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Institut für kirchliche Ämter und Dienste

Synodal leben - Jesu Freimut

III. Das Wort ergreifen

Von Jesus lernen (Dieter Schütz_pixelio.de)
Von Jesus lernen (Dieter Schütz_pixelio.de)

Im Vorbereitungsschreiben für den synodalen Prozess folgt auf das Zuhören das Reden. Dabei geht es Papst Franziskus um einen kommunikativen Stil ohne Doppeldeutigkeiten und Opportunismus. Dessen Grundlage ist ein Sprechen mit Mut und Freimut (= Parrhesie). Dazu lädt der Papst innerhalb der christlichen Gemeinschaft ein aber auch gegenüber der Gesellschaft. Inhaltlich bestimmt der Papst diese Form eines offenen und mutigen Redens mit der Forderung, dass dabei „Freiheit, Wahrheit und Liebe“ zu integrieren sind.

Freimut (= Parrhesie)

Die „Parrhesie“, zu der Papst Franziskus einlädt, geht zurück auf die griechische Philosophie und meint dort sowohl Redefreiheit als auch die Freiheit, sich das Thema der Rede frei wählen zu können. Damit hat sich der Philosoph Michel Foucault in seinen letzten Vorlesungen 1983 in Berkeley eingehend beschäftigt. Für ihn bezieht sich diese besondere Form einer Rede, er nennt sie „Wahrrede“, nicht zuerst auf den Inhalt des Gesagten, sondern auf die Person, die spricht. Dies sei, so Foucault, am ehesten der Fall, wenn eine Person ohne Zwang ein Geständnis ablegt. Sie gibt sich dabei ganz in die Hand eines bzw. einer anderen. Darin riskiert sie sich selbst, und bringt zur Sprache, was für sie Sache ist.

In Freiheit reden

Für Papst Franziskus verkörpert Martin Luther King ein Reden, das einer inneren Freiheit entspringt und auf Freiheit anderer zielt. So kommt er immer wieder auf die Rede „Ich habe einen Traum“ zu sprechen, die Dr. King am 28. August 1963 vor dem Lincoln Memorial in Washington hielt.

Ich habe einen Traum, dass eines Tages jedes Tal erhöht und jeder Hügel und Berg erniedrigt werden. (…) Mit diesem Glauben werden wir gemeinsam arbeiten können, gemeinsam beten können, gemeinsam kämpfen können, (…) mit dem Wissen (…), dass wir eines Tages frei sein werden.

Dieser Traum klingt weiter, denn er ist getragen von der Vision einer Freiheit der Vielfalt und Nicht-Ausschließung, so der Papst in seiner Rede am 24.9.2015 im Kongress der Vereinigten Staaten.

Suche nach Wahrheit

Wer das Wort ergreift soll die Wahrheit sagen. Damit sind wir beim zweiten Kriterium eines Redens mit Freimut angelangt. Dies setzt voraus, dass es mir im Dschungel der Informationen und Meinungen überhaupt möglich ist, die Wahrheit zu entdecken. Dieses Ringen um Wahrheit zieht sich durch das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. Für Jesus, so Papst Benedikt, erschöpft sich Wahrheit nicht wie die Scholastiker meinten in einer Übereinstimmung von Intellekt und Wirklichkeit. Wahrheit begegne vielmehr dort, wo ein Mensch in seiner Wahrheitssuche Gott als den Ursprung aller Dinge erkennt und anerkennt. Dies wiederum wirkt sich unmittelbar auf die Wahrheitsfähigkeit des Menschen aus:

Der Mensch wird wahr, wird er selbst, wenn er gottgemäß wird. (Benedikt XVI.)

Damit wird der deutlichste Ausdruck dafür, dass jemand etwas Wahres sagt, seine bzw. ihre Glaubwürdigkeit.

Sich in Liebe äußern

Mit dem Hinweis, dass in eine Rede in Freimut die Liebe zu integrieren sei, lenkt Papst Franziskus die Aufmerksamkeit auf die Empfängerinnen und Empfänger einer Äußerung. Besonders wenn es darum geht in Offenheit Kritik zu äußern, darf ihre Würde nicht verletzt werden. So weist der Papst immer wieder auf die Spirale der verbalen Gewalt in diversen Online-Foren hin. Dem hält er eine Redeweise entgegen, die den anderen, selbst den Gegner, mit Respekt, Wertschätzung, ja Liebe begegnet. Das Wesen der Liebe entfaltet er in besonderer Weise im Nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia (= Die Freude der Liebe).

Frucht der Liebe sind (..) Barmherzigkeit und Vergebung. (Amoris laetitia, 27)

Wer bereit ist, sich in Liebe zu äußern, weiß um die eigene Verletzlichkeit und um die Verletzungen, die Worte zufügen können.

Der Freimut Jesu

Veranschaulichen lässt sich dies in der Begegnung Jesu mit einem Mann auf seinem Weg von Galiläa nach Judäa. In der Überlieferung des Markusevangeliums (Mk 10, 17-31) reagiert Jesus auf den Wunsch des Mannes, das ewige Leben zu erben und auf seine Aussage, alle Gebote zu befolgen, indem er sich ihm ganz unmittelbar zuwendet:

Da sah ihn Jesus an, umarmte ihn und sagte: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben. (Mk 10, 21)

Die Reaktion des Mannes ist bekannt: Er geht betrübt weg, da er ein großes Vermögen hat. Jesus erspart diesem Mann nicht, sich mit seinem Leben zu konfrontieren. Er tut dies aber nicht von oben herab und schon gar nicht gehässig. Mit Freimut spricht er erst, nachdem er ihn angesehen und umarmt hat.

Rede aus Überzeugung

Für das Gespräch in der Familie und im Freundeskreis, innerhalb der Kirche und als Kirche mit Vertreterinnen und Vertretern von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bedeutet das Wort ergreifen, mutig und glaubwürdig, das zu vermitteln, was uns wichtig ist. Dadurch machen wir uns einerseits angreifbar und riskieren andererseits unser Gegenüber zu verletzen. Daher werden wir unsere Worte mit Bedacht wählen, damit sie ihre Wirkung so entfalten, dass das Gegenüber sie annehmen kann. Dies gelingt, so lernen wir von Jesus, wenn wir dies in einer Haltung machen, die den anderen respektvoll und liebevoll umarmt.