Eine Person rückt ins Rampenlicht

Auf den Spuren des Apostels Paulus - I

1. Teil der neunteiligen Serie von Mag. Klaus Einspieler, Referat für Bibel und Liturgie

Der schreibende Paulus; Handschrift aus dem Kloster Sankt Gallen, 9. Jhdt; jetzt: Württembergische Landesbibliothek (© Foto: wikipedia)
Der schreibende Paulus; Handschrift aus dem Kloster Sankt Gallen, 9. Jhdt; jetzt: Württembergische Landesbibliothek (© Foto: wikipedia)

Etwa die Hälfte der neutestamentlichen Schriften geht auf Paulus zurück oder beruft sich zumindest auf ihn. Daher muss die Auseinandersetzung mit diesen Texten im Paulusjahr 2008/2009 an erster Stelle stehen. Wer sich mit dem Gedankengut des Apostels beschäftigt, beginnt jedoch bald zu fragen: Wer ist dieser Paulus? Wo hat er gelernt, so zu denken? Paulus selbst ermuntert uns, nach seiner Person zu fragen. Denn in seinen Briefen streut er immer wieder Angaben über seine Vorhaben ein, gewährt uns Einblicke in sein Denken und Fühlen und spricht auch freimütig über seine Schwächen.

Das Paulusbild des Neuen Testaments
Neben Jesus ist Paulus jene Person aus dem Neuen Testament, über die wir am besten informiert sind. Die wichtigste Quelle sind die Schriften des Apostels selbst. Sie sind im sechsten Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts entstanden und gelten damit auch als die ältesten neutestamentlichen Schriften. 
Die zweite Quelle ist die Apostelgeschichte. Den zweiten Teil (Apg 13,1-28,31) könnte man eigentlich auch Paulusgeschichte nennen, so sehr stehen das Wirken des Apostels und damit der Weg der Kirche zu den Völkern im Mittelpunkt. Freilich ist die Apostelgeschichte als historische Quelle mit Vorsicht zu betrachten. Sie ist wohl zumindest zwei Jahrzehnte nach dem Tod des Völkerapostels entstanden. Viele Fragen, die zu seinen Lebzeiten noch heftig umstritten waren, wie die Mission unter den Heiden, wurden inzwischen im Sinne von Paulus geklärt. Jerusalem hatte nach der Zertörung des Tempels im Jahre 70 viel an Strahlkraft eingebüßt. Die Gemeinde von Jerusalem als Zentrum des Judenchristentums gab es in dieser Form nicht mehr. Das alles hat natürlich auch das Paulusbild der Apostelgeschichte beeinflusst. Zudem lag dem Autor daran, seine Sicht der Heilsgeschichte auch anhand des Wirkens des Völkerapostels aufzuzeigen.

Die Apostelgeschichte – eine Paulusgeschichte?
Woher also wusste der Verfasser der Apostelgeschichte so gut über Paulus Bescheid? Die traditionelle Erklärung besagt, Lukas, der Verfasser des dritten Evangeliums und der Apostelgeschichte, wäre sein Mitarbeiter gewesen. In der Tat wird er im paulinischen Schrifttum dreimal erwähnt. Seine Nennung in den Briefen an Philemon und an die Kolosser lässt vermuten, dass er im Lykostal, wo auch Kolossä liegt, tätig gewesen ist. Dass er der Verfasser des sogenannten lukanischen Doppelwerkes ist, erscheint jedoch mehr als fraglich. Er wird nämlich erst von Irenäus von Lyon (+ um 200) mit dem Helfer des Apostels identifiziert. Ob das plausibel ist, muss hinterfragt werden. So fällt zum Beispiel auf, dass der Titel »Apostel« im lukanischen Doppelwerk (und nur dort) exklusiv für den Kreis der Zwölf, die Jesus berufen hat, verwendet wird. Hätte ein Mitarbeiter von Paulus, der immer wieder auf seine apostolische Sendung durch den Auferstandenen gepocht hat, so gedacht und geschrieben?
Ebenso bleiben wir auf Spekulationen angewiesen, wenn wir fragen, welche Quellen über Paulus dem Autor der Apostelgeschichte zur Verfügung gestanden sind. Dibelius etwa hat die Hypothese begründet, er hätte eine Wegbeschreibung verwendet. Daraus habe er etwa die Angaben über den Verlauf der Reisen des Apostels entnommen.

Manches bleibt verborgen
Wie auch immer: Der Lebenslauf des Apostels muss aus seinen Briefen und der Apostelgeschichte mühevoll rekonstruiert werden. Manche Angaben sind unumstritten, einiges kann jedoch unterschiedlich gedeutet werden. Und schließlich sind wir über einige Abschnitte seines Lebens so gut wie gar nicht informiert. Dazu gehören bedauerlicher Weise auch die ersten und letzten Jahre seines Lebens. Besonders um diese Phasen ranken sich oft zahlreiche Legenden. Für die Frage nach der Lebensgeschichte des Paulus sind sie also kaum eine Hilfe.

(Klaus Einspieler)