Organisation

Institut für kirchliche Ämter und Dienste

Maßnehmen an Josef: Kirche neu denken

Fastenzeit 2021

Vom 8. Dezember 2020 bis zum 8. Dezember 2021 hat Papst Franziskus mit dem Apostolischen Schreiben „Patris corde“ (= Väterliches Herz) ein Jahr des Heiligen Josef ausgerufen. In der Fastenzeit möchte ich mit diesen Beiträgen Anstöße zu einer vertieften Auseinandersetzung mit diesem Heiligen und den Anliegen von Papst Franziskus geben.

Karfreitag der Kirche

Mehrmals hat Bischof Egon Kapellari das Dunkel des Karfreitags in Beziehung zur aktuellen Situation der Kirche gesetzt. Letzte Woche war es wieder so weit. Mit der Veröffentlichung des Gutachtens zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln wurde belegt, was zu befürchten war: Sexueller Missbrauch von Klerikern wurde von Entscheidungsträgern gedeckt und vertuscht. Karfreitag der Kirche. Nur wenige Tage zuvor. Die Glaubenskongregation veröffentlicht eine „Erläuternde Note“, in der die Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen ausgeschlossen wird, denn, so heißt es dort wörtlich, „er (= Gott) segnet nicht die Sünde und er kann sie nicht segnen.“ Einige verstehen dies als Ausdruck der Kontinuität kirchlicher Lehre. Betroffene fühlen sich abgewertet und ausgeschlossen. Viele empfinden mit ihnen. Karfreitag auch hier.

Erneuerung der Kirche

Mit dem 2. Vatikanischen Konzil findet die Kirche zu einem vertieften Selbstverständnis. Sie sieht sich nicht mehr, wie noch im 1. Vatikanischen Konzil, als „mächtiger und fortdauernder Beweggrund der Glaubwürdigkeit und ein unwiderlegbares Zeugnis ihrer göttlichen Sendung“ (DH 3013). Vielmehr macht sie sich ein Prinzip protestantischer Theologie zu Eigen.

Sie (= die Kirche) ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung. (LG 8)

So einen Weg der Buße und Erneuerung der Kirche entwickelt Papst Franziskus im Schlussteil von Patris corde. Wieder greift er dabei auf die besonderen Charaktereigenschaften des Heiligen Josef zurück.

Kirche als Schattenwesen

In Bezug auf Jesus war Josef, so Papst Franziskus, „der irdische Schatten des himmlischen Vaters“. Wie ein Schatten begleitet Josef Jesus durchs Leben. Als „Schatten“ vermittelt er Sicherheit und Schutz, ohne Jesus an sich zu binden und ihn in seiner Entfaltung zu beschränken. Dieses Bild verknüpft der Papst mit der Wüsten-Erfahrung des Volkes Israel.

In der Wüste (…) hat der Herr, dein Gott, dich auf dem ganzen Weg (…) getragen, wie ein Mann sein Kind trägt.“ (Dtn 1,31)

Darin liegt die besondere Würde und der Auftrag der Kirche begründet. In dieser Erdenzeit die Präsenz Christi zu feiern und zu bezeugen – besonders auch in Zeiten der Wüste und Anfeindung. Dabei ist sie aber nicht die strahlende Lichtquelle, sondern der Schatten, den sie allein Gottes Licht verdankt. Eine Josefs-Existenz prägt Kirche aus, wenn sie durch und für die Gemeinschaft der Getauften ein tragender und bergender Ort ist, der zum Zeichen und Werkzeug des Friedens und der Einheit aller Menschen wird.

Herrschaftsfreier Raum

Dafür braucht diese Gemeinschaft der Getauften einen tragfähigen institutionellen Rahmen. Dieser unterscheidet sich jedoch grundsätzlich von staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen. Denn in ihrer institutionellen Verfasstheit ist Kirche laut Jürgen Werbick eine „unmögliche Institution“, da sie keinen Selbstzweck aufweist, nichts zu erzeugen, sondern nur etwas zu bezeugen hat. Welches Anforderungsprofil haben darin kirchliche Entscheidungsträger zu erfüllen? Für Papst Franziskus braucht es die Reife einer Selbsthingabe, die aus Gottvertrauen handelt und nicht eine eigene Leere zu füllen trachtet. Denn die Welt „lehnt die ab, die Autorität mit Autoritarismus verwechseln, Dienst mit Unterwürfigkeit, Auseinandersetzung mit Unterdrückung, Nächstenliebe mit übertriebener Fürsorge, Stärke mit Zerstörung.“ Diese Selbsthingabe ist getragen von einer Aufmerksamkeit gegenüber eigenen Bedürfnissen, einer realistischen Selbsteinschätzung und der Bereitschaft dem bzw. der anderen gerecht zu werden und für sie da zu sein.

Zur Freiheit befreit

Nochmals bezieht sich Papst Franziskus auf das Vatersein oder genauer das Elternsein. Mit ihrer Erziehung kommen Eltern dann zum Ziel, wenn sie sich „nutzlos“ gemacht haben und das Kind selbständig auf den Pfaden seines bzw. ihres Lebens gehen lassen. Bei Josef ist diese Bereitschaft besonders ausgeprägt, denn er weiß, Jesus ist nicht sein eigenes Kind, sondern seiner Obhut anvertraut. Diese Vaterschaft ist „nie besitzergreifend, sondern verweist auf eine höhere Vaterschaft.“ Auf Kirche übertragen heißt dies: das Ziel ist nicht Menschen zu halten oder zu binden. Vielmehr geht es darum, dass Menschen als Teil einer weltumspannenden Gemeinschaft eigene Erfahrungen mit dem Göttlichen machen und diese einbringen in eine Kirche, die in Treue zu ihrem Ursprung in die Zukunft geht.

Der schwere Stein

In seinen Osterbetrachtungen widmet Egon Kapellari dem Stein, der das Grab Jesu verschließt eine eigene Meditation. Dieser Stein ist ihm Sinnbild für das Schwere, die Lebenslast, die Menschen zu tragen haben. Karl Rahner weist zudem darauf hin, dass allem, was menschlich ist, auch die Kraft des Negativen innewohnt. Sie ist die bleibende Grundausstattung des Menschen und findet ihren Niederschlag auch in gesellschaftlichen und kirchlichen Systemen und Strukturen. Immer wieder hindert dieser „Stein“ die Kirche daran, den göttlichen Auftrag zu erfüllen. Doch dieser Grabstein ist für Egon Kapellari kein Schlussstein. Am Ostermorgen nimmt Gott ihn weg und gibt dadurch den Blick frei auf die Auferstehung, auf das neue Leben:

Und manchmal hebt ihn die göttliche Gnade auf, gibt ihm Flügel gegen alle Schwerkraft.