Pfarre

Klagenfurt-St. Modestus

Gedanken für den Tag - 4. April

Aufbrechen in das Land der (inneren Freiheit)

In den Tagen vor Palmsonntag meldeten die Nachrichten gewöhnlich kilometerlange Staus auf den zentralen Routen Richtung Süden oder in die engen Täler Österreichs. Das ist in diesen Tagen aus bekannten Gründen anders. Was treibt uns Menschen an, aus unserem Alltag zu entfliehen, um uns dann mit hohem Komfort wie daheim zu fühlen? Ist es die Enge der Alltagswelt oder das Gefühl der Freiheit, das uns in Bewegung versetzt, nach dem Motto der Steirischen Kultband STS: „Irgendwann bleib‘ ich dann dort, laß alles liegen und stehn‘, geh von daham für immer fort?“ Ernst Bloch spricht von der Lust des Reisens, die den Menschen inspiriert: „Neu zu begehren, dazu verhilft die Lust des Reisens.“ Die großen Gestalten der antiken Erzählung waren auf großen Fahrten: Jason gehört dazu und nicht zuletzt Odysseus mit seinen Irrfahrten, der später von den Kirchenvätern christliche Züge erhält. Sich selbst als Reisender zu begreifen, dessen Leben ein Hinweis ist auf das endgültige Ziel – Haben wir dies nicht längst aus unserem Gedächtnis gestrichen?

Tagesgebet Ezechiel 37,21b–28

So spricht Gott, der Herr: Ich hole die Israeliten aus den Völkern heraus, zu denen sie gehen mussten; ich sammle sie von allen Seiten und bringe sie in ihr Land. Ich mache sie in meinem Land, auf den Bergen Israels, zu einem einzigen Volk. Sie sollen alle einen einzigen König haben. Sie werden nicht länger zwei Völker sein und sich nie mehr in zwei Reiche teilen.
Sie werden sich nicht mehr unrein machen durch ihre Götzen und Gräuel und durch all ihre Untaten. Ich befreie sie von aller Sünde, die sie in ihrer Untreue begangen haben, und ich mache sie rein. Dann werden sie mein Volk sein und ich werde ihr Gott sein.
Mein Knecht David wird ihr König sein und sie werden alle einen einzigen Hirten haben. Sie werden nach meinen Rechtsvorschriften leben und auf meine Gesetze achten und sie erfüllen.
Sie werden in dem Land wohnen, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe und in dem ihre Väter gewohnt haben. Sie und ihre Kinder und Kindeskinder werden für immer darin wohnen und mein Knecht David wird für alle Zeit ihr Fürst sein.
Ich schließe mit ihnen einen Friedensbund; es soll ein ewiger Bund sein. Ich werde sie zahlreich machen. Ich werde mitten unter ihnen für immer mein Heiligtum errichten und bei ihnen wird meine Wohnung sein. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein. Wenn mein Heiligtum für alle Zeit in ihrer Mitte ist, dann werden die Völker erkennen, dass ich der Herr bin, der Israel heiligt.

Installation zur Fastenzeit 2019 im Stephansdom
Installation zur Fastenzeit 2019 im Stephansdom

Wort Gottes - Dank sei Gott.

Das Volk Israel hatte es selbst erlebt, wie es sich anfühlt in einem totalen Staat, einer Supermacht der Antike (Ägypten) als Knechte zu dienen. Wenn der Druck immer stärker wird, beginnen wir daran zu denken, aufzubrechen aus unserer versklavten Lebensweise. Die biblische Exoduserzählung hat eine gewaltige Wirkungsgeschichte nach sich gezogen. Im Anschluss an den Englischen Bürgerkrieg hielt Oliver Cromwell eine Rede, in der er vor einer Rückkehr nach Ägypten in die Knechtschaft königlicher Macht warnte. Am heutigen Tag (4. April 1968) wurde Martin Luther King (jun.) ermordet. Seine berühmte Rede („I have a dream": Ich habe einen Traum) spricht von diesem Traum, in einem Land zu leben, das Freiheit und Solidarität atmet, das den Fremden als Fremden achtet, das ein Land seine Heimat nennt, das sich wirklich christlich nennen darf. Ein Auszug daraus:

„Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne von früheren Sklaven und die Söhne von früheren Sklavenbesitzern auf den roten Hügeln von Georgia sich am Tisch der Bruderschaft gemeinsam niedersetzen können. Ich habe einen Traum, dass eines Tages selbst der Staat Mississippi, ein Staat, der mit der Hitze der Ungerechtigkeit und mit der Hitze der Unterdrückung schmort, zu einer Oase der Freiheit und Gerechtigkeit transformiert wird. Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden. (…)

Ich habe einen Traum, dass eines Tages jedes Tal erhöht und jeder Hügel und Berg erniedrigt werden. Die unebenen Plätze werden flach und die gewundenen Plätze gerade, und die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden und alles Fleisch miteinander wird es sehen. Dies ist unsere Hoffnung. Dies ist der Glaube, mit dem ich in den Süden zurückgehen werde. Mit diesem Glauben werden wir den Berg der Verzweiflung behauen, einen Stein der Hoffnung. Mit diesem Glauben werden wir gemeinsam arbeiten können, gemeinsam beten können, gemeinsam kämpfen können, gemeinsam in das Gefängnis gehen können, um gemeinsam einen Stand für Freiheit mit dem Wissen zu machen, dass wir eines Tages frei sein werden. Und dies wird der Tag sein. Dies wird der Tag sein, wenn alle Kinder Gottes mit neuer Bedeutung singen können: Mein Land, es ist über dir, süßes Land der Freiheit, über das ich singe, Land, wo mein Vater starb, Land des Pilgers Stolz, von jedem Berghang, lass die Glocken der Freiheit läuten.“

Wenn wir jetzt in unseren Wohnungen sind und uns vielleicht wie Menschen fühlen, die in einem Ghetto eingepfercht sind, - vielleicht lädt uns Gott ein, dass wir in das Land der Seele aufbrechen, und dabei dankbar auf unser Leben zurückschauen, dass wir in einem Land der Freiheit leben können und dabei Gott nicht vergessen dürfen. Es ist an der Zeit, der Seele einen (besonderen) Raum zu geben. Wir stehen vor der großen heiligen Woche, der Karwoche. Machen wir uns auf die Reise, mit Jesus den Weg des Leidens und Sterbens mitzgehen, damit am Ende des Weges die Osterglocken läuten, dass wir spüren, was es heißt, frei zu sein, damit wir dieses Lied der Freiheit ganz neu singen können: „Endlich frei, Allmächtiger, Gott, danke, endlich frei.“