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Klagenfurt-St. Peter

Gedanken für den Tag - 2. April

Ernesto Cardenal: Bereit werden für die Evolution der Liebe

Am heutigen 2. April soll an einen großen Poeten, Kulturrevolutionär, Minister, Priester und zusammenfassend an einen Liebenden gedacht werden, der in diesem Jahr verstarb, Ernesto Cardenal. Er wollte sich gesellschaftliches Leben und religiöse Gesinnung nicht auseinanderdividieren lassen und wurde von Papst Franziskus nach erkalteter Liebe zur Kirche nochmals geehrt.

Gerne begann er seine Lesungen mit einem Gedicht als junger Poet über seine Geliebte, die seine Liebe nicht erwiderte:

Als ich dich verlor, haben wir beide verloren:
ich, weil Du die warst, die ich am meisten liebte,
und Du, weil ich es war, der Dich am meisten liebte.
Doch von uns beiden verlierst Du mehr als ich,
weil ich andere lieben kann, wie ich Dich liebte,
doch Dich wird niemals jemand so sehr lieben wie ich Dich.

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Ernesto Cardenal bei einen seiner letzten Lesungen

Er konnte nicht anders, als dieser Gottes-Spur nachzugehen. Als junger Student war es die Sehnsucht nach der Geliebten, die sich ihm entzieht, als junger Novize im Kloster sehnt er sich nach der Begegnung mit Gott, in seinen „Gesängen des Universums“ entdeckt er nicht die Kälte der Unendlichkeit, sondern den Eros Gottes. Er war ein Dichter mit dem Blick und der Stimme eines Revolutionärs, der sich nicht einreden lassen wollte, dass es eben mehrere Welten gibt: Die der Gebildeten und der Idioten, diejenige der Reichen und der Entrechteten, diejnige der Kirche und der Welt. Dorothee Sölle schrieb ihm folgendes Portrait: „Du hast sie beieinander gelassen: Religion, Politik und Liebe, Deine Liebeslieder sind politisch, Deine Psalmen erotisch. Deine Bejahung, deine Feier des Lebens ist umfassend“. Er konnte mit seiner weisen Haarmähne und seiner Kopfbedeckung seinen Fans, die über die andere Gesellschaft depatierte, erwidern: „Seid ihr besser?“ Eines seiner letzten Gedichte vermag uns zu zeigen, selbst hellwach in dieser Welt der ZIB-Nachrichten zu leben und darauf zu achten, wo Gott uns mit seiner Liebe begegnen möchte: Ernesto Cardenal sprach in seiner Vision von der Revolution der Liebe:

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Bei seiner Lesung in München 2010 (Foto: H. Ertwin, Wikipedia)

„Und meine Vision in San José de Costa Rica, nun will ich meine Vision erzählen – des abends in einem Taxi, ich war im Flugzeug zu einem Schriftstellerkongress gekommen. Dies war meine Vision: Neonreklamen, Apotheken, Autos, Jungen auf Motorrädern, Tankstellen, Bars, Menschen auf den Gehsteigen, eine Gruppe Mädchen in Schuluniformen, Gruppen von Arbeitern, dies alles sah ich, geordnet von der Liebe.
Die Farbe eines Pullovers sprach mir von Liebe,
die Liebe bewegte die Autos, entzündete jene Lichter, alle.
Die modischen Kleider der Mädchen, was waren sie anders als Liebe.
Die Kinder in den Armenvierteln, von Liebe vereint, und von Liebe gepflanzt die rot blühenden Bäume, ein langhaariger Knabe – mit langem Haar aus Liebe,
eine Reklame: IMPERIAL. Wer weiß, was das ist, doch wird es gewiss etwas sein zum Teilen, was zum Schenken.
Eine Telefonzelle, jemand, der telefoniert – mit wem?
Mutter und Kind auf der Straße, auch hier die Liebe,
ein Paar, das eng umschlungen geht, noch einmal Liebe,
eine schwangere Frau wie ein Schrei von Liebe.
Mein Taxi fährt. Zwei an einer Ecke: der eine erzählt etwas (es müssen Freunde sein). Welch herrliches Tier ist der Mensch, denk ich mir.
Gebratene Hühnchen, Konditorei… auch das ist Liebe.
Jemand, der es eilig hat, vielleicht zu spät kommt. Wohin?
Zu einer Verabredung, einem Fest, in ein Haus, wo er liebt.
Ein anderer trägt ein Brot. Das er mit anderen teilen wird. Kommunion.
Hell erleuchtete Restaurants: auch sie zur Vereinigung.
PILSEN-BIER: auch das verheißt Zusammensein, Versammlung.
Coca-Cola (ein Scheißdreck), doch das Schild sagt mir an diesem Abend:
Kommunion.
Eine herrliche Gattung, so sage ich mir, wie ich sie liebe, alle aus Vereinigung geboren, zur Liebe geboren.
(in einem Viertel ein Haus mit einem kleinen Fest. Welche Fröhlichkeit!)
Und ich sah, wie schön es ist, für andere zu sterben.
Das war meine Vision an jenem Abend in San José de Costa Rica.“

Gutes Ausschauhalten nach der Liebe Gottes, eine Bußübung in der Passionswoche.