Damit das Leben nicht vertrocknet

Über die humorvolle Pädagogik Gottes

von Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz

Die humorvolle Pädagogik Gottes bringt den schlafenden Jona wieder auf den Weg. - Im Bild: Mosaik mit Darstellung des schlafenden Jona aus Tabaka/ Tabraca, 4./5. Jahrhundert -  (© Foto: Foto: Musée du Bardo, Tunis)
Die humorvolle Pädagogik Gottes bringt den schlafenden Jona wieder auf den Weg. - Im Bild: Mosaik mit Darstellung des schlafenden Jona aus Tabaka/ Tabraca, 4./5. Jahrhundert - (© Foto: Foto: Musée du Bardo, Tunis)

In der heutigen Zeit hört man oft resignierend oder belustigend sagen: „In Zeiten wie diesen …“, und dann könnte man hinzufügen: „… ist aufrichtiger Humor gefragt“. Vielleicht ist gerade das ein „Zeichen der Zeit“, dass wir in diesem Jahrbuch in Anlehnung an ein Wort des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber vom Humor als dem „Bruder des Glaubens“ sprechen.
Es fügt sich sehr gut, dass wir mit dem Thema „Humor“ gleichsam auf die Quelle zurück gehen, nämlich auf die Freude, die das Lachen und die Fröhlichkeit hervorbringt. Freude, die tiefe Quelle des Humors, ist eine der großen Themen in unserem diözesanen Programm der Lebensdialoge.
Evangelium und Berufung, Freude und Feier, Sinn und Schönheit, Glaube und Leben sowie Dienst und Leistung sind Lebensfelder, in denen Menschen erfüllende und erfüllte Lebensperspektiven finden. Deshalb wählen wir in unserer Diözese diese großen Themen, um die Menschen in ein sinnerfülltes Leben begleiten zu können.

Eine Sinnansage mit Lebenshoffnung kann gerade in einer für die Kirche und auch die Zivilgesellschaft schwierigen Zeit neue Horizonte öffnen und Wege neuer Visionen ermöglichen. Vor allem auch die aktuelle Krise der Kirche, hervorgerufen durch die Verfehlungen kirchlicher Verantwortlicher
gegenüber Kindern und Jugendlichen, darf nicht klein geredet werden.
Als Kirche verschließen wir unsere Augen nicht vor den aktuellen Krisen und Problemen in Kirche und Gesellschaft und den damit zusammenhängenden Fragen, Nöten und Problemen der Menschen. In unseren pastoralen Begegnungen und seelsorglichen Programmen versuchen wir als Diözese, sinnorientiert Wegweisungen zu geben, um die Problemlage zu verändern und mit dem Entdecken neuer Fragestellungen die aktuellen Nöte zu Herausforderungen zu machen. Gott sagt zu Mose: „Ich kenne ihr Leid“ (Ex 3,7) und gibt mit seinem Namen „Ich-bin-da und werde für dich da sein“ (Ex 3,14) Kraft zu einem Weg der Rettung.

„Die Freude an Gott ist unsere Kraft“ sagt der Prophet Nehemia (Neh 8,19). Gott selbst hat nicht nur Freude, sondern zeigt auch großen Sinn für Humor. Wir lesen das im Buch Jona, wie er den Propheten in Ninive wieder auf den Weg zu bringen versucht, als er unter dem Strauch schlief und ein Wurm den schattenspendenden Strauch annagte, sodass er die Blätter verlor und der Prophet durch die stechende Sonne wach wurde (vgl. Jona 4,7f). Ist das nicht eine humorvolle Pädagogik Gottes, die lächelt, dass die Sonne scheint und dennoch auch weiß, dass der müde und widerspenstige Mann Gottes sich bald wieder darüber aufregen wird?

Humor als Mittel gegen Vertrocknung und Dürre.
Humor bringt jenes wohlwollende und aufrichtende „Trotzdem“, das die biblischen Psalmen so oft beten, oder jenes „Dennoch“ zum Ausdruck und zur Wirkung, von dem die Dichterin Hilde Domin als einem Grundmotiv ihrer Gedichte spricht: „[…] damit das heikle Leben meiner Worte / ihr Dennoch / ein Dennoch jedes Buchstabens sei“ (Hilde Domin, „Drei Arten, Gedichte zu schreiben“, 1). „Humor“ bedeutet ja im Lateinischen „Feuchtigkeit und Saft“, verwandt mit dem „Humus“, der feuchten, nicht staubtrockenen, sondern fruchtbaren Erde. Humor ist also da notwendig, wo Vertrocknung und Dürre herrschen oder drohen und wo es deshalb „saft- und kraftlos“ zugeht. Davon spricht auch die Pfingstsequenz in einer bittenden Anrufung des Heiligen Geistes mit den Worten: „Dürrem gieße Leben ein.“ In der Sprache der Dichterin Hilde Domin heißt dies dann:


„Die Sehnsucht
lässt die Erde durch die Finger rinnen
alle Erde dieser Erde
Boden suchend
für die Pflanze Mensch“


(Hilde Domin, „Sehnsucht“).

Wie vertragen sich nun Humor und christlicher Glauben miteinander? In Abwandlung eines Wortes von Karl Barth zum Verhältnis von Bund und Schöpfung lässt sich sagen: Glaube ist die innere Voraussetzung des Humors, Humor ist eine äußere Bedingung des Glaubens. Zum Glauben gehört ja wesentlich die Aufrichtigkeit des Zweifels, weniger an Gott, vielmehr an den innerweltlichen Gegebenheiten und irdischen Zuständigkeiten.

Humor schafft schöpferischen Freiraum.

Dieser heilsame Zweifel bekennt, dass die irdischen Tatsachen und Notwendigkeiten nicht unwichtig sind, aber auch, dass sie nicht das letzte Wort vor Gott haben, sondern dass Gott das erste wie auch das letzte Wort ist in Jesus Christus, nämlich: vertrauende und hoffende Liebe, ein untrügliches Ja zur Schöpfung, zur Geschichte und zu den Menschen – trotz allem. Den wesentlichen Zweifel und heilsamen Vorbehalt des Glaubens gegenüber den hoffnungslos wahrscheinlichen irdischen Gegebenheiten spricht Joseph Ratzinger in seinem Buch „Einführung in das Christentum“ mit dem Wort „Vielleicht“ an. Das schöpferische „Vielleicht“, das der Glaube gegenüber der fragwürdigen irdischen Wirklichkeit und in ihr vertritt und das auch den Glaubenden vor einer unglaubwürdigen „Verhärtung im Guten“ oder „Verschließung im bloß Eigenen“ (J. Ratzinger) bewahrt, ist verwandt mit jenem „Trotzdem“ und „Dennoch“ des Humors. Der Humor hält mit seinem „Trotzdem“ und „Dennoch“ die Tür und den Weg zum Glauben an Gott offen. Der Glaube begrüsst mit seinem kritischen, selbstkritisch-vertrauenden und hoffenden „Vielleicht“ den Humor. Dadurch gewinnt der glaubende Mensch „Problemdistanz“ und schöpferischen Freiraum, oder – wie Sigmund Freud in seiner Abhandlung „Der Humor“ (1927) sagt: „Der Scherz, den der Humor macht, ist ja auch nicht das Wesentliche, er hat nur den Wert einer Probe; die Hauptsache ist die Absicht, welche der Humor ausführt, ob er sich nun an der eigenen oder an fremden Personen betätigt. Er will sagen: Sieh’ her, das ist nun die Welt, die so gefährlich aussieht. Ein Kinderspiel, gerade gut, einen Scherz darüber zu machen!“

So wünsche ich Ihnen diesen gottgesegneten Humor, damit diese Welt und unser Leben nicht verbittern und vertrocknen, sondern im Glauben, Hoffen und Lieben mit Gottes Gnade „saft- und kraftvoll“, also lebendig und belebend, werden und sind.

 

(Originalbeitrag von Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz für das Diözesanjahrbuch 2011 zum Thema HUMOR - Bruder des Glaubens)