Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Im Hier und Jetzt ein gutes Leben

Friesach im Wandel

Das Team vom Kost-Nix-Laden mit Edeltrude Linhart und Sladana Kerschbaumer (© Foto: I. Jakl)
Das Team vom Kost-Nix-Laden mit Edeltrude Linhart und Sladana Kerschbaumer (© Foto: I. Jakl)

Blick auf die Uhr: „In zehn Minuten sperren wir auf“, sagt Edeltrude Linhart und platziert die Teekanne mit Schwung auf den Ladentisch. Tassen und Teller hat sie schon gerichtet, während Sladana Kerschbaumer noch schnell die letzten Blusen und Pullis ins Regal räumt. „Für heute sind wir gerüstet“, sagt sie und blickt sich noch einmal prüfend im Geschäft um. Alles ist sortiert und fein säuberlich geschlichtet oder hängt auf Bügeln und wartet darauf, abgeholt zu werden.

Vor der Eingangstür haben sich schon einige Leute versammelt, die interessiert die Auslagen betrachten. „Was gibt es heute, was ist neu, was lädt zum Mitnehmen ein?
Es ist Freitag, 15 Uhr, und der „Kost-Nix-Laden“ vis-à-vis der Gemeinde in Friesach öffnet seine Tore. In Windeseile ist der Geschäftsraum gefüllt mit Interessierten. Peter und Maxi haben einige Spiele aus ihrem Kinderzimmer mitgebracht. „Die brauchen wir nicht mehr“, erklären sie. Aber im Tausch wollen sie schauen, was sie dafür mitnehmen können. Kerschbaumer kennt die meisten Besucher beim Namen und springt helfend ein. Die beiden Buben werden fündig und tragen stolz ein Gesellschaftsspiel nach Hause. „Das wird heute noch ausprobiert“, erzählen sie.


Martha sucht eine Jacke. Die Mindestrentnerin muss auf jeden Cent schauen und kommt regelmäßig vorbei. „Hier finde ich meist ein Kleidungsstück. Und dann treffe ich hier immer noch Bekannte zum Plaudern.“ Für Martha sehr wichtig, denn einen regelmäßigen Kaffeehausbesuch kann sie sich nicht leisten.


Einige Straßen weiter räumt gerade Gerald Kerschbaumer knuspriges Baguette und Marzipan sowie Salat, Karfiol und anderes Gemüse ins Regal. Hier, in der Bahnhofstraße 2, werden Lebensmittel angeboten, die von Bäckereien, Supermärkten und verschiedenen Spendern kostenlos zur Verfügung gestellt werden. „Es geht darum“, erklärt Kerschbaumer, „überschüssige Lebensmittel, die noch genießbar und verwertbar sind, nicht zu entsorgen, sondern gezielt zu verwerten.“ Jeder kann hier vorbeikommen und in Haushaltsmengen mitnehmen, was er braucht. „Wir haben Kunden, die kommen jeden Mittwoch und Freitag vorbei“, berichtet Leo Siegel.
Häufig haben sie zuvor im „Kost-Nix-Laden“ vorbeigeschaut, und auf dem Rückweg wird dann noch im kleinen Laden, einer ehemaligen Bäckerei, „eingekauft“.
Alles ist kostenlos, betont Kerschbaumer. Es gehe darum, Lebensmittel zu retten und zu teilen. „Wir sagen der Ressourcenverschwendung den Kampf an“, lautet die Devise.


Lebensraum lebenswert gestalten
Das sind nur zwei Beispiele von „Friesach im Wandel“, einem Gemeinschaftsprojekt von rund 60 ehrenamtlich engagierten Personen.
Als vor einigen Jahren der Verkauf des Dominikanerklosters anstand, kam in die Friesacher Bürgerschaft erstmals Bewegung, sagt der Obmann von „Friesach im Wandel“, Leo Kudlicka. Die Betroffenheit und auch die Sorge ließen Menschen zusammenfinden, die sich zur Aufgabe gemacht haben, ihren Lebensraum lebenswert zu gestalten und damit zu erhalten. Ziel war und ist, alle Personengruppen, ob jung oder alt, großoder klein, hiesig oder zugereist, mit einzubinden.
„Wir haben diskutiert, geredet, Pläne entworfen und wieder verworfen und schließlich mit viel Enthusiasmus den ,Kost-Nix-Laden, aus der Taufe gehoben.“ Ein Team von Ehrenamtlichen ist für das Geschäftslokal verantwortlich und sorgt mit einem exakt erstellten Monatsplan für den reibungslosen Ablauf. Der Lebensmittelladen kam rasch dazu. Und weil inzwischen immer mehr Leute mitmachen, fließen auch neue Ideen mit hinein. „Eine davon sind die Nisthilfen für Wildbienenarten“, erklärt Egon Koller. Ziel dieses Projektes ist, die Bevölkerung mit dem Thema Wildbienen in Kontakt zu bringen, das Wissen um ökologische Zusammenhänge zu fördern und die Mitbürger für die Notwendigkeit zu sensibilisieren, solche Lebensgemeinschaften auch im eigenen Interesse zu schützen.


Weiter hinzugekommen ist das Projekt „Klostergarten“ auf dem Gelände des ehemaligen Dominikanerklosters sowie der Sortenerhaltungsgarten und der Mittelaltergarten. Es geht um das gemeinschaftliche Gärtnern, aber auch Ernten und natürlich um den gedanklichen Austausch, erläutert Kudlicka. Mit „Annis Garten“ wurde im vergangenen Jahr der erste interkulturelle Garten initiiert. Aus einer Brachfläche entstand so ein blühendes Miteinander.
So viel Engagement bleibt nicht unbeobachtet. Im Jahr 2017 kamen Interessierte aus ganz Österreich extra nach Friesach gereist, um sich hier vor Ort umzusehen, in Gesprächen mit den Ehrenamtlichen Einblicke zu erhalten und, wenn möglich, diese daheim umzusetzen. „Wir machen viele kleine Schritte, aber immer gemeinsam“, hebt Kudlicka die Friesacher Vorgehensweise hervor.


Und das wurde auch im Rahmen der „Tage der Zukunft 2017“ in Arnoldstein mit der Vergabe des „Planetary Award“ gewürdigt. Das Institut für Zukunftskompetenzen, das diese Veranstaltung organisiert, zeichnete den Verein mit diesem wertvollen Preis aus. So ist es auch verständlich, dass „Friesach im Wandel“ seine Internationalisierung mit „Transition Town Friesach“ erfährt. „In unserer regionalen Transition-Initiative werden nachhaltige Modelle, Ideen und Projekte für ein zukunftsfähiges Leben sowohl diskutiert, als auch erfolgreich umgesetzt. So entsteht ein Netzwerk von Menschen, die nachhaltig daran arbeiten, im Hier und Jetzt ein gutes Leben für uns alle zu gestalten und dadurch andere zu inspirieren“, freut sich Obmann Kudlicka.
Die Ideen für das laufende Jahr warten bereits auf ihre Umsetzung. „Wir alle sind auf einem guten Weg, den wir weiterhin gemeinsam und hoffentlich auch erfolgreich fortsetzen wollen.“

Kost-Nix-Laden,
Öffnungszeiten:
Freitag: 15.00 bis 19.00 Uhr
Samstag: 9.00 – 12.00 Uhr

Lebensmittel retten & teilen
Öffnungszeiten: Mittwoch 18:00 Uhr und Freitag 16:00 Uhr

Wer mitmachen möchte: Ansprechpartner:
Leo Kudlicka, Tel.: 0676/ 8772-2450
Sladana Kerschbaumer, Tel.: 0650/ 3890202
E-Mail: ttfriesach@gmail.com