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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Nur wer ganz unten ist, kann wirklich auferstehen

Pfarrer Johannes Staudacher im Sonntags-Gespräch zu Ostern

Der Pfarrer und Trauerseelsorger über seine Erfahrung mit Leid und Auferstehung in der Seelsorge und die Auferstehung als Zuwendung, die Gebrochenes vollendet

Der Pfarrer und Trauerseelsorger Johannes Staudacher im SONNTAG-Interview über seine Erfahrung mit Leid und Auferstehung in der Seelsorge und die Auferstehung als Zuwendung, die Gebrochenes vollendet. (© Foto: G. Haab / Gunnar Bach Pedersen - Wikimedia)
Der Pfarrer und Trauerseelsorger Johannes Staudacher im SONNTAG-Interview über seine Erfahrung mit Leid und Auferstehung in der Seelsorge und die Auferstehung als Zuwendung, die Gebrochenes vollendet. (© Foto: G. Haab / Gunnar Bach Pedersen - Wikimedia)
Das Auferstehungsbild der Chora-Kirche/Istanbul: Jesus steigt hinab in die Unterwelt und nimmt aus der Tiefe Adam und Eva, also den Menschen, hinauf in die Unendlichkeit der Liebe Gottes. (© Foto: Gunnar Bach Pedersen/Wikimedia; Haab)
Das Auferstehungsbild der Chora-Kirche/Istanbul: Jesus steigt hinab in die Unterwelt und nimmt aus der Tiefe Adam und Eva, also den Menschen, hinauf in die Unendlichkeit der Liebe Gottes. (© Foto: Gunnar Bach Pedersen/Wikimedia; Haab)

Mit welchen Bildern ist Ostern für Sie verbunden?
Staudacher: Die biblischen Texte zeigen starke Bilder, die mir in der Begegnung mit Trauernden wichtig sind. Das Johannesevangelium z. B. platziert rund um die Auferstehung die Botschaft von der Verklärung der Wunden. Jesus zeigt die Wundmale, sie werden zum Thema.

Der ungläubige Thomas ...
Staudacher: Wenn die Wunden nicht erlöst sind, gibt es für Thomas keine Auferstehung. Für ihn ist entscheidend, dass das Furchtbare, das geschehen ist, an ein erlöstes Ziel kommt. „Wenn ich meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“: Der Sieg der Liebe zeigt sich für ihn gerade in der Verwandlung des Verwundeten und Zerstörten. Jesus wendet sich Thomas zu und sagt ihm: „Komm, leg deinen Finger in meine Hände.“ Das ist ein Zweites, das mir bei Johannes auffällt: Er verbindet Auferstehung mit persönlicher Zuwendung und Namensnennung.

Wie auch in der Begegnung mit Maria Magdalena.
Staudacher: Der Auferstandene ist ja schwer fassbar. Dieses Nicht-Fassbare ist da in der Erscheinung am See. „Sie wussten, dass es der Herr war, aber sie wagten nicht, ihn zu fragen, wer er ist.“ Da ist eine ganz große Spannung im Erleben der Jünger. Aber Christus selbst gibt denen, denen er begegnet, immer ihren Namen: Maria! Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Zur Auferstehungswelt gehört dieses Liebesband. Maria von Magdala gibt ja ihre Antwort: „Mein Meister!“ Sie will ihn festhalten und auch Petrus will ihn festhalten: „Herr, du weißt, dass ich dich liebe.“ Das heißt: Auferstehung hat etwas mit einem Liebesband zwischen Gott und den Menschen zu tun. Da haben wir als Christen eine wichtige Verkündigungsaufgabe. Viele in unserer Welt glauben an eine Form von Weiterleben, sehen es aber nicht als Fest der Liebesbegegnung zwischen Gott und seinem Geschöpf.

Weihnachten wird gern als Fest der Liebe bezeichnet; das auch Ostern zuzuschreiben, klingt eher ungewohnt.
Staudacher: Die Argumentation Jesu im Gespräch mit den Sadduzäern, ob es eine Auferstehung gibt, bezieht sich auf die Namen: Gott ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Für ihn sind alle lebend. Jesus argumentiert die Auferstehung damit, dass zwischen Gott und diesen Menschen Freundschaft war; das Liebesband ist die eigentliche Wurzel dafür, dass es Auferstehung gibt. Und in der Welt der Auferstehung ist die Namensnennung ganz entscheidend: Das bedeutet, dass die Geschichte des Menschen nicht vernichtet, nicht aufgelöst ist, sondern aufgehoben und vollendet.
Es ist schön, dass dieses Wort aus dem Buch Jesaja in der Liturgie einen wichtigen Platz hat: „Fürchte dich nicht, ich rufe dich bei deinem Namen!“ Und auch beim offenen Grab wird gesagt: „Du wurdest getauft auf diesen Namen, Gott rufe dich jetzt.“ Wenn wir über Auferstehung sprechen, sprechen wir über ein Liebesband zwischen Gott und dem einzelnen Menschen.

Konzentrieren wir uns also die ganze Fastenzeit vielleicht zu viel auf Kreuz und Wunden statt auf Erlösung und Auferstehung?
Staudacher: Das sehe ich nicht so. Wenn wir den 2. Fastensonntag anschauen: Dort wird immer das Evangelium der Verklärung Jesu gelesen. Das heißt: In der Liturgie wird die gotterfüllte Wirklichkeit Christi an den Anfang gestellt. Und die Mitnahme der Jünger auf den Berg der Verklärung ist ein Zeichen für sie, damit sie nicht irre werden, wenn sich seine göttliche Lebensfülle am Kreuz gänzlich verbirgt. Da ist schon dieses letzte Bild drinnen. Und je nach Kirchenjahr wird – wie heuer – ganz stark das Thema Leben und Auferstehung in den Evangelien thematisiert: Jesus ist das Licht für den Blinden, die Vergebung für die Frau am Brunnen. Dann Lazarus: Beim Namen gerufen, aus dem Tod in ein neues Leben.

Unsere Geschichte wird von Gott so persönlich vollendet, dass uns alle Tränen abgewischt werden.

Dennoch bleibt vor Ostern der Karfreitag ...
Staudacher: Ich brauche zuerst die Identifikation mit dem Leid, mit der Tiefe, um erhoben zu werden. Paulus sagt das oft: Wenn wir mit ihm leiden, werden wir mit ihm verherrlicht werden. Und deshalb heißt es ja im „Geheimnis des Glaubens“: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir.“ Auch im Alten Testament ist das eine wichtige Tradition: Gott ist dem Demütigen, dem Zerschlagenen nahe.

Verstehe ich richtig: Gott will nicht das Leid, aber er ist dem Leidenden nahe?
Staudacher: Das ist die Logik der Fastenzeit: Wir werden mit unseren Nöten, Leiden, Sünden wahrgenommen, damit für all das Auferstehung sein kann. Ob das immer gelingt, ob da die Volksfrömmigkeit, ob da jeder Text und jedes Lied hilfreich ist, ist eine andere Frage. Aber im Prinzip werden wir diesen Weg des Geheimnisses des Glaubens geführt: hinabsteigen, um mitgenommen zu werden hinauf. Das ist wichtig: Christliche Auferstehung gibt es nicht ohne den Tod. Es gibt diese Höhe nicht ohne die Tiefe vorher. So sehe ich es theologisch, aber so erlebe ich es auch bei Menschen.

Das bedeutet: Leid ist nicht positiv, aber es kann den Menschen im Positiven formen?
Staudacher: Auferstehung gibt es nur für den, der unten ist. Der also auch das alles erfährt und annimmt, was zum Menschen gehört, und das sind in irgendeiner Form immer auch Leid und Tod. Im Lukas-Evangelium sagt einer der beiden, die mit Jesus gekreuzigt wurden: Uns geschieht recht, wir verdienen diese Strafe, Jesus aber hat nichts Unrechtes getan. Er ist in seiner eigenen Wirklichkeit und Tiefe angekommen, von dort kommt dann sein Hilfeschrei: Jesus, denk an mich, wenn du in deiner Macht als König kommst! Ihm gilt das Wort: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.  

Biblisch wird die Auferstehung gar nicht triumphalistisch dargestellt. Außer dem Erdbeben bleibt die Außenwirkung recht bescheiden, viel bescheidener als einige unserer Osterlieder, die vor Triumph strotzen.
Staudacher: Biblisch gesehen ist es nur dieses Erdbeben bei Matthäus, das an die Gewalt Gottes erinnert. So gesehen entsprechen die großen Osterfeuer nicht ganz der Sprache des Evangeliums, sondern eher die kleinen Kerzen in der Hand von Menschen, die noch durch’s Dunkel gehen; der Kirchenraum, in dem das Osterlicht von einem zum anderen weitergeht. Auferstehung als kleines Licht im Dunkeln, und doch erfüllt schließlich das Licht den ganzen Raum.

Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Staudacher: Das mit den Wunden: Wir werden nicht einfach die Geschichte hinter uns lassen. Unsere Geschichte wird von Gott so persönlich vollendet, dass uns alle Tränen abgewischt werden. Es ist interessant, dass dieser Satz aus dem Alten Testament in der Apokalypse zweimal wiederkehrt, diese liebevolle Zuwendung Gottes zu den Schmerzen der Menschen. Es geht nicht darum, dass wir endlich aus der Geschichte draußen sind; das war das Römische, auch zum Teil das Griechische. Es geht um Erlösung der Geschichte, um Heilung aller Wunden, um Abwischen aller Tränen, um die Vollendung dessen, was war. Dazu braucht es auch das Gericht, d. h. es muss auch das Negative als solches erst gereinigt werden. Das ist mir in der Begegnung mit Trauernden und Betroffenen wichtig: dass Auferstehung unsere Tränen, unseren Schmerz und all unser Zerbrechen aufhebt und erlöst. Das erkennen wir an den Wunden Jesu.

Interview: Georg Haab

 

Zur Person:

Johannes Staudacher, geboren 1954, in Nötsch im Gailtal aufgewachsen. Seit 1978 Seelsorger, seit 2005 mit dem Schwerpunkt „Trauerbegleitung“. Der Pfarrer von Klein St. Veit ist zusätzlich geistlicher Begleiter der Gemeinschaft „Glaube und Licht“ und Gehörlosenseelsorger.