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Institut für kirchliche Ämter und Dienste

Maßnehmen an Josef: Wert der Arbeit

Fastenzeit 2021

Brot als Lohn der Arbeit (J. Kapeller)
Brot als Lohn der Arbeit (J. Kapeller)

Vom 8. Dezember 2020 bis zum 8. Dezember 2021 hat Papst Franziskus mit dem Apostolischen Schreiben „Patris corde“ (= Väterliches Herz) ein Jahr des Heiligen Josef ausgerufen. In der Fastenzeit und im Umfeld des Gedenktags des Heiligen Josefs am 19. März möchte ich mit diesen Beiträgen Anstöße zu einer vertieften Auseinandersetzung mit diesem Heiligen und den Anliegen von Papst Franziskus geben.

Brot ohne Butter

Meine Großmutter ist nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen – das ist mehr als eine Metapher. Aufgewachsen zu Beginn des 20. Jahrhunderts als lediges Kind einer Magd in einem Dorf in Oberkärnten musste sie am Bauernhof der Familie ihres Vaters erleben, was es heißt nicht erwünscht und ein Mensch zweiter Klasse zu sein. So erzählte sie mir noch siebzig Jahre später mit trauriger Stimme und gesenktem Blick wie das damals war, als sie in der Schule vor ihrem harten, trockenen Stück Brot saß, während ihre Halbgeschwister in der Pause ein frisches Brot mit Butter aßen. Solche Erlebnisse haben sich tief in ihre Seele gegraben und ein Leben lang begleitet. Befreit lachen sah ich meine Großmutter selten. Im Alter wohnte sie einige Zeit bei uns. Immer wieder bedrängten sie die Verwundungen der Kindheit. Oft war sie unwirsch. Nur wenn sie eine Arbeit hatte, entspannten sich ihre Züge, sie war hoch konzentriert, ganz bei sich und bei dieser Tätigkeit. Noch lange nach ihrem Tod habe ich mich gefragt, wie es möglich ist, einfache Tätigkeiten des Alltags wie das Reinigen eines Waschbeckens mit so großer Hingabe zu erledigen. Wirklich verstanden habe ich es erst, als ich mich intensiver mit Abschnitt sechs von Patris corde beschäftigte. Doch davon etwas später. Vorab noch einige grundsätzliche Beobachtungen zu Josef dem Arbeiter und zur Arbeit selbst.

Kirche und Arbeit

Über viele Jahrhunderte spielte das Thema Arbeit in Theologie und Kirche keine Rolle. Erst sehr spät, die industrielle Revolution war bereits in vollem Gange und die soziale Not der Arbeiterinnen und Arbeiter schrie förmlich zum Himmel, nahm sich die Kirche dieses Themas an. Mit der Sozialenzyklika „Rerum novarum“ (= Über die neuen Dinge), setzte Papst Leo XIII. im Jahr 1891 ein starkes und viel beachtetes Zeichen. Darin beklagt der Papst schlechte Arbeitsbedingungen, fordert gerechte Löhne und staatlichen Schutz der Arbeiterschaft. Er schreibt:

Die Arbeiter dürfen nicht wie Sklaven angesehen und behandelt werden; ihre persönliche Würde, welche geadelt ist durch ihre Würde als Christen, werde stets heilig gehalten. (RN 16)

Diese Forderungen klingen erschreckend aktuell, wenn man bedenkt unter welchen Bedingungen Menschen selbst heute in Europa in Leihfirmen oder als Erntehelfer/innen arbeiten müssen.

Folgen der Arbeitslosigkeit

Für Papst Franziskus ist in dieser Zeit der Pandemie Arbeit wieder zu einem „dringenden sozialen Thema geworden“. Denn selbst in Ländern, die es in den letzten Jahrzehnten zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben, hat Arbeitslosigkeit teils drastische Ausmaße angenommen. Damit hat sich bereits 1981 Papst Johannes Paul II. in seiner ersten Sozialenyzklika „Laborem exercens“ (= Durch die Arbeit) eingehend beschäftigt. Darin tritt er für einen Vorrang der Arbeit vor dem Kapital ein und für eine entsprechende soziale Absicherung.

Die Pflicht der Hilfeleistung für die Arbeitslosen (…) durch die dazu nötige entsprechende Unterstützung den Lebensunterhalt zu sichern, entspringt dem (…) Recht auf Leben und Unterhalt. (LE 18)

Dieses Recht auf Leben und Unterhalt erweitert Papst Franziskus in Patris corde um die Dimension des Wertes von Arbeit und Beschäftigung selbst. Denn im Menschen liegt der Wunsch begründet sich zu entfalten, sich einzubringen und somit die Lebenszeit produktiv zu verbringen. Daher wünscht sich der Papst nach der Krise eine neue Normalität, in der Menschen wieder ihre Arbeitskraft einsetzen können und in der niemand ausgeschlossen ist.

Geistliche Dimension der Arbeit

Arbeit ist jedoch nicht nur Broterwerb und Existenzsicherung. In seinem Tätigsein, so Papst Franziskus, nimmt der Mensch am Erlösungswerk teil und kann damit das Kommen des Reiches Gottes beschleunigen. Der Papst versteht Arbeit im Sinne eines Mitwirkens an Gottes Schöpfung:

Der Mensch, der arbeitet, egal welcher Aufgabe er nachgeht, arbeitet mit Gott selbst zusammen und wird ein wenig zu einem Schöpfer der Welt, die uns umgibt.

Wer in diesem Sinne arbeitet, geht respektvoll mit allen Geschöpfen und den Ressourcen dieser Erde um. Er bzw. sie bringt sich für andere ein und vermag darin die „eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten weiterzuentwickeln“. Dieser aufmerksame Umgang mit sich und den anderen befreit vor gewaltsamer Konkurrenz und rückt menschliche Arbeitskraft in ein neues Licht: sie trägt dazu bei, dass das Reich Gottes aufleuchtet, das heißt sich eine Atmosphäre der Versöhnung und des Friedens ausbreitet.

Selbstbestimmung und Würde

Bei all diesen gewichtigen Zuschreibungen verklärt Papst Franziskus die Arbeit nicht. Er macht vielmehr auf einen besonderen Aspekt aufmerksam:

Die Arbeit des heiligen Josef erinnert uns daran, dass der menschgewordene Gott selbst die Arbeit nicht verschmähte.

Von Josef lernte Jesus das Handwerk des Zimmermanns und vor allem „welch eine Würde und welch eine Freude es bedeutet, das Brot zu essen, das die Frucht eigener Arbeit ist.“ Damit bin ich wieder bei meiner Großmutter angelangt. Bereits früh erfuhr sie: Wenn ich arbeite zählt nicht meine Herkunft, sondern mein Einsatz und meine Leistung. Von daher bezog sie ihre Würde und das machte sie unabhängiger von ihrer Herkunftsfamilie. In ihren letzten Lebensjahren versuchten wir ihr zu vermitteln: Du bist wertvoll, auch wenn du nicht arbeitest und nichts leistest. Es fiel ihr nicht leicht das anzunehmen. Manchmal lächelte sie nur verlegen und bedankte sich dann auf ihre eigene Art und Weise, indem sie uns ihr selbstgebackenes Brot aufwartete.