Jüngling, Putto, Cherubskopf

Engelsdarstellungen in der kirchlichen Kunst mit Werkbeispielen aus der Diözese Gurk

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Zeitgenössische und in der Formensprache dynamisch ausgestaltete Engelsdarstellungen des Künstlers Alexander Kandut in der Christkönigskirche in Krumpendorf. Foto: Neumüller

Engelsdarstellungen in der christlichen Kunst haben lange Tradition und sind ein häufiges und in vielen Kunstgattungen vorkommendes Bildthema. Frühe Darstellungen reichen zurück bis in die Zeit des Frühchristentums, wo sie im Gegensatz zu antiken Vorstellungen als flügellose, jünglingshafte Wesen wiedergegeben wurden. Erst ab dem 4. Jahrhundert werden Engel mit Nimbus und Flügel dargestellt, vom 9. bis 10. Jahrhundert überwiegend ohne. Danach werden die Schwingen fixes Darstellungselement und gleichsam markantes Identifikationsmerkmal der Figuren. In der mittelalterlichen Bildikonografie treten Engel mit unterschiedlichen Attributen in Erscheinung. Diese stehen im direkten Bezug zu der sie umgebenden Szenerie oder ihrer eigenen Handlung.


Jugendliche Wesenszüge

So tragen Engel beispielsweise Palmzweige als Zeichen des Sieges, Schwerter zum Sieg gegen das Böse, Musikinstrumente zur Verherrlichung Gottes, Posaunen als Anzeichen des Weltgerichts, Lilienstängel als Symbol der Heilsverkündung oder Leidenswerkzeuge als Hinweis auf die Passion Jesu. In der Renaissance treten Engel vermehrt in Gestalt von Frauen oder Kindern auf. Im Barock finalisiert sich der seit der Renaissance entwickelnde Darstellungstyp vom fülligen Putto, der seitdem oft und in hoher Anzahl in und an Kunstwerken attributiv eingesetzt ist. Gemäß den kunsthistorischen Tendenzen und Entwicklungen zur Zeit der Romantik und des Realismus nehmen Engel ab dem 19. Jahrhundert wieder jugendliche Wesenszüge wie in der Frühzeit an. Ab dem 20. Jahrhundert nehmen Engelsdarstellungen aufgrund nachlassender Imagination in ihrer Anzahl deutlich ab.


Verschiedene Engeltypen

In der christlichen Bildikonografie lassen sich epochenabhängig und -übergreifend folgende Engeltypen klassifizieren: der Männerengel, der ritterliche Engel, der priesterliche Engel, der Frauen- bzw. Mädchenengel, der Kinderengel, der Putto (kleiner Knabe) und der Cherubskopf (geflügelter Engelkopf). Quelle für christliche Engelvorstellungen und -darstellungen ist vornehmlich die Bibel,
mit dem Alten und dem Neuen Testament. Darin werden Engel als überirdische Wesen und Gott dienende Boten beschrieben, die in menschlicher Gestalt als Jüngling oder Mann, hell leuchtend, glänzend oder irisierend mit langen Gewändern in Erscheinung treten. Flügel sind nur bei den Cherubim und den Seraphim genannt. Im Alten Testament sind Engel in Szenen wie beispielsweise der Vertreibung aus dem Paradies, Abraham und der Besuch der drei Männer, Hagar in der Wüste, Isaaks Opferung (Opfer Abrahams), Jakobs Traum (Jakobsleiter), Jakobs Kampf mit dem Engel, Bileam und die Eselin, die drei Jünglinge im Feuerofen oder Daniels Vision und Daniel in der Löwengrube vertreten.


Lehre von den Engeln

Zu den bekanntesten Szenen im Neuen Testament, in denen Engel vorkommen, zählen die Verkündigungen an Maria und Josef, die Verkündigung an die Hirten, der Traum der Heiligen Drei Könige, Josefs Traum vor der Flucht nach Ägypten, Christus am Ölberg sowie die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi. Aus Schriften zur Zeit der Kirchenväter, wie beispielsweise aus jenen des heiligen Augustinus, des Pseudo-Dionysius Areopagita und des Papstes Gregor des Großen entwickelte sich die sogenannte Angelologie, die Engellehre, inklusive einer eigenen Engelhierarchie.
Diese fand vor allem ab dem 13. Jahrhundert durch die „Legenda aurea“ des Jacobus de Voragine (um 1270) weite Verbreitung und war oft Quelle für die bildenden Künstlerinnen und Künstler.

Engelsdarstellungen in Kärnten

Engelsdarstellungen sind in den römisch-katholischen Kirchen in Kärnten allgegenwärtig und reichen von der Romanik, der Gotik, der Renaissance, dem Barock, dem 19. und 20. bis in das 21. Jahrhundert hinein. In unterschiedlichen künstlerischen Stil- und Formensprachen sowie Werktechniken schmücken sie singulär, paarweise oder in ganzen Scharen Altäre, Bilder und Gemälde, Textilien, Metallgegenstände, Wände oder andere Architekturelemente. Sie zählen zum fixen Bestandteil vieler Kirchenausstattungen. Aufgrund der Fülle an Darstellungen im Kärntner Raum wird an dieser Stelle auf vier exemplarisch näher eingegangen.

Bemerkenswerte Darstellung

Eine bemerkenswerte Engelsdarstellung findet sich auf einem der beiden erhaltenen Altarflügel
mit Szenen aus dem Marienleben aus der Filial- und Wallfahrtskirche Maria im Graben bei Vorderberg (um 1485). Der Verkündigungsengel ist in adorierender Haltung im Dreiviertelprofil dargestellt und trägt ein prunkvolles, bodenlanges liturgisches Gewand. Über die weiße Albe fällt das rote Pluviale, dessen edelsteinbesetzte Goldborte von einer Metallschließe im Brustbereich zusammengehalten wird. Die übermächtigen, grünen Flügel sind äußerst diffizil und haptisch ausgearbeitet. Die rechte Hand hat der Engel im Zeigegestus erhoben, in seiner linken hält er den Botenstab. Der Blick ist leicht erhoben, in Richtung Maria auf dem anderen Altarflügel zugewandt.


Neunstufige Engelshierarchie

Eine ganze Schar von Engeln ist in Form der neunstufigen Engelshierarchie an die Nordwand der Pfarrkirche hl. Andreas in Thörl- Maglern im oberen Wandabschnitt als Teil der Darstellung des Lebenden Kreuzes (um 1470/1475) gemalt. In übereinandergereihten, von Wolkenbändern unterteilten Bogensegmenten finden sich die einzelnen Engelgruppen, in den seitlichen Schriftbändern
stehen ihre jeweiligen Namen. Von typisch barocker Formengestalt sind zwei farbig gefasste Putti aus Feistritz an der Drau (Mitte 18. Jahrhundert). Pausbäckig und raumgreifend sitzen sie in kindlichverspielter Körperhaltung jeweils auf einer silbergefassten Wolke. Ihre Flügel wie auch
Lendenschurze sind goldgefasst. Die beiden Engel des akademischen Bildhauers
Alexander Kandut in der Christkönig- Kirche in Krumpendorf sind Beispiele zeitgenössischer
Engelsdarstellungen des 21. Jahrhunderts. Gleichsam vom Himmel oder von diesem herabkommend schwebt die abstrakte, äußerst dynamisch in der Formensprache ausgestaltete Holzskulptur des Erzengels Michael im Raum. Einer der Kirchenpfeiler ist zum Teil des Kunstwerkes geworden
und dient als Schriftenband.

Autor: Dr. Rosemarie Schiestl, Diözesankonservatorin in der Diözese Gurk, Erstveröffentlichung in: »Engel«, Jahrbuch der Diözese Gurk 2024, (Redaktion: Pressestelle der Diözese Gurk).|