2012) 21-30) plädiert Hermann Härung für ein Gnaden- und Sündenverständnis, das sich an den Evangelien orientiert. Dann – so der Autor – „lässt sich Gnade wieder vorbehaltlos als Freiheit und Befreiung denken.“

Dechant Herbert Burgstaller hat den Artikel rezensiert (s. Download) und Michael Kapeller geht auf dem Hintergrund der Überlegungen von Hermann Häring auf häufig gestellte Fragen zum Thema Gnade ein.

 

Wie kann man den theologischen Begriff "Gnade" in die Alltagssprache übersetzen?

Wenn ein Mensch umgangssprachlich als „begnadet“ bezeichnet wird, dann gilt er als talentiert und hoch begabt. Diese besondere Fähigkeit hat er jedoch nicht  aus sich selbst hervorgebracht, sondern sie wurde ihm mitgegeben. Hier klingt etwas von dem nach, was in der Bibel und der Kirche unter Gnade gemeint ist. In der Bibel handelt es sich bei Gnade jedoch nicht um eine Fähigkeit oder um eine Eigenschaft, sondern um ein Verhältnis und ein Geschehen. Wenn die Bibel von Gnade spricht, dann sagt sie: Gott schenkt dem Menschen Heil und der Mensch nimmt dieses Geschenk dankbar an. Wer so lebt, der ist im biblischen Sinn grazil, schön und anmutig, womit wir dann auch bei der Wortbedeutung von Gnade wären.

Wo wird das, was Gnade meint, heute konkret?

Zuerst einmal ist wichtig: Gnade lässt sich nicht erarbeiten oder gar erzwingen. Sie ist ein Geschenk Gottes. Dieses Geschenk geht jedoch nicht in den Besitz des Menschen über. Es „bewirkt“ vielmehr, dass der Mensch, der sich diesem Geschenk öffnet und es „annimmt“ Gott näher kommt.
Konkret werden kann dies zum Beispiel in einer Begegnung von Mensch zu Mensch, im Gebet oder auch im Empfang der Sakramente. Diese Nähe Gottes kann im Menschen ein Wohlgefühl und innere Stärke auslösen, muss es aber nicht. Oftmals wird das Gute, das Gott dem Menschen will, erst wie in einem Rückspiegel sichtbar. Was in der Situation selbst dunkel erschienen ist, erweist sich nun mit zeitlichen Abstand als hell.

Was verändert sich, wenn man sich der Dimension der Gnade Gottes öffnet?

Wer sich auf dieses Geschehen der Gnade einlässt, der wählt den Weg der Freiheit. Diese Freiheit wird möglich, wenn er bzw. sie das Beziehungsangebot Gottes annimmt und sich darin immer mehr um ein Leben mit Gott und aus dem Evangelium bemüht. Dadurch wächst Freiheit: Die Freiheit, nicht allen gefallen zu müssen oder auch die Freiheit, nicht nach Macht, Erfolg und Anerkennung streben zu müssen. Wer sich darauf einlässt, kann erfahren wie lähmende Ketten abfallen und sich neue Wege zeigen. Der Preis dieser Veränderung liegt auch auf der Hand: Dieser Weg erfordert es, sich klar zu positionieren und auch einmal gegen den Strom zu schwimmen. Und eines noch: Wer diesen Weg der Freiheit einschlägt, der wird immer wieder einmal anhalten und wohl auch umkehren müssen. Dazu fordert Gott mit seinem Geschenk der Gnade auf und dazu stärkt er den Menschen auch – nicht nur, aber gerade auch in der Fastenzeit.