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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

„Ich hätte schon früher pilgern sollen“

Von Lavamünd aus

Kürzlich ist Benito Cimenti von seiner Pilgerwanderung nach Maria Einsiedeln in der Schweiz zurückgekommen. Der Lavanttaler ist von Lavamünd aus die 800 Kilometer zu Fuß unterwegs gewesen. Es war nicht seine erste Pilgerstrecke. von Ingeborg Jakl

Benito Cimenti mit seiner Compostela, der Pilgerurkunde aus Spanien. (© Foto: Jakl)
Benito Cimenti mit seiner Compostela, der Pilgerurkunde aus Spanien. (© Foto: Jakl)

Nirgends ein Schild oder ein Wegweiser. Benito Cimenti blickt sich suchend um. Wo geht der Weg weiter? Ein freundlicher Schweizer interpretiert seinen Blick richtig und eilt helfend herbei. In gepflegtem Schwyzerdütsch erklärt er ihm, wie es jetzt rasch nach Maria Einsiedeln geht. „Da vorne links und dann gleich auf die Autobahn!“
Cimenti schmunzelt noch heute, wenn er daran denkt. Der freundliche Helfer wollte ihn direkt auf die Autobahn lotsen. Dabei war er doch, mit Rucksack auf dem Rücken, als Pilger unterwegs. Für den motorisierten Schweizer nicht nachvollziehbar. Besonders, als Benito ihm erzählte, dass er zu Fuß aus Kärnten komme und jetzt auf den letzten Kilometern sei.
Das Kloster Einsiedeln mit seiner traditionsreichen Benediktinerabtei ist der bedeutendste Wallfahrtsort der Schweiz. Eine Stätte der Kultur, Bildung und Begegnung seit über tausend Jahren, sagt Cimenti, und deshalb habe er im August beschlossen, sich von Lavamünd aus auf den Weg zu machen. Zugleich liege Einsiedeln am Jakobsweg nach Spanien, und den „Camino“ hatte er in seiner ganzen Länge bereits im Jahr 2013 erpilgert. Als er heuer am 8. August mit dem Rucksack auf dem Rücken die Haustür hinter sich schloss, standen seine Kinder, Alexandra, Peter und Anton, zur Verabschiedung bereit. „Ich würde mir das nie zutrauen“, sagt Sohn Peter, und auch die beiden anderen schauten ihrem Vater mit ein wenig gemischten Gefühlen hinterher.
Einfach mal weg
„Ich gehe einfach los, wenn es mir einfällt“, erzählt Cimenti. „Da habe ich keinen festen Plan. Es geht immer so weit, wie ich es schaffe.“ Wichtig seien für ihn die Tagesverfassung und natürlich ein perfekt gepackter Rucksack. „Mehr als 15 Kilogramm habe ich nicht dabei.“
Tagesetappen bis zu 60 Kilometer sind bei ihm keine Seltenheit. „Aber meistens gehe ich 30 Kilometer.“ Benito Cimenti ist kein Leistungssportler, das muss hier einmal gesagt sein. Cimenti ist ein Pilger, der aus einem inneren Antrieb heraus aufbricht. „Ich gehe immer allein, da kommt man bei jedem Schritt zu sich selbst. Und findet zu Gott“, ist er überzeugt. „Pilgern macht dich manchmal kaputt, baut dich aber stets wieder auf. Es nimmt Kraft und gibt sie kraftvoll zurück“, ist er überzeugt.
Training? Ein mildes Lächeln vom Pilger. „Nein!“ Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass Benito Cimenti jeden Sonntag von Lavamünd aus nach St. Paul in den Gottesdienst geht. Sommer wie Winter, bei jedem Wetter. Die Strecke ist zwölf Kilometer lang. Zurück gibt es dann die gemeinsame Fahrt mit der Familie im Auto.
Aber ansonsten geht es in seinem Leben eher ruhig zu. Der gelernte Mechaniker, der im Jahr 1974 das Lavamünder Unternehmen „Cimenti Reisen“ gründete, war als Busfahrer mit vielen Reisegruppen in fast ganz Europa unterwegs. „Ich habe eigentlich immer hinter dem Lenkrad gesessen“, sinniert er. Heute, schon lange in Pension, ist sein liebstes Hobby das Schrauben und Hantieren an alten Motorrädern. Gerade hat er eine alte Vespa komplett zerlegt. „Die wird jetzt wieder zusammengebaut und dann fahre ich damit.“ Das Lavanttal bietet genügend interessante Strecken für Zweiräder, erklärt er.
Benito Cimenti ist vor vier Jahren zum ersten Mal zu einer Pilgerwanderung aufgebrochen. Der Jakobsweg, so hatte er gehört, solle ganz wunderbar sein. Viele, die ihn gegangen sind, sind nicht nur begeistert, sondern quasi als andere Menschen zurückgekommen.
Von Ballast befreit
Cimenti war auf der Suche nach einer Herausforderung? Er weiß es nicht so genau. Der Tod seiner Ehefrau hatte ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Er fühlte sich leer und ausgebrannt. Die Idee, den Jakobsweg zu gehen, war plötzlich in seinem Kopf und nicht mehr wegzudrängen. „Ich bin nach Pamplona geflogen und dann mit dem Bus nach Saint-Jean-Pied-de-Port gefahren.“ Er spricht ein wenig Französisch, Englisch, Italienisch und Spanisch, und das hat unterwegs stets gereicht. In den Pyrenäen ging es los, jeden Tag eine Etappe, immer das Ziel, Santiago de Compostela, vor Augen. „Auf dem Weg bin ich regelrecht aufgeblüht.“ Das hat auch Enkel Georg bemerkt, der dem Opa hinterher flog und ihn ab der Hälfte der Strecke begleitete. Da war Benito Cimenti schon ein erprobter Caminopilger. Er hatte sich von dem überschüssigen Ballast des Rucksacks getrennt, viel Kraft getankt und auch gute Freunde gewonnen. „Einen Schotten, einen Italiener und ein französisches Ehepaar, zu denen ich heute noch Kontakt habe.“ Am Kap Finisterre wurde traditionell ein getragenes Kleidungsstück verbrannt, und mit der „Compostela“, dem Pilgerausweis, sowie der Erinnerung aus dem Gottesdienst in der Kathedrale in Santiago ging es heim. „Ein anderer Mensch bin ich geworden“, erzählt Cimenti. „Ich bin im Glauben gestärkt zurückgekommen.“
Frohen Mutes suchte er gleich das nächste Ziel: Rom. „In Tarvis ging es los.“ Wieder lagen rund 800 Kilometer zu Fuß vor ihm und die Erkenntnis, dass eine Pilgerwanderung etwas ganz Besonderes ist, weil sie mithilft, zu sich selbst zu finden. „Unterwegs, wenn man allein einen Schritt vor den anderen setzt.“ Sein Fazit: „Ich hätte früher schon pilgern sollen!“ Ein neues Ziel hat Cimenti schon. „Wenn ich gesund bleibe, pilgere ich nächstes Jahr nach Medjugorje.“
Aber jetzt ist erst einmal Familienleben angesagt: Urenkel Jakob Benito ist gerade drei Wochen alt geworden. Und Urgroßvater Benito Cimenti ist 81 Jahr „jung“!