Pfarre

Villach-St. Jakob

Fastentuch von Lisa Huber: ‘Es ist ein Ros’ entsprungen - Dornenrose’

Stadtpfarrkirche von St. Jakob lässt sich auf ein mystisches Gespräch ein

Fastentuch von Lisa Huber (R.P.)
Es ist ein Ros' entsprungen - Dornenrose von Lisa Huber (Foto R. P.)

'Es ist ein Ros' entsprungen – Dornenrose' von Lisa Huber

Im Original eine Faszination (Foto R.P.)
Foto: Dr. Pirker

Kirche und Kunst sind seit ihrer ersten Annäherung immer wie zwei Liebende gewesen. Sie brauchen engste Tuchfühlung und weiten Abstand, um uns Menschen über unser Menschsein hinauszuweisen und an das Geheimnis heranzuführen, das von Ostern her über unser Geborenwerden und Sterbenmüssen aufleuchtet: Leben in Fülle. Zu dieser liebenden Begegnung gehören zärtliche Zuwendung und keuscher Verzicht, prachtvolle Entfaltung und das Zudecken und stille Wartenkönnen, bis der Vorhang fällt. Das lateinische „Velare“ heißt verdecken, und ein solches Tuch begleitet in der katholischen und orthodoxen Liturgie den Kelch bis zur Gabenbereitung, aber auch den katholischen Priester, wenn er das Allerheiligste, also Christus in Brotsgestalt den Menschen zeigt. Eine besondere Tradition sind die Fastentücher im alpinen mitteleuropäischen Sprachraum. Sie haben das prachtvolle meist in Holz geschnitzte und in Gold belegte Evangelium am Hochaltar für die Zeit der Umkehr auf Gott, also die Fastenzeit verdeckt. Oftmals wurden diese Tücher kunstvoll bestickt, um die, des Lesens nicht mächtige Bevölkerung auf diese Weise mit der göttlichen Ankündigung im Alten bzw. Ersten Testament und der Antwort im Neuen Testament, also der frohen Botschaft vertraut zu machen.

Wir leben in einer Zeit, wo wir des Lesens kundig sind, und doch scheinen uns die Augen oftmals für das Wesentliche wie geschlossen zu sein. Daher freue ich mich außerordentlich, dass die weithin bekannte Künstlerin Lisa Huber mit diesem Fastentuchprojekt an uns herangetreten ist und damit helfen will, unsere Gedanken und Augen für das Geheimnis Gottes zu öffnen.

Ein Kunstwerk braucht große Freiheit der Entfaltung. Daher sollen meine Gedanken zu diesem Fastentuch nur als Anregung dienen, nicht als fertiger Schlüssel. Dieses Tuch trägt ein blaues Kleid, es trägt die Farbe der römischen Kaisermutter, die schlussendlich auf Maria, die Mutter Jesu übertragen wurde. Die Farbe „blau“ ist – unabhängig von Kultur und Erdkreis – die Lieblingsfarbe der Menschen, die vom Himmel her und mit Blick auf das Meer bzw. das Wasser unsere Sehnsüchte seit jeher bewegt hat. Wie das „nasse Blau“ verschiedene Schattierungen kennt, so ist auch dieses Blau nicht eintönig. Von ober her durchzieht eine feine rote Spur dieses Tuch und lässt uns erahnen, dass alle himmlische Herrlichkeit auch den Schmerz kennt und an das Leidensgeheimnis Christi erinnert, das bei uns durch die Heilig-Haupt-Andacht besondere Verehrung kennt. Mitten in dieses Venenkleid unserer Menschheit hat sich Gott eine Partnerin auf Seiten der Geschöpfe erwählt, die zu ihm „Ja“ gesagt hat und den Heiland gebar, einen ‚Reis‘, der aus der Wurzel Jesse emporkeimt, wie uns die steinerne Kanzel ohne viele Worte ausdrucksstark predigt. Ja, in unsere Menschheit hat Gott eine Rose gepflanzt, es ist ein ‚Ros‘ entsprungen und seitdem gehen davon Strahlen Gottes aus, wie man am Fastentuch sehen kann. Solche Strahlen können auch Begegnungen sein, von Hand zu Hand, immer gefühlt und nicht durch eine Pandemie steril gemacht. Die Hand Gottes hat schon große Herrscher in Schrecken versetzt, wie wir in der Bibel nachlesen können, die Hand Jesu Christi hat daraus den Segensgestus gemacht und uns Christinnen und Christen eingeladen, es ihm gleichzutun. Die Künstlerin erinnerte sich an Papst Franziskus, der bei seinem Besuch im Lebenskontinent Afrika mit seinen Händen Menschen berührt hat. Oftmals sind solche Hände unsichtbar oder werden erst sichtbar, wenn man die Rückseite betrachtet, so auch an diesem Fastentuch. Dieses Tuch lässt Strahlen erkennen, die wie Goldfäden Himmel und Erde verbinden. Möge dieses Fastentuch eine Einladung darstellen, dass wir uns selbst durch das Evangelium wie mit frischem Blut gestärkt, uns neu sehen lernen und selbst zu einer Rose werden, die auf diesem Erdenrund entspringt, um lichtvoll zu wirken.

Dr. Richard Pirker