Der lachende Christus
Was wir von afrikanischen Gemeinden lernen können
von Andrea Schwarz

„Sag einmal“, fragte mich unser Pfarrer vor einiger Zeit, „kennst Du eigentlich Bilder mit einem lachenden Christus? Warum wird er immer so todernst dargestellt? Also, ich habe noch kein Bild gesehen, auf dem Jesus wirklich lacht!“ Ich dachte einen Moment nach … und musste ihm Recht geben. Ein lachender Christus? Nur ganz dunkel erinnerte ich mich an ein Bild aus einer Zeitschrift des Katholischen Bibelwerks in Stuttgart, irgendwann in den 90-er Jahren, eine kleine Zeichnung, auf der Jesus schallend lacht. Aber das war es dann auch schon …
Doch ich bin überzeugt davon, dass Jesus gelacht hat, dass er gerne und viel gelacht hat – auch wenn die Evangelien davon nichts ausdrücklich erzählen. Aber wenn er in allem uns Menschen gleich war außer der Sünde – warum sollte er dann nicht gelacht haben? Jesus hat Gefühle zugelassen. Er hat geweint beim Tod seines Freundes Lazarus, er war zornig, als er die Händler im Tempel, im Haus seines Vaters, sah, er war zärtlich zu den Kindern, die man zu ihm brachte. Und er hat geliebt – abgrundtief geliebt. Er hat Menschen berührt, die der Heilung bedurften, und er wurde im wahrsten Sinne des Wortes „handgreiflich“, um Menschen ins Leben zurückzurufen.
Wenig Humor in der Kirche.
Und ich kann mir gut vorstellen, dass er manchmal über seine Jünger geschmunzelt hat, wenn sie einmal wieder irgendetwas durcheinander gebracht haben – und dass er wahrscheinlich auch mal schallend gelacht hat, wenn es einen Grund dafür gab.
Dass es so gut wie keine Bilder mit einem lachenden Christus gibt, muss also eher an uns liegen. Und dass es so wenig Humor in unserer Kirche gibt, ist dann eigentlich nur eine logische Konsequenz daraus.
In Südafrika, wo ich derzeit die Hälfte des Jahres mit den Missionsschwestern vom Kostbaren Blut in Mariannhill zusammen lebe und arbeite, ist das anders. Im Gottesdienst am Heiligen Abend haben wir als Eingangslied gesungen „Joy to the world!“ – und wirklich mit Trommeln und Rasseln und voller Freude! In Deutschland und in Österreich singen wir eher „Stille Nacht, heilige Nacht“ – und sind ein bischen meditativ und versunken. Oder kürzlich eine Predigt in der Zulu-Messe in der Kathedrale hier: Die dauerte eine halbe Stunde (die Predigt!), aber dreimal brachte der Priester die Gemeinde so zum Lachen, dass sogar ich mitlachen musste, obwohl ich kein Wort verstanden hatte!
Frohe Botschaft als Lebensprogramm.
Manchmal scheint es mir so, als ob für die Menschen hier die Botschaft unseres Glaubens wirklich noch eine „Frohe Botschaft“ ist – wir sind erlöst, wir sind befreit, wir sind eingeladen zum Leben! Und das singen und lachen sie regelrecht hinaus!
Für uns in Europa scheinen „Glaube“ und „Kirche“ eher zur Last geworden zu sein – und das merkt man uns manchmal auch an. Wir denken darüber nach, wir organisieren und verwalten unseren Glauben, wir perfektionieren das System. Und dann gibt es noch eine Arbeitshilfe zur Strukturreform und noch einen Fragebogen und noch einen Hirtenbrief.
Verplantes Leben versus heitere Gelassenheit.
Könnte es sein, dass „Glauben“ und „Gott“ und „Kirche“ immer dann schwer und ernst werden, wenn wir uns selbst zu wichtig nehmen? Wenn wir denken, dass „Erlösung“ von uns abhängt? Klar, dann wird die Last heftig und schwer. Aber eigentlich sind wir schon längst erlöst – in Jesus Christus hat der Himmel Fuß gefasst auf der Erde, das Reich Gottes hat schon begonnen!
Okay – es gibt schon noch ein bisschen was für uns zu tun. Gott kann schließlich nicht überall sein – und er braucht unsere Hände und unsere Füsse. Aber es kommt darauf an, wie wir es tun – ob wir es aus einer heiteren Gelassenheit heraus tun, voll Zuversicht, mit einem Schmunzeln auf den Lippen, der Hoffnung vertrauend, die Erlösung lebend! Und dann wird auch immer wieder ein Lachen dabei sein!
Der andere Weg wäre: Verbissen irgendwelchen Idealen hinterher jagen, alles durchplanen, alles im Griff haben wollen. Zahlen sind wichtig und Statistiken – und wehe, das Leben durchkreuzt unsere Planung! Und da gibt es dann wirklich nichts zum Lachen!
Erlösung durch Jesus Christus.
Aber Leben in Fülle ist uns längst schon zugesagt! Und es liegt an uns, was wir daraus machen – einen eher depressiven „Dumusst-doch!“-Glauben – oder „Joy to the world!“ In einer unserer Gemeinden gibt es ein Wohnheim für Behinderte – und vor einiger Zeit gab es dort eine Ausstellung mit den Werken der Bewohner. Als ich durch die Räume schlenderte, fiel mir ein Bild auf: ein großes, rotes, farbiges Gesicht – und ein weißer, lächelnder Mund. „Was ist das?“, fragte ich. „Ein lachender Christus“, sagte einer der Betreuerinnen.
Könnte es sein, dass andere Kulturen und „handicapped people“ etwas von der Erlösung durch Jesus Christus verstanden haben, was sich uns in Mitteleuropa noch verschließt? Kein Thema – ich kaufte das Bild und schenkte es unserem Pfarrer.
Und ich bin mir sicher, dass Jesus gelacht hat – und dass wir deswegen auch lachen dürfen!
(Originalbeitrag von Andrea Schwarz für das Jahrbuch der Diözese Gurk 2011)