
„Moneyismus - der naive Glaube an Geld“
Vortrag von Paul Kellermann
In der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft erhielt Geld in Tausenden von Jahren eine dominante Orientierung im Handeln der Menschen. Denken in Geld beherrscht zunehmend die zu treffenden Entscheidungen im persönlichen Leben, in Partnerschaften, Familien, Betrieben, öffentlichen Institutionen, Regierungen und multinationalen Organisationen. Das Denken in Geld - Preis, Kosten, Gewinn, Schulden, Rendite, Dividende, Zölle, Sparen, Budget - zeigt eine exemplarische Umsetzung der überlieferten Forderung von Galileo Galilei (1564-1642): Messen, was messbar ist und messbar machen, was nicht messbar ist. Qualitäten werden in Quantitäten übersetzt. Aus mehrdimensionaler Wirklichkeit wird eindimensionales Messen.
Man glaubt, Geld reduziere die Komplexität der Realität. Logischerweise kann die Komplexität der Realität nicht durch Geld reduziert werden, aber das Denken über die Vielgestaltigkeit der Realität. Man zahlt und alles Nachdenken über die Umstände des Entstehens einer Ware stellt sich nicht mehr. Je umfassender der Geldgebrauch ist, desto abstrakter wird das Verständnis von Geld, bis überhaupt nicht mehr über Geld nachgedacht wird. Im Alltagsbewusstsein wird Geld sogar verabsolutiert und personifiziert; es wird ihm Handlungsfähigkeit zugeschrieben, als würde es aus sich heraus etwas tun. Weitverbreitet sind die Sprüche „Geld verdirbt den Charakter!“ oder „Geld schläft nie!“ Banken werben mit dem Slogan „Lass dein Geld für dich arbeiten!“ „Es gibt so gut wie nichts, was Geld nicht vermag.“ (Axel Paul 2002) Oder gar: „Je abstrakter das Geld, desto mehr denkt das Geld anstelle des Tauschsubjekts. Es handelt aus ihm heraus, das Subjekt durchaus in der Illusion belassend, noch in vollem Bewusstsein handeln zu können.“ (Aldo Haesler 2002) Es gilt, sich bewusst zu machen, dass Geld gar nichts tut, sondern dass es immer Menschen sind, die in ihrem Verständnis oder Unverständnis von Geld handeln – also nicht Denken in Geld, sondern Nachdenken über Geld!
Paul Kellermann: Soziologe, emeritierter Professor der Universität Klagenfurt