Pfarre

Klagenfurt-St. Peter

Gedanken für den Tag am Mittwoch in der Karwoche - Von Provisor Richard Pirker

"Der Sterbende nimmt die Welt mit. Wohin?" E. Canetti

Der heutige Mittwoch in der Karwoche war seit alters her (seit dem 4. Jahrhundert in Jerusalem) dem Verrat des Judas gewidmet und erhielt verschiedenen Bezeichnungen wie „Krumb-Mittag“ in Südtirol, wo man Reben nicht schneiden durfte - daran hätte sich Judas Iskariot erhängt. Eine andere Bezeichnung lautete Abgabemittwoch, der sich mit dem liturgischen Brauch verbinden lässt, dass an diesem Tag gewöhnlich die heiligen Öle vom Bischof geweiht werden, Sinnbild für den priesterlichen Dienst. „Umsonst haben wir empfangen, umsonst sollen wir geben.“ Sakramente stehen nie unter dem Zeichen des Geldes, sie sind Ausdruck der Freizügigkeit Gottes an uns Menschen. Joseph Pieper, großer Philosoph deutscher Herkunft, berichtet in seinen Kindheitserinnerungen vom Messner, der sich aufmachte, um die heiligen Öle in der nahegelegenen Bischofsstadt zu holen, eine Tat, die er diesem Manne gar nicht zugetraut hätte. Der heutige Mittwoch lädt uns ein, die Lebensspur einzuholen, die vom definitiven Ende her bleibt. Was war denn der Ertrag des Bisherigen und welche Frucht des Lebens hat vor Gott Bestand?

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Kreuzweg in St. Modestus

Vom russischen Dichter Jewgenij Jewtuschenko stammt das schlichte und ausdrucksstarke Gedicht:

„Jeder hat seine eigene, geheime, persönliche Welt. Es gibt in dieser Welt den besten Augenblick, es gibt in dieser Welt die schrecklichste Stunde, aber dies alles ist uns verborgen.

Und wenn ein Mensch stirbt, dann stirbt mit ihm sein erster Schnee. Und sein erster Kuss und sein erster Kampf …all das nimmt er mit sich.

Was wissen wir über die Freunde, die Brüder, Schwestern, was wissen wir schon von unseren Liebsten? Und über unseren eigenen Vater wissen wir nichts, die wir alles wissen, nichts.

Die Menschen gehen fort … Da gibt es keine Rückkehr. Ihre geheimen Welten können nicht wiedererstehen. Und jedesmal möchte ich von neuem Diese Unwiederbringlichkeit hinausschreien.“

Wäre Christus nicht in dieser seiner Sterbenswelt Mensch geworden, müssten wir sagen: So ist es. Alles vergeblich. Doch in diesem österlichen Gewand eingehüllt, dürfen wir erwarten, dass unsere Erfahrungen vor Gott nicht verloren, sondern aufgehoben sind, wie es Romano Guardini sagt.

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Kreuzweg in St. Modestus (über Vermittlung durch das Missionskloster Wernberg gestaltet)

Von Leo Tolstoi stammt die berühmte Erzählung „Der Tod des Iwan Iljitsch“. Als angesehener Beamter im höchsten Dienstgrad wird der 45jährige von einer todbringenden Krankheit erfasst und durchlebt im Todeskampf den reinigenden Hindurchgang durch sein verlogenes Leben. Weder seine Karriere, noch seine Frau und Kinder werden seinem Leben gerecht. Am Ende, wo keine Kraft mehr zum Verzeihen da ist, weicht plötzlich der Schmerz von ihm. Die Todesangst ist wie weggeblasen. Sein letztes Wort „Welche Freude!“ Er hört noch die Worte über seinem Totenbett: „Es ist zu Ende“, und er wiederholt sie für sich selbst und sein Leben: „Der Tod ist zu Ende.“ Erst mit der Aufdeckung seiner fraglichen Existenz und aller Unwahrheit erfolgt der Durchbruch zur Wahrheit. Der Sohn des Iwan Iljitsch, der ihm die Hand küsst, gibt ihm den Anstoß, aus dem Selbstvorwurf zu Mitleid und Liebe vorzustoßen.

Dieser Corona-Virus öffnet uns Leichtgläubigen die Augen, dass es Dinge gibt, über die wir nicht verfügen, es ist eine Andeutung an die letzte radikale Ohnmacht des Sterbens, die uns allen bevorsteht. Die Karwoche steht als Einladung, sich der eigenen Wahrheit zu stellen.

In einem Kreuzweg stellte eine Künstlerin eine 15. Station dar: Jesus stirbt am Holz des Kreuzes und Judas stirbt am Baum der Verzweiflung. Seine Füße waren gekreuzt. Sie wollte darin zum Ausdruck bringen, dass er in seiner letzten Bitte Christus um Vergebung bat, es war ihm nur noch mit den Füßen möglich.

Meine Einladung: Unsere jetzige Zeit begreifen, um vom Auferstehungslicht her den eigenen durchkreuzten Lebensweg nicht zu verdrängen, vielmehr die Lichtspur zur eigenen Wahrheit zu entdecken und damit die Gefährtenschaft unseres Erlösers.