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Institut für kirchliche Ämter und Dienste

da sein - Die Passion Jesu heute 5/5

Eine fünfteilige Serie von Michael Kapeller

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© Foto: Alexandra Bucurescu / PIXELIO - www.pixelio.de

Größer könnte der Kontrast kaum sein. Ein Kellergewölbe mit Bauschutt, alten Möbeln und einem Kleiderständer mit einem leeren Kleiderbügel. Staub, Dreck, Trostlosigkeit. Ein Luftschutzkeller unter einem Hochhaus in Charkiw. Neben dem Kleiderständer eine junge Frau im Konzertkleid, ganz in ihr Geigenspiel vertieft, eins mit der Musik. Eine Woche musste die Geigerin Vera Lytovchenko mit elf weiteren Personen an diesem Ort ausharren. Draußen tobte Krieg. Die Stadt unter Dauerbeschuss. Ohne Tageslicht, mit nur spärlichen Informationen und Angst ums eigene Leben und das Leben von Angehörigen und Freunden. So hat sie jeden Abend ein Konzertkleid angezogen und ein kleines Konzert gegeben. „Durch mein Geigenspiel“, so Vera Lytovechenko, „wollte ich meine Gefährten dazu bringen, zumindest für wenige Minuten an etwas anderes zu denken als an den Krieg.“

Jesus wird begraben

Der Abend bricht herein. Mit ihm beginnt der Sabbat. Josef von Arimathäa, ein vornehmes Mitglied des Hohen Rates und geheimer Anhänger Jesu, macht sich auf dem Weg zu Pontius Pilatus. Von ihm erbittet er den Leichnam Jesu. Nachdem Pilatus die Bestätigung erhalten hat, dass Jesus bereits verstorben ist, gibt er den Leichnam frei. Josef kauft ein Leinentuch und nimmt Jesus vom Kreuz ab. Dabei erfährt er Hilfe von Nikodemus, wie das Johannesevangelium berichtet. Nikodemus ist ebenso ein Mitglied des Hohen Rates und hat Jesus früher einmal bei Nacht zu einem Gespräch aufgesucht. Er bringt eine Mischung aus Myhrre und Aloe mit. Gemeinsam nehmen sie den Leichnam Jesu, umwickeln ihn mit Leinenbinden und salben ihn zum jüdischen Begräbnis. In der Nähe befindet sich ein neues Grab. Dort setzen sie Jesus bei.

Bleiben

Aus. Vorbei. Ende. Hier ist nichts mehr zu tun. Viele der Jünger Jesu sind geflohen. Über Nacht hat sich die Bewegung des Rabbi Jesus aufgelöst und in alle Winde zerstreut. Josef von Arimathäa, Nikodemus und einige Frauen aber bleiben. Auch sie können nichts mehr tun. Dennoch bleiben sie. Sie begleiten Jesus in seiner Todesstunde, trauern um ihn und halten ihre Ohnmacht und die Leere aus. Bleiben, auch wenn nichts mehr zu tun möglich ist. Bleiben, wenn ein Angehöriger stirbt oder wenn ein Freund an Krebs erkrankt ist. Bleiben, ausharren und begleiten – einfach da sein. Wie lässt sich das aushalten?

Getragen

Zwei Jünger Jesu, einer mit dem Namen Kleopas, suchen ebenfalls das Weite. Ihr Weg, so lesen wir im Lukasevangelium, führt sie von Jerusalem dem Ort des Schreckens nach Emmaus. Auf ihrem Weg begegnet ihnen ein Fremder, der ihnen zum Trauerbegleiter wird: Er geht mit, fragt nach, hört zu und hilft ihnen, das Geschehe zu verstehen. Durch ihn erfahren sie Trost und Halt. So laden sie ihn ein, bei ihnen Gast zu sein. Und Lukas berichtet:
„Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben.“ (Lk 24,29)

Im Brotbrechen erkennen sie in ihm Jesus, dann sehen sie ihn nicht mehr. Seine Nähe aber bleibt. Noch in derselben Stunde kehren sie nach Jerusalem zurück. Bleiben, weil ich weiß: ich bin nicht alleine, ich bin gehalten, getragen. „All diese Menschen sind heute meine Brüder und Schwestern“, meint Vera Lytovechnko im Rückblick auf die Zeit im Luftschutzkeller. Sie will in Charkiw bleiben und mit ihrer Musik möglichst vielen Menschen Trost und Hoffnung schenken.

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