Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Die Menschen als Menschen wahrnehmen

Caritas-Direktor Josef Marketz im SONNTAG-Gespräch

Der Caritas-Direktor spricht zum Festtag der hl. Elisabeth über Armut im Inland, das große soziale Netzwerk der Pfarren und spirituelle Bedürfnisse.

Caritas-Direktor Josef Marktz im SONNTAG-Gespräch zum Festtag der hl. Elisabeth über Armut im Inland, das große soziale Netzwerk der Pfarren und spirituelle Bedürfnisse (© Foto: haab)
Caritas-Direktor Josef Marktz im SONNTAG-Gespräch zum Festtag der hl. Elisabeth über Armut im Inland, das große soziale Netzwerk der Pfarren und spirituelle Bedürfnisse (© Foto: haab)
Marketz: Arme Menschen brauchen eine aktive, nachgehende Seelsorge. (© Foto: haab)
Marketz: Arme Menschen brauchen eine aktive, nachgehende Seelsorge. (© Foto: haab)

Am 19. November wird das Fest der hl. Elisabeth begangen. Die Schutzpatronin der Caritas hat sich besonders der Armen angenommen. Was ist für Sie die Botschaft dieses Tages?
Marketz: Mir geht es zunächst darum, in der Gesellschaft das Bewusstsein zu unterstützen und zu stärken, dass wir Christinnen und Christen für Menschen in Not Mitverantwortung tragen. Als Caritas ist es uns ein besonderes Bedürfnis, dass der Gedanke der Diakonie noch stärker verbreitet wird. Von Papst Franziskus spüren wir einen starken Rückenwind.

Der Papst spricht von einer armen Kirche für die Armen ...
Marketz: Diese Dimension braucht die Kirche als Ganzes. Es reicht nicht mehr, dass die Kirche schön geschmückt ist, und wir eine gute Gemeinschaft bilden. Der Papst zeigt uns den anderen Weg: in jedem Menschen ein Abbild Gottes zu sehen, ihn würdevoll zu behandeln und ihm zur Seite zu stehen. Das ist heute entscheidend!

Kommt das vielfach zu kurz?
Marketz: Es geschieht schon sehr viel. Wir wollen die Pfarren in ihrem Engagement unterstützen und bestärken. Es ist mir aber auch wichtig, dass diese christliche Grundhaltung in den Pfarren gelebt und nicht auf die Caritas als Organisation eingeschränkt oder gar abgeschoben wird.

Aber manchmal braucht es einfach die große Organisation als Unterstützerin. Was wird seitens der Caritas angeboten?
Marketz: Zunächst möchte ich noch einmal betonen, dass die Pfarren ein Netzwerk sind, wo sehr viel an Gutem geschieht. Dafür bin ich sehr dankbar. Wir können ja nicht in jeder Pfarre strukturell verankert sein. Es ist mir etwa ein großes Anliegen, im Vorfeld der Pfarrgemeinderatswahl auf die soziale, caritative Dimension der Kirche hinzuweisen. Wenn es dann um weiterführende rechtliche Fragen geht oder um operative Hilfe, unterstützen wir die Pfarren gerne. Es geht ja darum, gemeinsam Lösungen zu finden.

Sie bitten rund um das Fest der hl. Elisabeth in den Pfarren um Spenden. Auch dieser Ausgabe des „Sonntag“ liegt ein Erlagschein bei.
Marketz: Natürlich brauchen wir auch die Mittel, um helfen zu können, um Projekte zu finanzieren. Aber unsere Aufgabe sehe ich weitergehend. Wir müssen auch da-  rauf hinweisen, wo es Menschen gibt, die in Armut leben oder armutsgefährdet sind. Für diese Menschen haben wir Angebote. Für sie sammeln wir.

Wie beurteilen Sie aus der Erfahrung der Caritas die Entwicklung der Armut in Kärnten?
Marketz: Ich fürchte, dass es in Zukunft noch mehr Arme geben wird. Die Arbeitslosigkeit wird ansteigen. Wir suchen nach kompetenten Antworten und Lösungen. Ein Projekt, das wir demnächst eröffnen, ist Magdas Lokal. Damit wollen wir Menschen den Eintritt in das Arbeitsleben ermöglichen.

Aber viele schaffen das trotz Hilfe nicht. Warum ist das so?
Marketz: Es gibt Menschen, die das aus verschiedenen Gründen einfach nicht schaffen. Das kann Mangel an Bildung sein oder Drogenabhängigkeit, die in Klagenfurt dramatisch zunimmt. Unsere Aufgabe ist es, diesen Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen.

Wie spüren Sie in Ihren Einrichtungen die steigende Armut im Land?
Marketz: Wir merken eine starke Zunahme der Nachfrage in den Kleiderläden, bei der Lebensmittel-Verteilung oder im Egger-Heim, wo Obdachlose ein Dach über dem Kopf und Betreuung finden. Das betrifft in erster Linie Inländer. Ich fürchte, dass diese Situation noch schlimmer wird. Wir wissen von vielen, dass sie sich gerade noch eine billige Wohnung leisten können. Wenn das aber nicht mehr geht, stehen auch sie auf der Straße.

Die Caritas hilft. Wäre das aber nicht auch eine Aufgabe der Politik? Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation in Kärnten?
Marketz: Die finanzielle Situation in Kärnten ist nicht einfach, aber wir wissen jetzt, wie es weitergeht. Daher wünsche ich mir von der Politik, dass im Sozialbereich nicht nur die Budgetzahlen gesehen werden, sondern die Menschen, die dahinter stehen und Hilfe brauchen. Die Politik weiß schon, dass sie ohne Caritas, Diakonie und andere soziale Träger in dieser Frage nicht weiterkommt. Wir brauchen aber rechtliche Rahmenbedingungen, dass jeder Mensch in Würde leben kann.

Als Christen sind wir überzeugt, dass zum Leben in Würde mehr gehört als materielle Absicherung.
Marketz: Wir spüren deutlich, dass die Menschen, die zu uns kommen, mehr brauchen als ein Dach über dem Kopf und ein warmes Essen pro Tag. Sie brauchen auch spirituelle Hilfe und sind sehr offen dafür. Ich war kürzlich mit einigen Obdachlosen vom Egger-Heim in Rom, wo Papst Franziskus zur Armenwallfahrt eingeladen hat. Auch das ist ein Angebot der Caritas.

Wie kommt man aber an diese Menschen heran?
Marketz: Diese Menschen brauchen eine aktive, nachgehende Seelsorge. Sie trauen sich am Sonntag gar nicht in die Kirche. Mich hat die Geschichte eines kanadischen Bischofs sehr erschüttert, der in seiner Heimatstadt zwei Tage lang auf der Straße gebettelt hat. Er erzählte danach, dass er genug Geld gesammelt hat. Doch niemand erkannte ihn, weil ihn die Leute nicht angeschaut haben. Die Menschen schauen nicht auf die Armut hin, sondern wenden sich ab – selbst dann, wenn sie etwas geben. Es geht also darum, die Menschen als Menschen wahrzunehmen.