Organisation

Weltlicher Dritter Franziskanerorden

Der neue Tigringer Franziskusbote April/Mai 2020 ist da!

Ein Franziskus-Bruder für besondere Zeiten: Der sel. Ägidius von Assisi

Tigringer Franziskusbote<br />
Quelle: OFS Tigring
Tigringer Franziskusbote
Quelle: OFS Tigring

Liebe Geschwister im OFS Tigring!

Seit unserem letzten Kapiteltreffen Anfang März hat es große Veränderungen für uns alle gegeben. Die Corona-Pandemie hat die ganze Welt heimgesucht und betrifft uns alle wirtschaftlich und gesundheitlich auf nicht vorhersehbare Weise. Die Einschränkungen, die unsere geschwisterlichen Begegnungen unmöglich machen, wird es wohl noch bis in den Sommer geben, soweit das nun einschätzbar ist.

Diese Situation ist für uns eine Herausforderung, unsere franziskanische Geschwisterlichkeit neu zu verstehen und neu zu leben! Dazu soll auch dieser Franziskusbote, den ich euch diesmal per Post zusende, ein wenig beitragen. Wir alle sind aufgerufen, unsere franziskanische Berufung gerade jetzt in Dankbarkeit neu anzunehmen und in Gebet und in unserem Tun zu leben. Dazu möchte ich euch heute mit einer Lebensgeschichte vertraut machen, in der sich genau dieser Rückzug in die Einsamkeit zeigt, der uns in mancherlei Hinsicht jetzt auferlegt ist.

Der selige Ägidius von Assisi

Dieser Bruder war der dritte Gefährte des hl. Franziskus (nach Bernhard von Quintavalle und Peter Cattani). Er war von wunderbar schlichtem Wesen und von Beruf Bauer. Thomas von Celano, der ihn noch zu Lebzeiten kannte, nennt ihn einen „einfältigen Mann, gerade und gottesfürchtig. Schon lange lebte er unter uns ein heiliges, gerechtes und frommes Leben und hinterließ uns Beispiele vollkommenen Gehorsams, auch körperlicher Arbeit, eines einsamen Lebens und heiliger Beschaulichkeit.“

Diese kurze Zusammenfassung seines Lebens zeigt schon den Weg auf, den Gott mit Ägidius vorhatte und der durch alle Stationen des geistlichen Lebens führen sollte. Unser Ordensvater Franziskus war vom Wesen des Ägidius von Anfang an besonders berührt. Die Lebensgeschichte des Bruders Ägidius wurde von Bruder Leo aufgezeichnet und ist ganz schlicht und einfach. Der Herr führte Ägidius um 1209 in die Nähe der Portiunkula, wo er dem hl. Franziskus seinen Wunsch auf Knien bescheiden vortrug: „Ich will zu euch gehören, aus Liebe zu Gott!“ Der hl. Franziskus, der gerade vom Beten aus dem Wald gekommen war, nahm ihn an der Hand, half ihm auf und sprach zu Bruder Bernhard: „ Einen guten Bruder hat der Herr uns geschickt!“

Der bescheidene, demütige Ägidius folgt Franziskus, verschenkt alles, was er hat und begibt sich danach auf Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela, zu den Heiligtümern des hl. Erzengels Michael und des hl. Nikolaus von Bari. Er predigt herzergreifend allen, denen er begegnet. Er pilgert ins Hl. Land. Er arbeitet körperlich hart, um sich sein Brot zu verdienen, keine Tätigkeit ist ihm zu minder. Er nimmt für seine Aufgabe, das Evangelium zu verkünden, alles auf sich, Kälte und Not, Hunger und Durst, Beschämung und Demütigung. Ein wahrhafter Franziskaner!

Als er zu Franziskus zurückkehrt, sieht der Heilige die Vollkommenheit des Bruders und sagt ihm darauf, er könne gehen, wohin er wolle. Diese Großzügigkeit beschämt Ägidius, er kann ohne Gehorsam nicht leben und so schickt Franziskus den Bruder in die Einsiedelei Favarone bei Perugia. Ägidius gehorcht gerne. Er lebt in unterschiedlichen Einsiedeleien Mittelitaliens, ab 1234 bis zu seinem Tod im Jahre 1262 in der Einsiedelei Monteripido bei Perugia. Er stirbt genau am 53. Jahrestag seiner Aufnahme durch den hl. Franziskus in den Orden.

Ägidius wird auch „der Bruder von der großen Beschaulichkeit“ genannt. Sein Leben ist in den letzten Jahrzehnten geprägt von Zeiten schwerer Versuchungen und schließlich von wunderbaren Visionen und immer größerer Gottesnähe. Je mehr er sich zurückzieht, je mehr Versuchungen er durchleben muss, desto größer werden auch die Gnadengeschenke des Herrn. Der einfache Bruder wird zu einem der großen Mystiker und Weisen des Franziskanerordens. Seine Schauungen, die ihm erst im Rückzug aus der Welt geschenkt werden, ziehen viele Gläubige an seinen Lebensort, um ihm Fragen zu stellen, die er auf wunderbare Weise, oft auch geheimnisvoll, beantwortet.

„Die goldenen Worte“ unseres seligen Bruders Ägidius gehören zum großen Weisheitsschatz des Franziskanerordens. Sie sind es – obwohl nicht immer leicht verständlich – mehr als wert, sich mit ihnen in der Tiefe zu beschäftigen und sie zu betrachten. Einige von ihnen möchte ich euch hier anfügen. Mögen euch die Worte aus der Einsiedelei in dieser Krisenzeit viel Gutes schenken, liebe Ordensgeschwister im OFS, und euch auf ihre Weise noch näher zu Gott führen

Aus den „Goldenen Worten“ des sel. Ägidius von Assisi

  • Das Gebet ist Beginn und Beschluss alles Guten.
  • Beten bringt Licht in die Seele und führt zur Erkenntnis alles Guten und Bösen.
  • Wer nicht zu beten weiß, erkennt Gott nicht.
  • Leben in der Beschauung besagt: alles Irdische aus Liebe zu Gott abstreifen, allein das Himmlische suchen, anhaltend beten, häufig Lesung halten, in Hymnen und Liedern allzeit Gott lobsingen.
  • Da es keinen Menschen gibt, der ins beschauliche Leben eintreten kann, ehe er nicht durch ein tätiges Leben treu und mit Hingabe sich geschult hat, muss man mit Anstrengung und aller Sorgsamkeit das tätige Leben ausnutzen.
  • Mir erscheint es als nicht geringere Tugend, gut zu schweigen wissen, als gut zu reden verstehen. Und ich bin der Ansicht, der Mensch sollte einen Hals wie der Kranich haben, dann müsste jedes Wort gewissermaßen über eine Reihe von Hindernissen hinweg, ehe es den Mund verließe.
  • Es fragte ihn jemand: „ Gegen welchen Fehler muss der Mensch am meisten ankämpfen?“ Die Antwort lautete: „ Dichte das Fass an der Stelle ab, an der der Wein herauskommt. Und ebenso kämpf du gegen den Fehler, der dir am meisten zu schaffen macht.“
  • Es gibt ein Zeichen dafür, dass ein Mensch in der Gnade Gottes steht: wenn er in keiner Lage den Selbstherrlichen spielt, sondern jederzeit sich bescheidet.
  • Weiters sagte er: „ Daran lässt sich erkennen, ob einer Gott vollkommen liebt, wenn er mit aller Wachsamkeit mehr und mehr sich von Fehlern lossagt und von Tag zu Tag mehr gute Werke wirkt.“
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Liebe Geschwister im Orden, euch allen eine gesegnete Zeit, in der diese heilsamen „goldenen Worte“ in euch wirken mögen und ein gutes Weitergehen auf unserem gemeinsamen franziskanischen Berufungsweg in Gebet und Tun! Auf ein Wiedersehen freut sich, mit geschwisterlichen Grüßen,

eure Sr. Klara/

Christine Walder

Pace e bene!