Geistlicher Adventskalender am 17. Dezember 2020
von Stadthauptpfarrer Dr. Richard Pirker
0 HEILIGE WEISHEIT
Die letzten sieben Tage vor Weihnachten tragen in der Kirche seit dem 7. Jh. einen besonderen liturgischen Akzent, den meist nur jene kennen, die das Stundengebet pflegen: Die sogenannten O-Antiphonen. An diesen Tagen wird das Abendgebet der Kirche im Lobgesang Mariens, dem Magnifikat, mit einem besonderen Akzent des Weihnachtsmysteriums besungen, um anzudeuten, die großen alttestamentlichen Messias-Verheißungen haben sich in Jesus von Nazareth, dem Christus, erfüllt: Der heutige Tag ist der Weisheit gewidmet, der baulich auch die größte und prächtigste Zentralkirche der Antike geweiht war: Der „Hagia Sophia“ von Konstantinopel.
„O Weisheit, hervorgegangen aus dem Munde des Höchsten - die Welt umspannst du von einem Ende zum andern, in Kraft und Milde ordnest du alles: o komm und offenbare uns den Weg der Weisheit und Einsicht!" (17. 12.)
Zum Meditieren:
Das lateinische Wort für Weisheit (Sapientia) hat seine Wortwurzel mit dem Schmecken gemein („sapere“ heißt schmecken). Als Kinder lernen wir die Welt durch das Schmecken und Verkosten kennen. Wir schmecken und riechen auch als Erwachsene: Nach einem oberflächlichen Gespräch bleibt manchmal ein fahler Geschmack zurück. Und es gibt Menschen, die können wir ungemein gut riechen, die schmecken einem, die tun einem gut. Wahrscheinlich erkennen wir in Menschen, die wir besonders gut riechen können, etwas von der Liebe, die ihn bzw. sie durchströmt, von Gottes Geist und seiner Weisheit, die uns einen Wohlgeruch schenkt. In der heiligen Eucharistie schmecken wir auch Christus, wenn wir den Leib des Herrn aufnehmen und essen. Christus hat die Menschen im Mahlhalten berührt, ihnen etwas von seiner Herrlichkeit geschenkt. Maria Jacobelli, eine italienische Volkskundlerin, meinte, sie als Frau und Mutter könne sehr gut verstehen, daß Jesus seine Liebe gerade im Mahl seinen Jüngern zu allen Zeiten ausdrücken wollte. Sich zu essen zu geben, ist höchster Ausdruck der Liebe. Gott gibt sich uns zum Schmecken, zum Verkosten. Marcel Proust hatte beim Essen eines süßen Kuchens eine mystische Erfahrung, dieser Gottesgeschmack hat sein Leben verändert: "Ich hatte aufgehört, mich mittelmäßig, zufallsbedingt, sterblich zu fühlen." Er hat Gott nicht direkt erfahren. Im Schmecken des süßen Kuchens ist ihm etwas von Gottes "dulcedo" = "Süßigkeit" aufgegangen. Wir sind auf der Zielgerade auf Weihnachten hin. Bitten wir um die Weisheit Gottes, die uns gerade beim Mahlhalten und Verkosten gewöhnlicher Speisen ganz neu aufgehen kann. Wen kann ich besonders gut riechen und schmecken?
(In Abwandlung nach A. Grün, Wenn du Gott erfahren willst, öffne deine Sinne)
Psalm 72(71),1-2.3-4ab.7-8.17.
Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König, dem Königssohn gib dein gerechtes Walten!
Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit und deine Armen durch rechtes Urteil.
Dann tragen die Berge Frieden für das Volk und die Höhen Gerechtigkeit.
Er wird Recht verschaffen den Gebeugten im Volk, Hilfe bringen den Kindern der Armen.
Die Gerechtigkeit blühe auf in seinen Tagen und großer Friede, bis der Mond nicht mehr da ist.
Er herrsche von Meer zu Meer, vom Strom bis an die Enden der Erde.
Sein Name soll ewig bestehen; solange die Sonne bleibt, sprosse sein Name.
Glücklich preisen sollen ihn alle Völker und in ihm sich segnen.
Herr Jesus Christus, du bist die Entscheidung in meinem Leben. Ich bekenne, dass du, Jesus von Nazareth, armer, demütiger Mensch, das Ewige Wort bist, das Schwert, das die ganze Menschheit zur Entscheidung zwingt. – Ich bekenne, dass du das Wort bist, durch das alles geschaffen wurde, was geschaffen ist.
Aber noch bist du verborgen, und die Welt, die du gemacht hast, will dich nicht erkennen und aufnehmen. – Durch alle Jahrtausende der Geschichte und bis in die Heimlichkeit meines eigenen Herzens gilt das Wort, das man über dich sprach, das du als stummes Kind in den Tempel getragen wurdest: „Dieser ist gesetzt zum Fall und zur Auferstehung und zum Zeichen des Widerspruchs.“ (Lk 2,34)
Ich aber, verborgener Herr aller Dinge, sage das mutige Ja des Glaubens zu dir. Wenn ich dich bekenne, so stehe ich zu dir, dem hinausgeworfenen König dieser Welt, dem Verachteten dieser Erdengeschichte. – Dann stehe ich aber auch zu dir, dem einzigen unter den Menschen, der sagen konnte: „Vertraut, ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,13)
(Hugo Rahner SJ, großer Vätertheologe von Innsbruck)