“Bitte, achte meinen Schmerz”

Wie kann ich Trauernden hilfreich begegnen?

von Mag. Johannes Staudacher, verantwortlicher Seelsorger für Trauerpastoral in der Diözese Gurk

Michelangelo Buonarotti; Detail Pieta, Petersdom (© Foto: foto: Stanislav Traykov, wikipedia)
Michelangelo Buonarotti; Detail Pieta, Petersdom (© Foto: foto: Stanislav Traykov, wikipedia)

"Bitte, achte meinen Schmerz"

Trauernde Menschen brauchen die Erfahrung, dass andere ihren Schmerz achten. „Verstehen“ ist oft nicht möglich, denn wer kann wirklich verstehen, was eine Mutter empfindet, deren Sohn von einem Ausflug nicht mehr heimkehrt? Wer kann wirklich verstehen, was eine Frau empfindet, deren Mann nach vielen Jahren Ehe sein Leben selbst beendet? Aber diesen Schmerz „achten“, ernst nehmen: das kann jeder, der einem Trauernden begegnet.


An Abenden zum Thema „Trauer“ bringen Betroffene auch ihre Erfahrungen zur Sprache. Sie erzählen dann, wie weh es tut, wenn andere ihnen den Schmerz ausreden wollen. Wenn Angehörige oder Freunde meinen, sie müssten ablenken vom tiefen Leid. Sie müssten Dinge sagen, die das Trauern jetzt im Moment leicht machen. Sätze wie. „Das Leben geht weiter... Für ihn ist es wohl eine Erlösung... Sie haben ja noch die Kinder...“ tun oft nur weh. Wer selber einmal einen Weg der Trauer gegangen ist, hat eher ein Gespür: hier ist etwas, was viel Zeit braucht. Hier ist etwas, das sein darf. Schmerz will geachtet und gewürdigt werden.

Ich möchte es so sagen: „Tröstlich ist zumeist nicht das, was wir sagen – sondern die Art und Weise, wie wir einem Trauernden begegnen.“ Das heißt unter anderem auch: wenn mir jemand schweigend zuhört, vielleicht auch seine Hand auf meine Hand legt – dann kann darin ein viel tieferer Trost sein, als würde er mir irgendwelche großen Dinge erklären.

Es darf weh tun
Hier müssen wir auch über die kirchliche Begräbnisfeier nachdenken. Die vorgesehenen Texte und Gebete enthalten viel „Trost“ im Sinne von Auferstehungshoffnung. Es liegt dann aber an denen, die das Begräbnis gestalten: auch der Schmerz braucht seinen Raum. Oft ist es die Ansprache, die Zeit der Erinnerungen, oft die Musik und das Stehen am Grab, wo Schmerz sein darf. Und nur durchlittener Schmerz liegt eines Tages hinter uns.

„Trauernde dürfen oft zu wenig sprechen – und Tröstende reden zu viel.“ Das ist auch eine Beobachtung aus dem Umgang mit trauernden Menschen. Die vermeintlich tröstenden Worte über das ewige Leben helfen nicht, wenn sie zur falschen Zeit kommen. Wer einen lieben, einen wichtigen Menschen verloren hat, möchte zuerst seinen Schmerz ausdrücken. Hier gilt das Wort aus dem Römerbrief: „Weint mit den Weinenden!“ Auch Jesus lässt die Emmausjünger zuerst von ihrer Not reden und erzählen.

Es gibt keine Liebe ohne Tränen
Den Schmerz achten, das heißt: den Verlust achten – und nicht gering schätzen. „Ja, das was Ihnen geschehen ist, ist etwas ganz Wichtiges und darf weh tun. Auch wenn Ihr Partner bereits über 90 Jahre alt war: mit seinem Tod ist etwas Schlimmes geschehen.“ Deshalb heißt „den Schmerz achten“ auch: die Liebe achten. Wenn für uns Christen „das Größte die Liebe“ ist, dann dürfen wir den Schmerz, den Trauernde erleiden, nicht wegwischen wollen. „Ich lasse meine Trauer nicht zudecken mit Krims und mit Krams“, sagt Dorothee Sölle einmal. Das Größte ist die Liebe und es gehört zur Liebe in unserer Welt, dass sie nicht ohne Tränen sein kann.