Helfen seit 100 Jahren – Geschichte der Kärntner Caritas

1921 - 2021

Im Mai 1900 fand in Wien der erste Caritaskongress statt. Allen Teilnehmer*innen war zuvor empfohlen worden, in ihrem Bundesland die caritativen Vereine zu sammeln und zu einem Zusammenschluss zu führen. 1903 entstand so der „Reichsverband der katholischen Wohltätigkeitsorganisationen Österreichs“. Dadurch versuchte man bereits damals, die sozialen Bestrebungen der katholischen Kirche zusammenzufassen. Man tat dies unter der Bezeichnung „Caritas".

Durch den 1. Weltkrieg verschärften sich die sozialen Probleme der Menschen und deren Versorgung wurde besonders akut. Aus dieser Not heraus gründete Bischof Dr. Adam Hefter im Mai 1920 das 1. Kärntner Caritassekretariat. Im Gründungstext wird die damalige Not sehr klar beschrieben: „Hunger, Obdachlosigkeit und Verwahrlosung schreiten nebeneinander einher; viele Familien stehen vor der Gefahr der inneren Auflösung und die seelische wie leibliche Not der Kinder lässt das Ärgste befürchten.“ Bereits ein Jahr nach der Errichtung des Caritassekretariats wird daraus am 21.11.1921 der „Kärntner Karitasverband für Wohlfahrtspflege und Fürsorge“ gegründet. Dadurch konnten die Aktivitäten der sozialen Vereine unter Bischof Dr. Hefter fortgesetzt und entsprechend den Bedürfnissen der Zeit ausgebaut und verstärkt werden. Erster Caritasdirektor wurde der Kärntner Seelsorger Alois Schader.

Der Beginn

Am Anfang der Caritasarbeit standen Kindererholungs- und Winterhilfsaktionen, die der Bevölkerung zugutekamen. Durch die sogenannte „Kindergroschenaktion" brachte der Caritasverband Mittel für die Schaffung und Führung von Einrichtungen für Kinder und Jugendliche auf. In diese Zeit fällt die Gründung von zwölf Kindergärten in der Diözese Gurk-Klagenfurt. Auch eine sehr aktive „Trinkerfürsorge“ wurde in dieser Zeit aufgebaut.

Unterdrückung durch NS-Regime

Das NS-Regime enteignete alle kirchlichen sozialen Einrichtungen und schränkte den Caritasverband auf wenige Aktionsmöglichkeiten ein. Dennoch blieb man nicht untätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte der Caritasverband mit großem Einsatz, die enteigneten Einrichtungen wiederzubekommen und zu reaktivieren.
Gemeinsam mit UN-Einrichtungen kümmerte man sich um die Flüchtlingsströme und die Versorgung der Menschen in den Flüchtlingslagern in Klagenfurt-Siebenhügel und Feffernitz.

Während der Ungarnkrise (1956) und der Tschechienkrise (1968) war die Caritas mit der Aussiedlerhilfe und Flüchtlingsnachbetreuung befasst.

Katastrophenhilfe in Friaul - 6. Mai 1976, 21 Uhr

Ein lauer Frühlingsabend in Kärnten. Viele Menschen saßen zuhause auf ihren Balkonen oder ihren Terrassen und haben den Frühling in all seiner Pracht genossen. Plötzlich konnte man ein Knistern in den Dachbalken vernehmen, die halboffenen Fenster schlugen aufeinander, als ob eine Sturmböe den sonst so stillen Abend zerreißen würde. Es gab jedoch keinen Luftzug – ein ERDBEBEN. Nach einer Minute war der Spuk vorbei. In den Nachrichten kamen die ersten Meldungen: „Schweres Erdbeben mit dem Epizentrum bei Gemona richtete verheerende Schäden in ganz Friaul an.“ Von Stunde zu Stunde zeichnete sich das wahre Ausmaß der Katastrophe immer deutlicher ab. An die 1000 Tote, 80.000 Menschen die obdachlos wurden, Familien die zu Tode verängstigt vor den Trümmern ihrer Existenz standen.

Der damalige Kärntner Caritasdirektor MMag. Dr. Viktor Omelko entschloss sich, sofort gemeinsam mit vielen engagierten Ehrenamtlichen der Bevölkerung vor Ort zu helfen. „Die Lage war zutiefst bedrückend. Überall waren kaputte Häuser, die Menschen schwer verzweifelt“, so Omelko. Mobile Sanitäreinrichtungen, Wohnboxen und Bauholz zur Sicherung der stehengebliebenen Häuser umfassten die ersten Hilfslieferungen. Der Caritas gelang es, die ärgste Not zu lindern und die Menschen zur Selbsthilfe anzuleiten. Im September 1976 wurden die ersten durch Spendengelder finanzierten Wohnhäuser an die Bewohner*innen in Friaul übergeben. Insgesamt baute die Caritas 256 Häuser für die durch das Beben in schwere Not geratenen Familien, einen Kindergarten sowie zwei Pflegewohnhäuser. Davon konnte letzten Endes auch die Kärntner Wirtschaft profitieren.

Krieg im ehemaligen Jugoslawien 1991

Im Frühsommer 1991 begann der Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Die damit verbundenen Kämpfe im zerfallenen Land brachten die Menschen vor Ort von einem Tag auf den anderen in große Not und in ein großes Elend. Die Kärntner Caritas musste rasch handeln. Unter der Leitung von Peter Quendler wurden Geld und Sachgüter gesammelt und vorerst nach Slowenien transportiert, in weiterer Folge auch nach Kroatien.

Nachbar in Not

Um die Hilfslieferungen besser ins zerfallene Jugoslawien organisieren zu können, wurde am 25. Mai 1992 die gemeinsame Aktion „Nachbar in Not“ von Caritas Österreich, Rotem Kreuz und ORF gegründet. Peter Quendler übernahm aufgrund seiner Erfahrung in der Organisation und Durchführung von Hilfslieferungen und Projekten die Koordination. Innerhalb kürzester Zeit wurde „Nachbar in Not“ zum größten privaten Hilfsprojekt für Flüchtlinge im ehemaligen Jugoslawien. Rund 300.000 Menschen konnten so durch viele Monate kontinuierlich versorgt werden. Die Logistik von „Nachbar in Not“ ging über die reine Planung des Materialflusses hinaus: Sie integrierte Informations-, Güter- und Geldfluss. Sie bildete die Brücke vom*n Helfer*in zum Menschen in Not.

Dank der unermüdlichen Aufbauarbeit von Peter Quendler konnten bis zu 16 Orte im Kriegsgebiet direkt aus Kärnten angefahren werden. Als „den rastlosen Engel“ beschrieb ihn damals das Nachrichtenmagazin Profil. Zwischen 27.05.1992 und 10.03.1994 fuhren insgesamt 2.600 „Nachbar in Not“- Lkw – beladen mit Hilfsgüter – ins zerrüttete Jugoslawien. US-Präsident Bill Clinton würdigte in einem Brief an Bundespräsident Dr. Thomas Klestil die humanitären Leistungen der Österreicher*innen.

Die Aktion „Nachbar in Not“ hat vielen Menschen das unmittelbare Überleben ermöglicht. Dank der Hilfe aus Österreich und den Nachbarstaaten konnte die ärgste Not in den Krisengebieten gelindert werden. Dank des Einsatzes der Caritas ist es möglich geworden, der leidgeprüften Bevölkerung wieder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen.

Am Puls der Zeit

Dr. Viktor Omelko stand der Caritas von 1974 bis 2014 vor. Er hat sie auf- sowie ausgebaut und vier Jahrzehnte geprägt. Gab es zu seinem Antritt 32 Kindergärten, drei Horte und eine „Kinderkrippe“ in Kärnten, so sind es heute mehr als doppelt so viele. Geschaffen wurden in dieser Zeit viele Angebote für armutsbetroffene Menschen, wie die Wohnungslosentagesstätte „Eggerheim“, die Caritas-Shops und das „Häferl & Buch“. Für Menschen mit seelischen Problemen entstanden die TelefonSeelsorge und Lebens-, Familien-, Männer- und Suchtberatungsstellen teils in ganz Kärnten.

In den 1980er-Jahren zeichnete sich ein gesellschaftlicher Wandel ab. Es gab immer weniger Großfamilien und Menschen, die ihre Angehörigen selbst zu Hause betreuen konnten. Omelko bewies Weitsicht, in dem er lange, bevor landauf, landab Pflegewohnhäuser gebaut worden sind, viele Angebote in der Altenarbeit und -betreuung schuf. Sein Gedanke: „Der Mensch soll in Würde alt werden dürfen und herzlich wie professionell gepflegt werden können.“ Da es damals auch kaum Pflegepersonal gegeben hat, wurden neue Schulen für die Ausbildung von Menschen in Sozialberufen gegründet.

Die Caritas in den 2000er Jahren

2007 haben Kinder und Jugendliche zum ersten Mal für die Aktion „LaufWunder“ ihre Laufschuhe geschnürt. Bei diesem Benefizlauf der youngCaritas sammeln die Läufer*innen mit jedem gelaufenen Kilometer Geld für Menschen in Not.

Ab 2007 wurden alle Klassen der „Fachschule für Sozialberufe 2“ als „Schule für Sozialbetreuungsberufe (SOB)“ weitergeführt. Die Caritas Kärnten freut sich, dass sie seit 2021 die Schulform „Höhere Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege“ anbieten kann. Der neue Schultyp beinhaltet eine fünfjährige allgemeine Ausbildung mit Matura und gleichzeitig eine Ausbildung zu Pflegefachassistenz bzw. Diplomsozialbetreuung Behindertenarbeit.

Die Caritas machte sich auch schon früh für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung stark, stellte für sie Wohnraum und Beschäftigungsmöglichkeiten bereit. 2009 entstand das „Caritas Team: Lebensgestaltung“ als eigener Bereich für Menschen mit Behinderung. Wohnhäuser, WGs, Einzelwohnungen und Werkstätten wurden eröffnet, welche sich in den kommenden Jahren stetig ausgeweitet haben. Neben Friesach, Althofen und Globasnitz/Globasnica, hat die Caritas 2019 das Wohnhaus „Josef“ in Eberndorf/Dobrla vas als neunten Standort in Betrieb genommen.

Die Caritas steht auch für einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen, denn jedem Menschen kommt die gleiche Würde zu – ungeachtet seiner Nationalität, seines Geschlechts, seines Alters oder seiner Religion. Als die Flüchtlinge 2015/2016 ins Land gekommen sind, war sich die Kärntner Caritas auch in diesem schwierigen Jahr ihrer Rolle bewusst und hat mit großer Verantwortungsübernahme sofort und rasch Hilfe geboten.

2016 wird magdas LOKAL, das erste „Social Business“ der Caritas Kärnten, aus der Taufe gehoben. Seit nunmehr 5 Jahren begeistert das magdas die Menschen mit seinem kulinarischen Blick über den Tellerrand.

Auch auf Katastrophenhilfe und Armutsbekämpfung in Kärnten legt man großes Augenmerk. Deutlich wird das etwa mit dem Ausbau der Sozialberatungen in den Bezirken, der Eröffnung der Lebensmittelausgabe „Lea“ und der Eröffnung des „SPAR Supermarkt Perspektive Handel“ im Jahr 2016, indem langzeitarbeitslose Menschen und Arbeitnehmer*innen 50+ beschäftigt sind.

Dem ehemaligen Caritasdirektor Msgr. Dr. Josef Marketz, der ab 2014 fünf Jahre lang der Hilfsorganisation vorstand, waren auch persönliche Kontakte zu obdach- und wohnungslosen Menschen wichtig. Mithilfe eines Großspenders gelang es ihm 2016, das „Eggerheim“ großzügig zu sanieren. Marketz ist der Überzeugung, dass die caritative Berufung erst durch die persönliche Begegnung mit armutsbetroffenen Menschen lebendig wird.

Die Caritas heute

„Für uns als Caritas steht immer der Mensch im Mittelpunkt. Wenn wir Not sehen, dann handeln wir dank vieler Unterstützer*innen und der Kärntner Pfarren seit 100 Jahren. Das geschieht unabhängig davon, warum ein Mensch in Not geraten ist, welchen Pass, welche Hautfarbe oder Religion er hat“, sagt Mag. Ernst Sandriesser. Er hat Marketz mit dessen Weihe zum Diözesanbischof im Februar 2020 als Direktor der Caritas abgelöst. Die Arbeit der Hilfsorganisation der Katholischen Kirche umfasst heute nahezu den ganzen Bereich des menschlichen Lebens oder wie es Sandriesser ausdrückt „vom Kind bis zum Greis, vom Dorf in die Welt“.

Die Caritas beschäftigt heute 1.300 hauptamtliche Mitarbeiter*innen und wird bei ihrer Arbeit von rund 650 Freiwilligen unterstützt. Sie hilft Menschen in finanziellen wie seelischen Notlagen, betreibt Schulen und Lerncafés, Kinderbetreuungseinrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, betreut und pflegt alte und kranke Menschen mobil und stationär. Sie bietet Menschen Beschäftigung wie Arbeit und engagiert sich in der Katastrophenhilfe im In- und Ausland sowie Entwicklungsarbeit im Ausland. Die youngCaritas schärft das Bewusstsein für Menschen am Rande der Gesellschaft, und die PfarrCaritas unterstützt die Caritas-Arbeit in den Pfarren. Seit 100 Jahren ist das Engagement der Caritas für Menschen in Not gleichgeblieben. Hervorgegangen aus dem sozialen Engagement der Katholischen Kirche Kärntens, stehen auch heute für die Caritas alle Menschen im Vordergrund, die Hilfe benötigen – Arme, in Not geratene Menschen, Arbeitslose, Geflüchtete und Vertriebene, Menschen am Rande der Gesellschaft.

Auftrag für die Zukunft

Caritasdirektor Sandriesser plädiert dafür, den Blick immer wieder aufs Neue zu schärfen: „Wir müssen in der Benennung der Not sehr konsequent, ja teilweise sogar kompromisslos sein und in aller Vehemenz von der Politik ausreichend Lösungen einfordern.“ Armut und Not haben heute andere Gesichter. Es gibt sie jedoch immer noch. Die Caritas ist Lobbyistin für die armen, schwachen, alten, kranken Menschen und Menschen mit Behinderung und das gelingt ihr nur dank Unterstützer*innen. Mit deren Hilfe bleibt die Caritas für alle Menschen auch in den nächsten 100 Jahren Ohr und Stimme.

(Text wurde von Caritas Kärnten zur Verfügung gestellt.)