Organisation

Institut für kirchliche Ämter und Dienste

Kirche als Familie

Theologische Beobachtungen im Jahr der Familie

Logo des Jahres der Familie (DKZ)
Logo des Jahres der Familie (DKZ)

Seit der Ausrufung des Jahres der Familie beschäftigt mich als Theologe, der verheiratet und Vater von drei Kindern ist, verstärkt die Frage, ob die Familie für die Kirche eine theologische Bedeutung hat und wenn, ja welche dies sein könnte. Dabei geht es mir nicht darum, wie Kirche Familie sieht, welchen Wert sie ihr als Keimzelle der Gesellschaft zuerkennt und welche Aufgabe bei der Weitergabe des Glaubens sie ihr überträgt. Dies scheint mir hinreichend klar zu sein. Es geht mir um die „umgekehrte Richtung“:

Was kann Kirche von der Familie lernen?

In den letzten Wochen habe ich mich eingehender mit dieser Frage beschäftigt und war doch einigermaßen überrascht, was dabei zum Vorschein gekommen ist.

Familie als theologische Größe

Bereits in der Botschaft an die Teilnehmer/innen am online Kongress zur Eröffnung des „Jahres der Familie Amoris Laetitia“ macht Papst Franziskus deutlich, dass Familie für ihn nicht nur ein gesellschaftliches und pastorales, sondern auch ein Thema ist, das unmittelbar das Selbstverständnis der Kirche berührt. Denn das Herz jeder Familienpastoral ist für den Papst, den Paaren ein Wort zu verkünden, das ihnen hilft, „den authentischen Sinn ihrer Vereinigung und ihrer Liebe zu erkennen, die Zeichen und Bild der trinitarischen Liebe und des Bundes zwischen Christus und der Kirche ist.“

Familie als Hauskirche

Ein deutlicheres theologisches Gewicht erfährt die Familie in der Kirchenkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils „Lumen gentium“ durch die Zuschreibung als Hauskirche (LG 11). Dieser Ansatz wird von Papst Paul VI. in Evangelii nuntiandi konkretisiert, wenn er schreibt: „Das bedeutet, in jeder christlichen Familie müssten sich die verschiedenen Aspekte der Gesamtkirche wiederfinden“ (Art. 71). Bis zu Papst Franziskus ist es jedoch die Kirche, die mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit das Wachsen der Familien begleitet und in Krisen unterstützen und korrigieren soll, damit durch sie im Kleinen etwas von dem sichtbar wird, was die Kirche ausmacht. Papst Franziskus erweitert diese Vorstellung, in dem er die Familie als eine Wirklichkeit begreift, die für das Wesen und die Verfassung der Kirche maßgeblich ist. So schreibt er in Amoris Laetitia:

„Die Kirche ist eine Familie aus Familien, die durch das Leben aller Hauskirchen ständig bereichert wird“ (AL 87).

Dabei erkennt der Papst die Bedeutung der Familie für die Kirche darin, dass sie die trinitarische Liebe Gottes zu den Menschen und den Bund Christi als Bräutigam mit der Kirche als Braut abbildet.

Kirche als Braut und Mutter

Bereits im Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ aus dem Jahr 2013 macht der Papst deutlich, welche Ekklesiologie ihn leitet: In ihrem missionarischen Auftrag ist Kirche Volk Gottes und darin „Ferment Gottes inmitten der Menschheit“ (EG 114). Beschreibt er jedoch die innere Verfasstheit der Kirche so ist sie für ihn wie „eine Mutter, die zu ihrem Kind spricht“ (EG 139). Dieses Bild entfaltet er in Kapitel 3 von „Amoris laetitia“, um es in „Querida Amazonia“ auf die Gemeinden des Amazonasgebietes hin, zu konkretisieren. Dabei ergänzt er das Motiv der „Kirche als Mutter“ um die Verhältnisbestimmung von „Christus als Bräutigam“ und „Kirche als Braut“. Dies überträgt er nun unmittelbar auf die Ämter und Dienste der Gemeinde. So ist es der Priester als Mann, der als Haupt Christus und die Frau, die in ihrer „Weiblichkeit“ Maria repräsentiert. Damit sieht der Papst in die Kirche eine familiale Struktur mit klaren Geschlechter- und Rollenzuschreibungen eingezeichnet. In dieser Logik wird der Priester (im Idealfall) zum guten Vater, der für die nötigen Strukturen sorgt, mit Macht im Sinne des Evangeliums umgeht, die innere Ordnung gewährleistet und die Gläubigen, darin besonders die Frauen, verleihen der Kirche von innen her Kraft und beleben sie durch Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit (Querida Amazonia, Art. 87f u. 101). Diese Sichtweise hat in Mitteleuropa und Nordamerika im Anschluss an die Veröffentlichung von „Querida Amazonia“ teils heftigen Widerspruch ausgelöst.

Zeichen und Bild trinitarischer Liebe

Anders als bei der Braut- und Mutter-Symbolik, finden sich bei Papst Franziskus kaum trinitätstheologische Entfaltungen des Wesens von Kirche. Familie wiederum interpretiert er trinitätstheologisch, wenn er auf das Hervorbringen neuen Lebens und das Zu- und Miteinander von Vater, Mutter und Kind zu sprechen kommt (AL 11). Eine entsprechende Entfaltung ist jedoch noch ausständig. Ein Hinweis wie Kirche als Familie Bild und Zeichen der trinitarischen Liebe sein könnte, bietet er hingegen bereits in Evangelii gaudium. Dort beschäftigt sich der Papst mit der Frage wie bei einer Zunahme von kultureller Verschiedenheit kirchliche Einheit gewahrt werden kann. Für den Papst gewährleistet dies der Heilige Geist, der vom Vater und Sohn gesandt, „unsere Herzen verwandelt und uns fähig macht, in die vollkommene Gemeinschaft der Heiligsten Dreifaltigkeit einzutreten, wo alles zur Einheit findet (EG 117).“ Das innere Gefüge der Kirche als Familie ordnet sich demnach durch das Wirken des dreieinen Gottes. Wenn man dies ekklesiologisch konkretisiert, sind in so einem Modell nicht Geschlechter- und Rollenzuschreibungen maßgeblich, sondern das Zutrauen in einen trinitarischen Transformationsprozess, in dem sowohl der/die Einzelne einen Raum der Entfaltung vorfindet als auch die Gemeinde sich als Einheit und Teil eines größeren Ganzen begreift.

Kirche als Familie?

Wie bereits deutlich wurde, besteht zwischen einem Verständnis von Kirche als Familie im Sinne des Bundes mit Christus und eines Zeichens trinitarischer Liebe eine doch erhebliche Spannung. Zudem trat in den letzten Jahren das Selbstverständnis von Pfarre als „Pfarrfamilie“ in den Hintergrund. Zu eng und zu exklusiv erschien vielen diese Erwartungshaltung. Zudem fühlten sich Menschen, die nicht oder nicht mehr in (traditionellen) Familien lebten davon ausgeschlossen. Meines Erachtens könnte Kirche von Familien, besonders auch in einer Phase, in der sich die Weltkirche auf einen groß angelegten synodalen Weg begibt, Entscheidendes lernen. Erforderlich wäre dabei eine konsequente trinitarische Ausformung einer familialen Grundstruktur von Kirche.

Ein neues Miteinander

Kirchliches Leben wäre dann davon geprägt, dass das gemeinschaftliche Miteinander die Entfaltung des bzw. der Einzelnen bedingt und umgekehrt. Erforderliche Ämter und Dienste würden ebenso unter diesen trinitarischen Vorgaben übertragen und gelebt. Einzelne Gemeinden und Ortskirchen wiederum würden sich in ihrem Voranschreiten an einer verbindlichen Einheit orientieren und diese Einheit wiederum würde zu einer möglichst großen Vielfalt beitragen. „Neues Leben“ brächte diese Kirche als Familie von Familien schließlich hervor, wenn sie vermeintliche oder faktische „Nicht-Familienmitglieder“ als Teil des eigenen Wesens und der eigenen Sendung begreift und missionarisch die Präsenz des dreieinen Gottes in anderen familialen Kontexten entdeckt. Ich finde das wäre ein sehr lohnendes Vorhaben für das Jahr der Familie und wohl auch darüber hinaus.