Organisation

Institut für kirchliche Ämter und Dienste

Synodal leben - Mit Paulus auf Mission

V. Mitverantwortung in der Sendung

Glaubensweitergabe als Zukunftsfrage (D. Kapeller)
Glaubensweitergabe als Zukunftsfrage (D. Kapeller)

Mit dem fünften Themenfeld des Schreibens „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ kommt Papst Franziskus auf die Sendung, die Mission der Kirche zu sprechen. In Anbetracht rückläufiger Mitgliederzahlen geht es dabei besonders für die Kirche in Europa und Nordamerika schlichtweg um die Zukunft. Zugleich geraten in säkularen Demokratien Religionsgemeinschaften, die offensiv auftreten leicht in den Verdacht durch „Missionieren“ zu polarisieren.

Sendungsauftrag

Anders als das Judentum ist die neue Bewegung, die sich auf Jesus von Nazareth gründete, von Beginn an missionarisch aufgetreten. Dabei wussten sich die ersten Christinnen und Christen von Jesus selbst beauftragt und beriefen sich dabei auf ein Wort des Auferstandenen:

Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. (Mt 28, 19-20)

Dringlichkeit erhielt dieser Auftrag durch die Überzeugung, dass alles Heil von Christus kommt (s. Joh 14, 6: „niemand kommt zum Vater außer durch mich.“). Dies verdichtete bereits Cyprian von Karthago († 258) zu der Formel: „Außerhalb der Kirche kein Heil.“ Die Wirkungsgeschichte war gravierend: in einer vergröberten Deutung wurde Menschen, die nicht Mitglied der Kirche waren der Zugang zum Heil abgesprochen. Dieses Verständnis war bis Mitte des 20. Jahrhunderts präsent und wirkte sich auch unmittelbar auf die Form der Glaubensweitergabe, besonders in so genannten Missionsländern, aus.

Mission führt zu Gewalt?

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 stellen eine Zäsur dar, die die Religionslandschaft nachhaltig verändert hat: zwar hatte sich in der katholischen Kirche im Anschluss an das 2. Vatikanische Konzil ein Missionsverständnis der Wertschätzung anderer Kulturen und Traditionen und eine Offenheit gegenüber anderen christlichen Konfessionen und Religionen etabliert, dennoch sahen sich im Herbst 2001 auch die christlichen Kirchen mit dem Grundverdacht konfrontiert: Religion erzeugt Gewalt! Dabei scheint die Analyse klar und eindeutig: Wer davon ausgeht, dass das Eigene das Richtige ist, in diesem Bewusstsein lebt und dies aktiv anderen mitteilt und sie vom eigenen Weg zu überzeugen trachtet, übt Gewalt aus.

Kirche auf der Seite der Unterdrückten

Seit 2013 wird die katholische Kirche von einem Papst aus Argentinien geleitet. Diese Herkunft aus dem globalen Süden macht Papst Franziskus wohl besonders aufmerksam für das Thema Mission. Dabei betont er immer wieder, dass zum Beispiel im Amazonasgebiet in Zeiten schlimmer Exzesse der Kolonialisierung Missionare den autochthonen Völkern zur Seite gestanden sind. Zugleich bittet er für Verletzungen und Verbrechen, die Missionare im Namen der Kirche verübt haben, um Vergebung (Querida Amazonia, 17-19). Für eine Vermittlung des Evangeliums ist für ihn der Respekt vor den Menschen, seinen Werthaltungen und Traditionen entscheidend. So weist der Papst bei seiner Ansprache am 19. Jänner 2018 in Puerto Madonado in Chile auf den Gewinn für die Kirche hin, wenn sie in Kontakt mit anderen Kulturen kommt:

Jede Kultur und jede Weltanschauung, die das Evangelium empfängt, bereichert die Kirche mit dem Anblick einer neuen Facette des Antlitzes Christi.

Paulus – Prototyp eines Missionars

Paulus von Tarsus, der Pharisäer aus dem Stamm Benjamin, war vor und nach seinem Damaskus-Erlebnis ein Eiferer für den Glauben und nach seiner Begegnung mit dem Auferstandenen ein rastloser Verkünder des Evangeliums. Den Antrieb für sein missionarisches Wirken erkennt er jedoch nicht darin, möglichst vielen Menschen den Glauben weiterzugeben und Gemeinden zu gründen. Der Beweggrund ist seine Gottesbeziehung, die ihn ganz erfasst und ihn in seiner Existenz in Christus hineinverwandelt. Daher ist die Verkündigung des Evangeliums wie ein Zwang, der auf ihm liegt (1 Kor 9, 16). Dieses innere Geschehen des Paulus ist, so die Missionstheologin Hadwig Müller, vergleichbar mit dem Verliebtsein: Paulus weiß sich von einer Liebe getroffen, die das Leben will und zwar das Leben in Fülle.

Er – oder sie – kann nicht anders als vom Geschenk dieses Lebens her zu fühlen und zu denken, zu sprechen und zu handeln. (Hadwig Müller)

Christliche Mission in der Spur des Paulus hat nicht zuerst ein Ziel, sondern eine Herkunft und stützt sich nicht auf Methoden, sondern weiß sich getragen von einer Beziehung und lebt diese.

Kirche im Wandel

Verfolgt man die Ergebnisse der Europäischen Wertestudie der letzten Jahrzehnte, fällt auf: Die aktive Teilnahme am kirchlichen Leben nimmt kontinuierlich ab. Dies bedeutet nicht, dass Religion und Gott nicht nach wie vor vielen Menschen wichtig sind, doch deckt sich dies zunehmend weniger mit einem biblisch-christlichen Glauben. Auf diese Entwicklung weist bereits Papst Paul VI. 1976 in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii nuntiandi“ (= Verkündigung des Evangeliums) hin. Dabei spricht er nicht von Mission, sondern von Evangelisierung, denn es geht nicht nur darum, „immer weitere Landstriche (…) durch die Predigt des Evangeliums zu erfassen.“ (EN 19).

Das Ziel der Evangelisierung ist (..) die innere Umwandlung. (EN 18)

Seitdem haben die Päpste diesen Gedanken mehrfach aufgegriffen und besonders für Europa eine Neuevangelisierung gefordert.

Christsein in „missionarischer“ Perspektive

In einem weitgehend säkularen Umfeld bedeutet Mitverantwortung an der Sendung der Kirche: um die eigene Überzeugung wissen, sie leben und sie einbringen. Dazu braucht es persönliche Festigkeit und Mut, aber auch Rückhalt in der Gemeinschaft. Fehl am Platz sind: Überheblichkeit und Aktionismus. Denn es geht nicht um die Rettung des christlichen Abendlandes, sondern um die prägende Kraft der Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Oder mit den Worten des Apostels Paulus: „Eure Güte werde allen Menschen bekannt.“ (Phil 4, 5)