Zwischen Klang und Papier: Die Schreibstätte macht Sprache spürbar

Was geschieht, wenn Gedanken fließen dürfen – ohne Bewertung, ohne Formvorgabe, ohne Angst vor Fehlern? Wenn Sätze entstehen dürfen, bevor sie sich rechtfertigen müssen? Genau diesen Raum schafft die Schreibstätte – ein besonderes Angebot für Patient:innen im Krankenhaus de La Tour und der Diakonie Essstörungsklinik.

Foto: weiten-Raum_KHdLT © Gerhard Maurer
Foto: weiten-Raum_KHdLT © Gerhard Maurer

Die Schreibstätte ist eines von mehreren Angeboten der Kreativ- und Alltagstherapie, die im Rahmen des rund achtwöchigen stationären Aufenthalts besucht werden können. Patient:innen haben dabei die Möglichkeit, einmal pro Woche an der Schreibstätte teilzunehmen – einem Ort, der nicht auf Therapie im klassischen Sinne setzt, sondern auf Ausdruck, Selbstwahrnehmung und persönliche Sprache.

In der Schreibstätte geht es nicht darum, „richtig“ zu schreiben. Es geht darum, überhaupt zu schreiben. Um das, was oft unausgesprochen bleibt. Um innere Bilder, fragmentierte Erinnerungen, leise Fragen. Um Selbstwahrnehmung – und um das Vertrauen, dass jedes Wort seinen Platz haben darf.

„Die Schreibstätte ist ein Ort, wo Menschen ihrer eigenen Sprache begegnen. Wenn man aufhört, Gedanken zu zensieren, entsteht etwas Echtes – etwas, das trägt“, beschreibt Clemens Luderer, der die Schreibstätte mit großem Engagement leitet. Es ist ein einfacher, aber tiefgreifender Zugang zum eigenen Erleben – fern von therapeutischer Analyse oder literarischem Anspruch. Schreiben wird hier zu einer Form der Selbstermächtigung. „In der Schreibstätte entsteht ein Raum, in dem Gedanken sich selbst begegnen dürfen – ungefiltert, unkommentiert, unverstellt“, ergänzt Luderer. Genau dadurch entsteht eine Verbindung zu sich selbst, die auf Respekt, Vertrauen und Ausdruck basiert. Viele Teilnehmer:innen kommen mit Vorbehalten – „Ich kann das nicht“, „Ich bin kein:e Schriftsteller:in“ –, und verlassen die Schreibstätte mit etwas Eigenem. Etwas Echtem. Einer Stimme, die plötzlich Raum bekommt.

„Die Schreibstätte eröffnet einen nonverbalen Zugang zur inneren Erlebniswelt – das fördert nicht nur Reflexion, sondern auch psychische Entlastung.“

Das sagt Dr. Michaela Leopold, Fachärztin für Psychiatrie und ärztliche Leitung der Krankenhäuser der Diakonie de La Tour.

Wie viel Kraft in den dort entstandenen Texten liegt, wurde im Juli sichtbar: Bei einer öffentlichen Lesung auf der neuebuehnevillach las Clemens Luderer ausgewählte Texte aus der Schreibstätte – begleitet von Jonah Fowkes, der mit eigens komponierten Gitarrenstücken den Worten Tiefe und Resonanz verlieh. Es war ein Abend voller leiser Kraft, der gezeigt hat, wie bewegend Sprache sein kann, wenn sie ehrlich ist.

Die Resonanz war groß: Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Und ganz nebenbei sind an diesem Abend über 1.000 Euro an Spenden zusammengekommen – als stille Unterstützung für Patient:innen der Ergotherapie am Krankenhaus de La Tour, bei denen zusätzliche Kosten für therapeutische Materialien eine Hürde darstellen. Ein Abend im Juli, der in Erinnerung bleibt. Nicht laut, nicht spektakulär. Aber tief. Echt. Und vielleicht gerade deshalb so bedeutsam.

Clemens Luderer & Jonah Fowkes bei der Lesung der Patient:innentexte (Foto: Diakonie de La Tour)
Clemens Luderer & Jonah Fowkes bei der Lesung der Patient:innentexte (Foto: Diakonie de La Tour)

Mag. Dr. Michaela Leopold (Ärztliche Leitung KH der Diakone de La Tour), Pfarrer Dipl.Ing. (FH) Mag. Astrid Körner (Rektorin & Vorstandsvorsitzende Diakonie de La Tour), Mag. Dr. Eveline Oberleitner (Psychologische Leitung KH der Diakonie de La Tour), MMag.a Susanne Prentner-Vitek (Personaldirektorin & Vorständin Diakonie de La Tour), Mag. Arnold Maier (Leitung Fachbereich Gesundheit & Verwaltungsleitung KH der Diakonie de La Tour) mit Clemens Luderer (Leitung Schreibstätte) - Foto: Diakonie de La Tour
Mag. Dr. Michaela Leopold (Ärztliche Leitung KH der Diakone de La Tour), Pfarrer Dipl.Ing. (FH) Mag. Astrid Körner (Rektorin & Vorstandsvorsitzende Diakonie de La Tour), Mag. Dr. Eveline Oberleitner (Psychologische Leitung KH der Diakonie de La Tour), MMag.a Susanne Prentner-Vitek (Personaldirektorin & Vorständin Diakonie de La Tour), Mag. Arnold Maier (Leitung Fachbereich Gesundheit & Verwaltungsleitung KH der Diakonie de La Tour) mit Clemens Luderer (Leitung Schreibstätte) - Foto: Diakonie de La Tour