Ein Blick in die Geschichte: Das Mittelalter
Das Mittelalter ist eine Zeit vielfacher Umbrüche auch für die Entwicklung der Eucharistie. von Mag. Klaus Einspieler

Wann das Mittelalter beginnt, ist nicht genau zu bestimmen. Man kann nur im Nachhinein feststellen, dass es in bestimmten Epochen zu Umbrüchen gekommen ist, die nachhaltige Spuren hinterlassen haben. In der Geschichte der Eucharistie trifft dies vor allem für die Zeit der Völkerwanderung zu. Bis dahin war auf den Straßen der römisch geprägten Städte das Lateinische zu hören. Lesen und schreiben gehörte zu den Grundkompetenzen einer gebildeten höheren Schicht der Bevölkerung. Nachdem die Bibel bereits in die lateinische Sprache übersetzt war, wurde den Menschen das Wort Gottes in ihrer Sprache verkündet. Das Volk konnte also aktiv und tätig mitfeiern.
Völkerwanderung
Mit der Völkerwanderung änderte sich dies grundlegend. Auf dem Gebiet des römischen Reiches siedelten nun germanische und slawische Stämme. Sie mussten erst in einem mühevollen Prozess an das geschriebene Wort herangeführt werden. Allmählich entstanden kleinere Aufzeichnungen von Grundgebeten und Texten, wie etwa das Wessobrunner Gebet, ein frühes Denkmal der althochdeutschen Literatur, oder die Freisinger Denkmäler mit slowenischen Gebeten und einer Predigt. Die Eucharistie ist jedoch bereits zu einem entfalteten Geflecht von Texten und Gebeten geworden. Dafür fehlten bei den neuen Völkern zunächst die Voraussetzungen.
Verhüllung des Geheimnisses
So behielt man die lateinische Liturgiesprache bei. Sie war jedoch inzwischen für die meisten Menschen zur Fremdsprache geworden. Dies hatte Auswirkungen auf die Art des Feierns. Da immer weniger Leute verstanden, was in der Eucharistie gebetet wurde, sah man die Feier zunehmend als Werk des Priesters, dem das Volk im Idealfall andächtig beiwohnte. Zudem begann man schon in der ausgehenden Antike die kirchlichen Amtsträger im Lichte des alttestamentlichen Priestertums zu deuten. Der Gottesdienst wurde als heilige Handlung verstanden, deren Zentrum – das Geschehen am Altar – zu verhüllen und zu schützen ist. Mit der Zeit wurden daher Teile des eucharistischen Hochgebets nur mehr leise gesprochen. Der Altar rückte immer weiter weg vom Volk. Mit der Zeit wurde er durch hohe Schranken, später den Lettner oder Erhöhungen in der Kirche vom Schiff getrennt. Der Dom zu Gurk ist ein ausgezeichnetes Beispiel dieser Entwicklung.
Tabernakel
Dies prägte auch die Gestalt der Messfeier. Es entstanden nun zahlreiche Gebete, die der Priester für sich alleine zu sprechen hatte. Aus Furcht, den Leib des Herrn unwürdig zu empfangen, ging man nur mehr selten zur Kommunion. Ihren Platz nahm die Verehrung des Sakraments ein. Mit der Zeit wurde der Tabernakel nicht mehr in einer Nische der Seitenwand des Altarraumes verortet. Er rückte in der Gestalt des gotischen Sakramentshäuschens immer mehr ins Zentrum, bis er im Barock schließlich auf dem sogenannten Hochalter zu stehen kommt. Während also in der Antike die Anbetung Gottes durch die Teilnahme an der Feier betont wird, richtet sich die mittelalterliche Frömmigkeit immer mehr an der Frucht der Feier – der Schau und Anbetung des Leibes Christi aus.
(Die Feier der Eucharistie - Serie in der Kärntner Kirchenzeitung "Der Sonntag")