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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Jerusalem: Menschen wollen Frieden

Markus Stephan Bugnyar, Rektor des Österreichischen Hospizies in Jerusalem, im SONNTAG-Gespräch

Der Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem über die aktuelle Lage im Heiligen Land, US-Präsident Trump und die Möglichkeiten des Hospizes als Begegnungsstätte der Religionen

Markus Stephan Bugnyar, Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, im SONNTAG-Interview über die aktuelle Lage im Heiligen Land, US-Präsident Trump und die Möglichkeiten des Hospizes als Begegnungsstätte der Religionen. (© Foto: Österreichisches Hospiz in Jerusalem / Wikimedia)
Markus Stephan Bugnyar, Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, im SONNTAG-Interview über die aktuelle Lage im Heiligen Land, US-Präsident Trump und die Möglichkeiten des Hospizes als Begegnungsstätte der Religionen. (© Foto: Österreichisches Hospiz in Jerusalem / Wikimedia)
Rektor Bugnyar: “Das heiße Eisen Jerusalem schmieden“ (© Foto: wikimedia)
Rektor Bugnyar: “Das heiße Eisen Jerusalem schmieden“ (© Foto: wikimedia)

Jerusalem ist Ihre zweite Heimat. Wie ist derzeit die Stimmung in dieser Stadt?
Bugnyar: Seit 15 Jahren lebe ich nun schon in Jerusalem und im Heiligen Land. Es gibt wieder diese Aufs und Abs, je nach politischer Stimmungslage. Dieses Mal ist es erstaunlich ruhig geblieben, obwohl viele bereits eine neue Intifada heraufziehen sahen. Einige Demonstrationen, einige Verletzte auf beiden Seiten, aber kein neuer Straßenkrieg. Das wird auch sehr wahrscheinlich so bleiben. Die Menschen sind müde und wollen endlich Frieden.

Wie beurteilen Sie die Entscheidung von Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen?
Bugnyar: Präsident Trump hat im Grunde ein altes Gesetz aktiviert, das seine Vorgänger nicht bereit waren zu unterschreiben. Anders als seine Vorgänger hofft er damit, wieder Bewegung in die Friedensgespräche zu bringen. Und offen gesagt, das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Jetzt haben wir das heiße Eisen Jerusalem am Tisch und es muss geschmiedet werden.

Zu den Palästinenser-Protesten hört man divergierende Stimmen: Die einen sagen, die Hamas sei einfach eine Terrororganisation. Andere sagen, Trump habe bewusst Ausschreitungen provoziert. Was stimmt aus Ihrer Sicht?
Bugnyar: Beides ist meines Erachtens nach falsch und kurzsichtig; so sieht das vielleicht jemand von außen. Die Hamas – und genau das gibt ihr ja den Rückhalt in der Bevölkerung – kümmert sich auch um viele soziale Anliegen der Menschen hier; Schulen, Kindergärten, Witwen und Waisen. Und viele hier sind der Meinung, im Gegensatz zu anderen Parteien ist die Hamas nicht korrupt. Das kann ich freilich nicht überprüfen. Fakt ist aber, dass das viele Menschen hier so sehen.
Und ich weigere mich auch, in den Chor derer einzustimmen, die Trump einfach nur für einen Betriebsunfall der amerikanischen Demokratie halten. Als ob die Präsidenten nicht einen immens großen Beraterstab hätten. Die Ausschreitungen waren sicher vorhersehbar, sie gehören zum Repertoire der Politik an allen Orten der Welt. Trump hat in seiner Rede deutlich gesagt: Seine Entscheidung gibt den Konfliktparteien keine Lösungen vor, die müssen sie schon selber finden. Und das wichtigste Thema dabei ist sicher Jerusalem. Es ist wieder Bewegung in den Köpfen. Soll das schlecht sein? Ich denke nicht.

Das offizielle Israel begrüßt diesen Schritt der USA sehr. Wie sehen es die Israelis selbst?
Bugnyar: Für die Israelis ist das zwar eine nette Geste, aber nichts weltbewegend Neues. Für sie war immer schon Jerusalem ihre Hauptstadt. Das Leben nimmt seinen gewohnten Gang. Die Dankplakate in den Straßen Jerusalems haben eher damit zu tun, dass unser Bürgermeister hier freilich auch ein wenig Lob bekommen will. Schließlich war er es, der noch einmal Trump um diese Anerkennung gebeten hat.

Das Heilige Land kommt einfach nicht zur Ruhe. Was wären notwendige Schritte, um endlich Frieden zu stiften?
Bugnyar: Wohlstand und Sicherheit sind die beiden wichtigsten Begriffe hier. Israel braucht Sicherheit, auch für seine eigene Existenz, und den Palästinensern muss eine nachhaltige wirtschaftliche Perspektive geboten werden. Wenn sich hier Resignation und Müdigkeit breit machen und dann den Boden für Terror bereiten, dann deshalb, weil viele Menschen von dem Wenigen, das sie haben, nicht menschenwürdig leben können. Ich erinnere mich gut an meine Studentenzeit hier Ende der 90er-Jahre. Das waren andere Zeiten. Wenn Menschen Jobs haben, Perspektiven, die Kinder Bildung, setzt man sich auch eher zusammen, um über strittige Punkte zu reden.

Jerusalem ist die Heilige Stadt dreier Religionen. Gibt es so etwas wie einen „interreligiösen Alltag“ in der Stadt? Oder lebt man einfach nebeneinander?
Bugnyar: Angehörige der drei Religionen begegnen einander in den Straßen, das fällt uns gar nicht großartig auf. Es sei denn, dass gerade orthodoxe Juden neben einem Christbaum zu stehen kommen, dann poste ich halt ein Foto auf meiner Facebook-Seite. Wirklich entscheidend ist die Frage nach dem Religionsbekenntnis eigentlich nur, wenn ich wissen will, welcher Supermarkt gerade offen hat.

Spüren Sie Auswirkungen auf die Jerusalem-Pilger? Waren zu Weihnachten weniger Gläubige im Heiligen Land als sonst - und sind die Sicherheitsvorkehrungen größer?
Bugnyar: Weihnachten ist noch nie eine Hauptreisezeit gewesen; die meisten Pilger sind an diesen Feiertagen gerne im Kreis der Familie und zu Hause. Aus den leeren Straßen auf eine neue Gewalt- und Angstwelle zu schließen, verbietet sich also. Wir sehen in den Straßen mehr Uniformierte als sonst, ja; aber die sehen wir mittlerweile auch in Wien und Berlin.

Was kann eine Institution wie das Österreichische Hospiz in der gegenwärtigen Situation leisten und wo sehen Sie die Grenzen?
Bugnyar: Dazu lassen sich mehrere Punkte nennen: Wir schaffen Arbeitsplätze und geben so ein Einkommen für das tägliche Auskommen für beinahe 30 Menschen. Wir konnten hier einiges bewegen. Unser Haus steht Juden, Christen und Muslimen gleichermaßen offen. Hier kommt es zu unverhofften Begegnungen und Gesprächen, die man an anderen Orten schwer unterbringen könnte. Unsere Akademie arbeitet mit interreligiösen Gruppen im Land zusammen, denn gerade die Altstadt von Jerusalem ist für uns alle das zentrale Zuhause, an dem sich über Gemeinsamkeiten und Trennendes sprechen lässt. Und unser musikpädagogisches Programm beherbergt Meisterkurse für talentierte Kinder und Jugendliche; auch hier kommen Palästinenser und Israelis abseits der Politik gern zusammen. In der besten Tradition des Wortes sind wir hier neutraler Boden für Begegnungen.

Die Israelische Siedlungspolitik wird heftig kritisiert. Wie beurteilen Sie die Ausweitung in Richtung der Palästinensergebiete?
Bugnyar: Bei diesen Themen lohnt sich ein genaues Hinsehen. Wo sind diese Siedlungen? Ist es herrenloses Land oder ist es enteigneter Boden und wenn ja, aufgrund wovon? Sind es neue Siedlungen, sind es illegale Siedlungen, reden wir von Zuwächsen aufgrund des Bevölkerungswachstums in schon bestehenden Siedlungen oder von völlig neuen? Beim Wort „Siedlung“ einfach in Aggression zu verfallen, hilft nicht weiter. Nicht jeder, der sich zu diesen Themen zu Wort meldet, hat auch wirklich Ahnung, wovon er redet. Aber leider verleitet Unwissenheit selten jemanden zum Schweigen.

Was wünschen Sie sich für das Österreichische Hospiz und für das Heilige Land?
Bugnyar: Wir bauen in diesem Jahr das Gästehaus endlich fertig. Die Kapazitäten, die eigentlich schon vor 160 Jahren geplant waren, wurden nie erreicht. Wir schaffen in diesem Jahr, was die Wirren der Geschichte bislang unmöglich gemacht haben. Darauf dürfen wir zurecht stolz sein. Aber all das wird nur gehen, wenn uns und allen Menschen hier Frieden geschenkt wird.