Pfarre

Klagenfurt-St. Modestus

Vortrag über Jerusalem von Dr. Wolfgang Schwarz zum Jahr der Bibel

Jerusalem: Biblisch einzigartig, interreligiös spannungsvoll, politisch umstritten

Vortrag „Jerusalem: Biblisch einzigartig, interreligiös spannungsvoll, politisch umstritten“ von Dr. Wolfgang Schwarz

Das Entree des Pfarrzentrums von St. Modestus in Klagenfurt war gut gefüllt, die Plätze bis auf einige wenige belegt, der Grund: ein Wiener Priester und Israelkenner erster Klasse hatte sich aufgemacht, um das Jahr der Bibel mit einem spannenden Vortrag einzuführen: Dr. Wolfgang Schwarz. Und er hat wahrlich etwas zu sagen: der langjährige Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, Leiter des Österreichischen Bibelwerkes und ehemalige Assistent beim berühmten Professor für Neues Testament, Prof. Jacob Kremer, bereitete einen Spannungsbogen, der von biblischen Grundlagen ausging, die politischen und religiösen Spannungen thematisierte und schlussendlich Ausblicke anbot, wohin die Reise weitergehen könnte, ohne sich als Reiseveranstalter auszugeben.

Die biblische Grundlage für die heutige Situation in Israel und in Jerusalem

Wie kann man die heutige Situation in Israel verstehen oder besser verstehen lernen? Das ist nur möglich, wenn man die Bibel oder für Juden den TANACH bzw. TENAK zur Hand nimmt und die Grundbotschaften ausfindig macht.

Was der gläubige Jude in Israel, nochmals konzentriert in Jerusalem sucht, ist die „kabod Jahwe“, die Herrlichkeit des Herrn, die im Neuen Testament von den Engeln besungen wird: „Gloria in Excelsis Deo: Ehre sei Gott in der Höhe“. Im katholischen Gottesdienst singen wir bekanntlich das Gloria nach dieser Vorgabe. Die Ehre Gottes, die kabod Jahwe, hat das Nomadenvolk der Hebräer ursprünglich auf Stangen mitgetragen, eine Herrlichkeit, die als Wolke vor dem Volk herzog bis zu dem Zeitpunkt, wo die Bundeslade im Tempel aufgestellt wurde und die Herrlichkeit Jahwes ihren Ort fand inmitten des Volkes. König David hatte das Modell des Tempels vorgestellt, das sein Sohn Salomo dann auf einem der sieben Hügel von Jerusalem errichten lies, auf dem Zionsberg. Ursprünglich war diese Stadt von einem anderen Volk als Burgenstadt bevölkert, den Jebusitern. König David erkannte aber diese Stadt zur Wohnstätte Gottes für das Volk Israel und eroberte einen Teil. Für Juden gehört die Land-Benanspruchung („Erez Israel“) zum theologischen Grundkonzept, das ihnen von Gott (Jahwe) zugesagt wurde. Jerusalem dient bildlich gesprochen als Braut für den männlich gezeichneten Gott Israels. Entscheidend für die Ortswahl war die Tatsache, dass unter dem Zionsberg eine Quelle entspringt, die selbst die Wüste (Araba) mit lebensspendendem Wasser versorgt, ja sogar das Tote Meer mit seinem weltbekannten Salzgehalt wieder lebendig machen soll. Der Schlussvers aus dem Psalm 87 „Alle meine Quellen entspringen in dir“ hat genau unter dem Tempelberg seinen Ort.

Das heutige Jerusalem und seine 3000jährige Geschichte

Bekanntlich stehen auf dem heutigen Tempelberg die berühmte die al-Aqṣā-Moschee und der Felsendom. Der Tempel wurde von den Römern nach einem Aufstand im Jahre 70 n. Chr. dem Erdboden gleichgemacht. Kaiser Hadrian wollte die Stadt im 2. Jahrhundert nochmals nach römischen Modell überbauen. Was wir heute vorfinden, ist also das bauliche Ergebnis einer dreitausendjährigen Geschichte, wobei die von uns als Klagemauer bezeichnte Westmauer der Rest des großen 2. Herodianischen Tempelbaus ist. Römische und byzantinische Kaiser, muslimische und später osmanische Herrscher, englisches Protektorat und israelitische Machthaber haben unterschiedliche religiöse und politische Motive und Haltungen gefördert, wobei es der Bevölkerung anzusehen ist, wie auf engstem Raum Zusammenleben gelingen oder misslingen kann. Muslime bezeichnen die Stadt als Heilige und vermeiden den Namen der Juden und Christen. Interessant war zu hören, dass die Muslime bereits 8 Jahre nach dem Tod des großen Propheten Mohammad (+732) eine kleine Moschee auf diesem drittwichtigsten Ort ihrer Pilgerschaft errichteten.

Jerusalem: Wichtigster christlicher Pilgerort

Für Christen bildet die Grabes- bzw. Auferstehungskirche einen ganz wichtigen Ort der Erinnerung an den Tod und die Auferstehung Jesu Christi, wobei die Aufteilung im Inneren der Kirche (römisch-katholische durch Franziskaner, armenische und griechisch-orthodoxe Aufteilung) ein Sinnbild für die verschiedenen Stimmen ist, die das Christentum geteilt hat. Dies gereichte den Muslimen bei ihrer Ausbreitung zum Vorteil, wie die Geschichte beweist. Der sichtbare Zusammenfall dieser so wichtigen Kirche der Christenheit konnte die verschiedenen Parteien erst dazu bewegen, eine Renovierung in Etappen anzugehen.

Was das Österreichische Hospiz betrifft, ist dieses auf das engste mit dem Österreichischen Kaiserhaus verbunden. Kaiser Franz Josef I. (1848-1916) war als Apostolische Majestät auch nominell König von Israel, was ihn dazu bewegte, durch gute diplomatische Kontakte zum osmanischen Reich inmitten der muslimischen Altstadt von Jerusalem ein österreichisches Hospiz für alle Pilger zu errichten mit der damals besten Ausstattung, die sich sehen lies.

Heute leben hier auf engstem Raum Juden wie Palästinenser zusammen, wobei letztere sich durch eine aggressive Siedlungspolitik von Juden immer stärker zum Wegzug gezwungen sehen. Anhand einer Auswahl des Briefes des englischen Außenministers an Lord Rothschild aus dem Jahre 1917 wurde deutlich, wie stark die eigene „Auslese“ ist, um den eigenen Vorteil hervorzukehren. Wie in dieser „Stadt des Friedens“ einmal Friede einkehren kann, bleibt ein Ausblick mit Fragezeichen, der uns wieder zum Lesen der Bibel zurückführt:

Das himmlische Jerusalem der Apokalypse, das gläserne Haus, sollte nicht irgendwo in einem Traum erdacht werden, sondern unter uns sichtbar werden als Spiegel jener Wirklichkeit, die von Gott hier bereits errichtet wird, wo er selbst – wie in einer Wolke – inmitten seines Volkes gegenwärtig ist.

Ein Abend mit vielen Aspekten und spannenden Gedanken, einem Wiener Charme, der von persönlichen Begegnungen mit Persönlichkeiten aller Religionen mit leichter Ironie und herzhafter Begegnungsfreude zu berichten wusste, der uns anregte, die Bibel aufzuschlagen und weiter zu lesen und – zu guter Letzt – die Sehnsucht danach weckte, einmal im Leben nach Jerusalem und Israel zu kommen, um vor Ort die Stätten Jesu zu betrachten und die Welt etwas tiefer zu begreifen, vielleicht so, wie sie Gott erdacht hat.

Richard Pirker, Pfarrprovisor von St. Modestus und St. Peter