Aspekte christlicher Spiritualität

oder: Welcher Geist wirkt in meinem Leben?

von Sr. Regina Kaltenegger SA Immer mehr Menschen stellen sich heute die Frage, ob das Streben nach materieller Sicherheit und Erfolg das höchste Gut des Lebens ist.

Wegweisen zu einem Leben in Fülle (© Foto: www.pixelio.de / Michael Bührke - Bearbeitung ChM)
Wegweisen zu einem Leben in Fülle (© Foto: www.pixelio.de / Michael Bührke - Bearbeitung ChM)

Die Sehnsucht nach dem „Mehrwert“, nach einem Halt im Leben auch in unsicheren Zeiten, nach dem Eingebundensein in größere Zusammenhänge ist die Gegenbewegung zu so mancher Entwicklung der Gegenwart. Der Begriff „Spiritualität“ boomt – mehrere hunderttausend Einträge in Suchmaschinen sind ein deutliches Zeugnis dafür. Atem, Lebenshauch, Geist – so wird das lateinische Wort „spiritus“ meist übersetzt, das dem Wort „Spiritualität“ zugrunde liegt. So möchte ich dieses Wort mit drei Begriffen ausdeuten.

Der liebende Blick Gottes gibt uns Ansehen

Aufatmen könnte eine der Grundhaltungen eines spirituellen Lebens sein. Aufatmen lässt mich vor allem die Tatsache, dass am Anfang meines Lebens Liebe steht. Noch vor der Liebe von Mann und Frau, die in der geschlechtlichen Begegnung zu neuem Leben führt, steht die Liebe Gottes zu jedem Menschen. In der Bibel wird das auf vielfältige Weise ausgedrückt. Schon im ersten Kapitel, in der Erzählung von der Erschaffung der Welt, heißt es: Gott sah, dass es gut war. Er schuf den Menschen als sein Abbild und „er sah alles an, was er geschaffen hatte: es war sehr gut.“ Für Gott sind wir wertvoll. Er schaut mit liebenden Augen auf die ganze Wirklichkeit unseres Lebens. Dieser liebende Blick Gottes gibt uns Ansehen. So hat jeder Mensch eine grundlegende, unzerstörbare Würde.

Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch
(Irenäus von Lyon)

Leben ist ein zweiter grundlegender Begriff. „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben“ – das sagt Jesus Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, von sich und seinem Auftrag. „Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch“ - so drückt es Irenäus von Lyon, ein Bischof und Theologe, im zweiten Jahrhundert nach Christus aus. Christliche Spiritualität spricht in erster Linie davon, das Leben mit allem Auf und Ab als Geschenk Gottes und als Herausforderung, immer mehr ein liebender Mensch zu werden, anzunehmen. So wird der Geist der Lehre und des Handelns Jesu im heutigen Leben konkret umgesetzt. Dazu gehört untrennbar, sich für lebensfördernde Bedingungen für alle Menschen dieser Welt einzusetzen.

Weltgestaltung im Geiste Jesu

Geistvoll leben, die eigenen Talente und Fähigkeiten für das Wohl anderer Menschen einsetzen, ist eine logische Folge davon, dass mein Leben in der Liebe Gottes, wie sie vor allem im Leben Jesu Christi sichtbar und spürbar geworden ist, aufgehoben ist. Im manchmal schwer zu begreifenden Bild der Dreifaltigkeit Gottes wird deutlich, dass das Wesen Gottes Begegnung und Gemeinschaft ist. Jeder Christ ist eingebunden in den Glauben all derer, die die Botschaft der Bibel im Laufe der Jahrhunderte durch Worte und Werke weitergegeben haben. Die große Schar der Heiligen ist immer wieder eine Inspiration, aus dem Geist Gottes heraus die Welt zu gestalten. Die Gemeinschaft der Kirche wird erfahrbar im gemeinsamen Gebet und Gottesdienst und im konkreten Einsatz für Menschen in Not. Und sie trägt in Zeiten, in denen ich selbst Hilfe und Stärkung brauche.

Welcher Geist wirkt in meinem Leben?

Mit noch vielen anderen Begriffen könnte ich christliche Spiritualität beschreiben. Entscheidend bleibt die Frage: Welcher Geist wirkt in meinem Leben?
Viele Angebote der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Kirche - in den Pfarrgemeinden, in den Bildungshäusern, in diözesanen Einrichtungen - wollen dazu verlocken, die Antwort auf diese Frage am Lebensentwurf Jesu Christi auszurichten und in den verschiedenen Situationen des eigenen Lebens immer wieder neu zu finden.