Organisation

Institut für kirchliche Ämter und Dienste

Synodal leben - Von Mose leiten lernen

VIII. Autorität und Teilnahme

Leitung braucht Verlässlichkeit (Petra Bork_pixelio.de)
Leitung braucht Verlässlichkeit (Petra Bork_pixelio.de)

Im achten Themenfeld des Vorbereitungsschreibens „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ behandelt Papst Franziskus mit „Autorität und Teilnahme“ einen Bereich kirchlichen Lebens, der auch im synodalen Weg Deutschlands intensiv diskutiert wird. Dabei möchte der Papst einen Reflexionsprozess darüber anregen wie in der Kirche Autorität ausgeübt wird, Teamarbeit und Mitverantwortung gelebt werden und welchen Stellenwert dabei laikale Dienste einnehmen.

Macht und Autorität

Macht und Autorität sind zwei zentrale Merkmale von Leitung und Führung. In einer allgemein anerkannten Definition bestimmt der Soziologe Max Weber Macht, wie folgt:

Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen.

Dabei geht es laut Weber nicht um die Plausibilität oder Legitimität dieses Tuns, sondern um die faktische Durchsetzungskraft. Der Begriff Autorität trägt das Moment der Macht in sich, setzt diese aber auf der Grundlage einer Kompetenz ein, die sich eine Person erworben hat bzw. die ihr durch eine Organisation oder Institution zuerkannt wird. So lässt sich eine personale Autorität (diese kann fachlich und/oder emotional bestimmt sein) von einer Amtsautorität unterscheiden.

Macht in der Kirche

Leitung wird in der Kirche theologisch nicht im Kontext von Macht und Autorität verhandelt. Im Zentrum steht vielmehr die „heilige Vollmacht“ mit der Priester und Bischöfe in der Weihe ausgestattet werden. Diese bindet sie unmittelbar an Christus und ist auf das Heil der Menschen ausgerichtet. So betont die Kirchenkonstitution „Lumen gentium“ (= Licht der Völker) des 2. Vatikanischen Konzils im Blick auf die Priester:

Das Amt Christi des Hirten und Hauptes üben sie entsprechend dem Anteil ihrer Vollmacht aus, sie sammeln die Familie Gottes (…) und führen sie durch Christus im Geist zu Gott dem Vater. (LG 28)

Die Grundlage für Leitung in der Kirche bilden nicht Durchsetzungsvermögen oder fachliche Kompetenz, sondern Berufung und Erwählung. Zu Spannungen kann es kommen, wenn mit diesem geistlichen Leitungsverständnis profane Leitungsentscheidungen zu treffen sind und wenn an kirchliche Amtsträger soziologische Kriterien von Leitungskompetenz angelegt werden.

Die Falle des „Klerikalismus“

Für Papst Franziskus weist geistliche Leitung eine gefährliche Kehrseite auf, die er unermüdlich als „Klerikalismus“ brandmarkt. Darunter versteht der Papst jede Form eines Missbrauchs einer kirchlichen Position und Stellung. Als Beispiele führt er geistliche Überheblichkeit, Oberflächlichkeit, Eitelkeit und Streben nach Ruhm und Ehre an. Darauf machte Papst Franziskus zuletzt am 7. November 2021 beim Angelusgebet am Petersplatz eindringlich aufmerksam:

Nutze niemals deine Stellung aus, um andere zu erniedrigen.

Geweihte Amtsträger seien hier, so der Papst, besonders gefährdet. Klerikalismus beobachtet er jedoch auch bei hauptamtlichen Laien und bei engagierten Ehrenamtlichen.

Mose leistet Widerstand

Mit Mose hat Gott seinen „Wunschkandidaten“ gefunden, der das Volk Israel aus dem Sklavenhaus Ägypten in die Freiheit führen wird. Mose bringt ideale Voraussetzungen mit: er wurde am Herrscherhof ausgebildet, brennt für sein Volk und zeichnet sich durch Tatkraft und Entscheidungsfreude aus. Doch Gott hat es nicht leicht mit Mose. Denn dieser fühlt sich nicht geehrt durch die Auszeichnung dieser göttlichen Erwählung. Vielmehr zögert er. Denn er weiß, dass er seine Sendung nur erfüllen kann, wenn das Volk seine Autorität anerkennt. So stattet ihn Gott mit der Fähigkeit einen Stab in eine Schlange zu verwandeln, seine Hand mit Aussatz zu bedecken und wieder zu heilen und das Nilwasser in Blut zu verwandeln aus. Mose aber zögert noch immer. Er kennt seine Stärken und seine Grenzen. Trotz aller Autorität muss er das Volk überzeugen. Ihm aber fehlt die Gabe der Rede. Dieser beharrliche Widerstand wird Gott beinahe zu viel. Mose aber bleibt bei seiner Position und erwirkt schließlich, dass Gott ihm mit Aaron eine Hilfe zur Seite stellt.

Er wird für dich Mund sein und du wirst für ihn Gott sein. (Ex 4, 16)

Mit dieser Unterstützung kann Mose die Aufgabe übernehmen. Entscheidend dafür ist: trotz seiner Defizite ist es Mose, der das Volk in die Freiheit führen wird.

Mose lässt sich korrigieren

Das große Werk gelingt. Mose gewinnt das Vertrauen des Volkes, bereitet es auf den Auszug vor und erwirkt durch die Plagen Gottes die Zustimmung des Pharao. Doch der Geschmack der Freiheit ist den Israeliten fremd. Immer neue Herausforderungen tun sich auf und das Zusammenleben ist neu zu organisieren. Mose hat sich als Führungspersönlichkeit bewährt. Alle Fäden laufen bei ihm zusammen. So ist er vom Morgen bis zum Abend für das Volk da, um bei Konflikten und Streitfällen Recht zu sprechen. Sein Schwiegervater Jitro beobachtet ihn bei seinem Tun und gibt ihm eine unverblümte Rückmeldung:

Es ist nicht gut, wie du das machst. So richtest du dich selbst zugrunde und auch das Volk, das bei dir ist. (Ex 18, 17)

Jitro rät ihm, die Verantwortung zu teilen. Mose nimmt den Rat seines Schwiegervaters an: Er beschränkt sich darauf, das Volk vor Gott zu vertreten und überlässt die Rechtsprechung Männern, die er sorgsam auswählt und als Richter einsetzt.

Leiten in der Kirche

Das Beispiel des Mose macht deutlich: Für ein Leitungsamt in der Kirche reichen Berufung und Erwählung nicht aus. Der oder die Erwählte benötigt vor allem eine gute Kenntnis eigner Möglichkeiten und Grenzen. Andererseits wird an Mose auch sichtbar: persönliche Defizite sind für Gott kein Grund jemanden nicht zu berufen. Wer leitet steht jedoch ständig in der Gefahr sich selbst zu überschätzen und sich über andere zu stellen. Daher braucht jeder Leiter und jede Leiterin mindestens einen „Jitro“, der offen und ehrlich Rückmeldung gibt. Leitung auszuüben bedeutet nicht einen Raum zu besetzen und alles an sich zu ziehen, sondern einen Raum freizugeben, damit sich Menschen einbringen und entfalten können. Dazu sind Klarheit bezüglich der eigenen Rolle und Funktion nötig und eine entsprechende Akzeptanz von der Gemeinschaft bzw. der Institution. Wo dies gegeben ist, gelingt das Miteinander von Bischof, Priestern, Diakonen, Pastoralassistent/innen und engagierten Christinnen und Christen und gewinnt die Verkündigung des Evangeliums an Kraft und Glaubwürdigkeit.