Bibel als Bibliothek

Apostolischer Administrator Bischof Werner Freistetter über die Bedeutung der Heiligen Schrift für sein Leben

Mein erster Zugang zur Hl. Schrift war eine Bibel für Kinder. In der Volksschule war sie eines meiner Lieblingsbücher, und sie hat mich noch einige Jahre begleitet. Besonders die Geschichten aus dem Alten Testament haben mich fasziniert. Ich habe damals schon viel und gern gelesen, besonders Erzählungen von Abenteuern und Helden, wie sie in Sagen aus der Antike oder dem Mittelalter überliefert sind. Ich denke, in dieser Zeit meiner Kindheit und Jugend hat sich anfangs auch die Bibel in den Reigen dieser Bücher eingefügt. Und es gibt ja in dieser Hinsicht gerade im Alten Testament viele Erzählungen von Männern und Frauen, die mit Gottes Hilfe große Taten vollbringen.

Bischof Freistetter feierte im Gurker Dom das Hochamt zum Hochfest “Mariä Himmelfahrt“. Foto: Kickmaier/Pfarre Gurk
Bischof Freistetter feierte im Gurker Dom das Hochamt zum Hochfest "Mariä Himmelfahrt". Foto: Kickmaier/Pfarre Gurk

Zeugnis der Geschichte Gottes

Natürlich habe ich im Laufe der Zeit gelernt, die Bibel nicht nur aus dieser Perspektive zu lesen, sondern sie als Zeugnis der Geschichte Gottes mit uns Menschen und als sein Wort an uns zu begreifen. Hilfreich war dann später eine Ausgabe der Hl. Schrift mit Kommentar, besonders aber die Predigten unseres Pfarrers, der dann im Gymnasium mein Religionslehrer war.

Lesen im Kontext von Zeit und Kultur

Er hat uns Schülern vermittelt, wie wichtig es ist, beim Lesen der Bibel auf die Zeit und die Kultur zu achten, in denen die Schriften des Alten und des Neuen Testamentes entstanden sind. Denn die Bibel ist ja eine ganze Bibliothek, in der sich Bücher und Schriften aus vielen Jahrhunderten befinden. Dies betrifft auch die Zeit und die Umwelt Jesu, denn zunächst hat er zu den Menschen seiner Zeit gesprochen und sich dabei mit Worten und Bildern ausgedrückt, die damals geläufig waren und die uns dennoch über die Jahrhunderte hinweg auch heute ansprechen.

Verschiedene Wege der Annäherung an die Hl. Schrift

Während meiner Vorbereitung auf den Beruf des Priesters ist die Bibel als Bibliothek Apostolischer Administrator Bischof Werner Freistetter über die Bedeutung der Heiligen Schrift für sein Leben Autor: Werner Freistetter Militärbischof Dr. Werner Freistetter ist Apostolischer Administrator der Diözese Gurk. werner.freistetter@kath-kirche-kaernten.at Jahrbuch2020.indb 32 04.10.19 11:07 Jahrbuch der Diözese Gurk 2020 33Schwerpunktthema Hl. Schrift des Alten und Neuen Bundes dann in den Mittelpunkt meines Lebens gerückt. In dieser Zeit lernte ich viele mögliche Wege kennen, um sich der Botschaft der Bibel zu nähern: Methoden der wissenschaftlichen Auslegung, meditatives Lesen, Betrachtung und Austausch in der Gruppe, Vorbereitung auf die Predigt usw. Besonders wichtig war mir die Einbettung der Hl. Schrift in die Feier der Liturgie, in die Hl. Messe, aber auch in das Stundengebet, wobei ich die Psalmen besonders lieben gelernt habe.

Krieg und Frieden in der Bibel

Eine Frage hat mich schon damals besonders beschäftigt, die Frage nach Krieg, Gewalt und Frieden in unserem Glauben, besonders in der Hl. Schrift. Ich bin ja Sohn eines Offiziers und habe selbst Wehrdienst geleistet. Wie umgehen mit den zahlreichen Stellen in der Bibel, die von Krieg und Gewalt handeln? Vor allem, wenn Gewalt nicht nur beschrieben, sondern offenbar dazu aufgerufen wird, manchmal sogar von Gott selbst?

Ermutigung zur Versöhnung

Hilfreich war dabei oft ein Blick auf die Zeit, die Gesellschaft, die Umwelt. Grundlegender aber war eine andere Einsicht: Die Hl. Schrift erzählt die Geschichte Gottes mit uns Menschen und deckt nichts zu. Unsere Welt ist vielfältig von Unrecht und Gewalt durchdrungen. In seiner Zuwendung zu uns aber führt Gott selbst uns heraus aus dieser Verstrickung und offenbart uns sein Reich der Versöhnung, der Liebe und des Friedens. Endgültig und unüberbietbar geschieht das in Tod und Auferstehung Jesu. Dies treibt gläubige Menschen dazu an, mitten in unserer unvollkommenen Welt unermüdlich Schritte zu Versöhnung und Frieden zu tun. Und dazu ermutigt und stärkt uns die Botschaft der ganzen Hl. Schrift.

Erstveröffentlichung in: „Lebensbuch Bibel“, Jahrbuch der Diözese Gurk 2020,
(Redaktion: Pressestelle der Diözese Gurk).