Organisation

Institut für kirchliche Ämter und Dienste

Synodal leben - Anders kommunizieren

VI. In der Kirche und in der Gesellschaft Dialog führen

Brücken des Dialogs bauen (M. Kapeller)
Brücken des Dialogs bauen (M. Kapeller)

Im sechsten Themenfeld des Vorbereitungsschreibens „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ verbindet Papst Franziskus das Thema „Zuhören“ mit dem Thema „Das Wort ergreifen“ zum „Dialog“. Dabei ist für ihn der „Dialog (..) ein Weg der Beständigkeit, der auch Schweigen und Leiden umfasst, aber in der Lage ist, die Erfahrungen der Menschen und der Völker aufzugreifen.“

Menschsein heißt „Im-Gespräch-sein“

Als Menschen existieren wir nicht aus uns und für uns selbst. Wir können uns nur äußern, indem wir uns anderen Menschen gegenüber öffnen und von ihnen gehört und angesprochen werden. Somit lässt sich Menschsein als ein „Im-Gespräch-sein“ umschreiben. Dabei beschränkt sich dieses Gespräch nicht auf den Austausch von Worten, sondern umfasst jegliche menschliche Begegnung. Damit es zur Verständigung kommt, braucht es, so Bernhard Casper, die Fähigkeit und die Bereitschaft, was mir wichtig ist, verbal und non-verbal so auszudrücken, dass es bei meinem Gegenüber ankommt.

Sprechen muss aus diesem Grund immer schon als Übersetzen geschehen. (Bernhard Casper)

Zugleich ist aber vom Gesprächspartner bzw. von der Gesprächspartnerin „Mehrsprachigkeit“ gefordert. Denn erst wenn ich mich ganz auf seine bzw. ihre Botschaft einlasse, kann ich sie auch so verstehen, wie sie gemeint ist.

Am Anfang – schweigen

In der Bibel bedient sich das Buch Ijob der literarischen Gattung des Dialogs. An eine Rahmenerzählung, in der die Leserin und der Leser vom Reichtum und Wohlergehen des Ijob, vom Eingreifen des Satans und von den negativen Folgen für seinen Leib und sein Leben erfahren, schließt sich ein Redeteil an. Darin erörtert Ijob mit seinen Freunden, warum ihm dieses Leid zugemutet wird, was sein persönlicher Anteil daran sein könnte und welche Rolle Gott darin spielt. Bevor jedoch die Freunde Ijobs ihre Stimme erheben, lassen sie sich auf die Ausgangslage des Ijob ein und teilen mit ihm seine Not, seine Verzweiflung und sein Leid:

Sie saßen bei hm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und keiner sprach ein Wort zu ihm. (Ijob 2, 13)

Dieses Verweilen im Schweigen beenden nicht die Freunde Ijobs. Dieser Schritt kommt ihm zu, indem er über die Last seines Lebens klagt.

Rede, Gegenrede, Gottesrede

Die Reden und Gegenreden, die nun folgen entstammen keinem Lehrbuch geglückter Kommunikation. Sind die ersten Beiträge noch von Behutsamkeit, Respekt und Zurückhaltung geprägt, so kommt es von Runde zu Runde zu massiveren Anschuldigungen und Verhärtungen: umso nachdrücklicher Ijob jegliche Schuld für sein Leid von sich weist und vielmehr Gott selbst dafür verantwortlich macht, desto schärfer betonen die Freunde die Unschuld Gottes. Wie lässt sich aber dieses Gegeneinander lösen? Im Buch Ijob kommt es zum Umschwung als Gott sich selbst in das Gespräch einbringt und damit Ijob, so Ludger Schwienhorst-Schönberger, in die Lage versetzt, nicht mehr nur über ihn zu sprechen, sondern mit ihm. Das ändert nicht seinen Zustand, eröffnet ihm aber eine neue Perspektive:

In seiner Wahrnehmung stößt er bereits in eine andere Dimension vor. (Ludger Schwienhorst-Schönberger)

Bei Verhärtungen ist es ratsam, sich nicht nur von Positionen leiten zu lassen, sondern nach gemeinsamen Zielen und Anliegen Ausschau zu halten.

Umgang mit Gegnern

In der Benediktsregel (um 540) findet sich ein eigener Abschnitt über den Umgang mit Brüdern, die sich gegen die Gemeinschaft stellen und somit diese verlassen müssen. Zunächst werden die Konsequenzen für diverse Verfehlungen und der Umgang mit einem abtrünnigen Bruder geregelt. Dabei bleibt es jedoch nicht. Der Abt soll sich vielmehr mit größter Sorge um ihn kümmern. Er soll ältere weise Brüder zu ihm schicken, die das Gespräch mit ihm suchen.

Sie sollen ihn trösten, damit er in nicht zu tiefe Traurigkeit versinkt. (Kapitel 27)

Begründet wird dies mit dem Beispiel Jesu, der neunundneunzig Schafe zurück ließ, um das verirrte Schaf zu suchen (Lk 15, 3-7). Dieses „Gesprächsangebot“ hat nicht nur die Intention, den anderen zur Umkehr zu bewegen, sondern sich ihm auch dann empathisch zuzuwenden, wenn er oder sie sich abgewendet und das Gespräch abgebrochen hat.

Frieden stiften

Ausgehend vom Weltgebetstag von Assisi 1986 hat es sich die römische Gemeinschaft „San Egidio“ zur Aufgabe gemacht, dieses Gebet um Frieden in die Welt zu tragen und sich als Friedensvermittler in internationale Konflikte einzubringen. So gelang es Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinschaft 1992 nach jahrelangen Gesprächen einen Friedensvertrag für Mosambik auszuhandeln. Der damalige UN-Generalsekretär, Boutros-Ghali, hat das Engagement dieser Gemeinschaft ausdrücklich gewürdigt:

Sie war besonders erfolgreich dabei, andere miteinzubeziehen, damit sie zu einer Lösung beitragen konnten.

Den Vermittlern ging es nicht um eigene Interessen, sondern um die betroffenen Menschen. Dies unterstrichen sie, indem sie unbegrenzt Zeit und Geduld aufbrachten, um Menschen zuzuhören, sie zu verstehen und sie miteinander ins Gespräch zu bringen.

Anders kommunizieren

In einer Zeit zunehmender Spannungen, Polarisierungen und Verwerfungen lädt Papst Franziskus im Rahmen dieses synodalen Prozesses zu einer Intensivierung des Dialogs ein. In Dialog treten bedeutet zuerst: nicht die Position des anderen bewerten, sondern das Anliegen und auch die Not dahinter wahrnehmen. Weiters braucht es die Bereitschaft sich dessen zu vergegenwärtigen, was bisher verbunden hat und miteinander Fakten außer Streit zu stellen. Kommt es zu Verhärtungen, gilt es zwischen der Sach- und der Person-Ebene zu unterscheiden: der Mensch verdient immer Respekt und Wertschätzung, auch wenn ich seine bzw. ihre Vorstellungen ablehne. So liegt es wohl an jeder und jedem einzelnen im Dialog dort Brücken zu bauen, wo heute Gräben unüberwindbar erscheinen, damit wir gemeinsam in eine gute Zukunft gehen können.