„Nur das kranke Auge sieht sich selbst“

Warum Gutes tun zu einem glücklichen Leben führt

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Das Erreichen von Zielen, die Anstrengung erfordern, führt zu Gipfelerlebnissen. (Foto: Philipp Steiner)

„Endzweck des menschlichen Daseins ist die Glückseligkeit.“ Mit dieser Feststellung verbindet schon Aristoteles (384–322 v. Chr.) das Glück des Menschen mit der Ethik, indem er beobachtet, dass ein glückliches, also ein gelungenes Leben mit dem guten Denken, Reden und Handeln zusammenhängt. Schon er verweist auch auf den Irrtum des Menschen, dass viele das Ziel eines glücklichen Lebens mit den Mitteln verwechseln, die dafür eingesetzt werden. Denn nicht wenige suchen ihr Glück in den klassischen Versuchungen des Reichtums, der Macht und auch der Ehre und müssen doch erkennen, dass damit das eigene Glück und auch das der anderen nicht gefördert wird. Auch Jesus, der ein glückliches Leben als ein „Leben in Fülle“ verheißt, überwindet diese Versuchungen in den 40 Tagen in der Wüste.

Zufallsglück

Das Glück ist nicht machbar. Es ereignet sich und ist somit Geschenk. Alle Vorstellungen des Glücks sind wie Rahmenbedingungen, in denen sich das Glück zeigen kann – oder auch nicht. Einige kennen nur das Zufallsglück. Das Glück ist eben ein Vogerl. Ein überraschender Gewinn wäre die Erfüllung aller Hoffnungen. Das Los schenkt schicksalsmächtig das Glücksgefühl oder auch nicht. Diese Glücksart liegt nicht in unserer Hand, es gilt, dabei nur einen Mindestaufwand zu treiben: Ein Los muss gekauft werden. Alles andere liegt bei den Sternen oder sonst wo. Glück hat, wer dieses Glück nicht braucht.

Wohlfühlglück

Einige suchen das Wohlfühlglück, indem sie das Leben genießen wollen. Das Leben soll angenehm und somit schön sein. Ein menschlich wohl berechtigter Anspruch, denn diese Glücksart lässt sich auch organisieren. Gleichzeitig wird das unvermeidlich Unangenehme als störend empfunden. Aber wir sind Sinneswesen, und die hl. Theresia bestärkt uns: „Tu deinem Leib Gutes, damit die Seele Lust bekommt, darin zu wohnen.“ Dieses „Genieße dein Leben!“ ist aber an die Tugend der Mäßigung gebunden, denn das Zuviel an Genuss wird zum Überdruss, und leider währt Sinneslust recht kurz. Dieses Wohlfühlglück fordert die Kunst des Lebens ein, diese Balance im Zuviel und Zuwenig zu finden.

Bewährungsglück

Andere wieder suchen das Glück in der Herausforderung, das Bewährungsglück: Ein anstrengender Weg wird zu einem erfreulichen Ziel hin in Kauf genommen. Hier sind es oft sportliche und auch berufliche Ziele, die tatsächlich am Ende Glücksgefühle hervorrufen. Wer kennt nicht das Gipfelerlebnis, nach einem anstrengenden Aufstieg beim Gipfelkreuz anzukommen und ein gewaltiges Panorama vor sich zu haben und damit das Leben zu spüren? Das glückliche Leben hat auch mit Mühe und Anstrengung zu tun.

Weisheitsglück

Es gibt auch Menschen, die freuen sich über erlernbare Erkenntnis: das Weisheitsglück. Ein geistiges Glück, das mit dem Lesen und Forschen die Menschen beflügelt. Der Eros der Lebensfragen treibt einen an und taucht einen in die vielen „Aha-Erlebnisse“. Das Leben wird interessant und vielschichtig. Einige sagen, besonders Bruder David Steindl-Rast, dass die Menschen nicht mit ihrer Dankbarkeit warten sollen, bis sie glücklich sind, nein, es wäre umgekehrt: Wenn ich wahrnehme, wodurch ich überall beschenkt bin, und dabei danke, stellt sich das Glück ein. Nicht warten, bis man glücklich ist, um zu danken, sondern: Wer dankbar ist, wird auch glücklich und zufrieden sein.

Zufriedenheit

Wir haben auch sicherlich Menschen kennengelernt, die einfach glücklich sind und dies gar nicht begründen können. Sie kommen uns mit einer Haltung einer tiefen Lebenszufriedenheit entgegen und machen deutlich, dass Zufriedenheit auf der Glücksskala ziemlich weit oben ist, jedoch weniger glanzvoll klingt als Glück. Das Glück liegt auch in der mentalen Disposition der Menschen. Deshalb können östliche Traditionen uns einfach zurufen: „Sei einfach glücklich!“ Und dies ohne Vorbedingungen. Wir merken schon: Wir könnten diese Glücksformen weiter fortsetzen und müssten feststellen, dass die eigene Art des Denkens, die eigene Perspektive auf das Leben entscheidend ist. Wir haben tatsächlich die Möglichkeit, diese oder jene Weltdeutung zu finden. „Nichts ist gut noch schlecht, nur dein Denken macht es dazu.“ (Hamlet) Wir manövrieren uns viel leichter ins Unglück, denn wir wissen ja, was uns unglücklich macht. Die „Anleitung zum Unglücklichsein“ (Paul Watzlawick) zeigt uns deutlich, dass wir erst im Unglück das Glück erahnen.

Seligpreisungen als Schlüssel zum Glück

Selbst Papst Franziskus sagt den Jugendlichen (31. 1. 2015): „Die Suche nach dem Glück ist allen Menschen aller Zeiten und jeden Alters gemeinsam. Gott hat jedem Mann und jeder Frau eine unbezwingbare Sehnsucht nach Glück, nach Fülle ins Herz gelegt.“ Diese Unruhe treibt uns an, und Jesus selbst schlägt uns den Weg des wahren Glücks vor. Im Evangelium sieht Franziskus in den Seligpreisungen den Schlüssel zum Glück. Dabei meint er nicht, den beschriebenen Zustand in den Seligpreisungen zu suchen, sondern die angeführten Verheißungen im Herzen zu tragen.

Sinnerfülltes Leben

Vom Glück eines sinnerfüllten Lebens erzählen viele. Einfach für andere da zu sein und Gutes zu tun. „Nur das kranke Auge sieht sich selbst.“ (Viktor Frankl) Deshalb ist der Blick zu den anderen gefordert, das Kreisen um das eigene Ich zu durchbrechen. Gerade die Werke der Barmherzigkeit (Hungrige speisen, Fremde aufnehmen, Nackte bekleiden, Kranke und Gefangene besuchen, Lästiges in Geduld ertragen, Schöpfungsverantwortung leben und Sterbende begleiten) haben viele schon zu einem erfüllten Leben geführt. Viele ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den helfenden Organisationen berichten davon, indem sie sagen: „Diese Arbeit gibt mir viel!“ Es gilt hier wohl, sich nicht überfordern zu lassen.

Gelassenheit

Deshalb möchte ich noch das stille Glück erwähnen: die Gelassenheit. Denn hier ist das wenige oft auch mehr. „Nimm dir nicht zu viel vor, denn es genügt die friedliche, ruhige Suche nach dem Guten an jedem Tag, zu jeder Stunde, ohne Übertreibung und Ungeduld.“ So schreibt Papst Johannes XIII. in seinem Tagebuch. Deshalb empfiehlt er auch: „Heute, nur heute werde ich eine gute Tat vollbringen, und ich werde es niemandem erzählen!“ Für ihn ist zunächst das Hier und Jetzt entscheidend. Heute, eben ohne Aufschieben, gilt es, Gutes zu tun, und dies so, dass die Motivation dafür nicht außerhalb, also in der Anerkennung der Menschen, liegt, sondern in der eigenen Haltung.

Quelle des Glaubens

„Tu Gutes und rede darüber!“ wird hier eher als Glücksbremse empfunden. Dabei schöpft er aus der Quelle des Glaubens, der uns trägt und beten lässt: „Behüte mich, Gott, denn bei dir habe ich mich geborgen! Ich sagte zum Herrn: Mein Herr bist du, mein ganzes Glück bist du allein.“ (Ps 16) Das Gute zu entdecken und es auch gut zu tun, ist ein bewährter Weg zu einem glücklichen Leben. Denn glücken und gelingen bedeuten dasselbe, und es ist wohl ein Glück, am Ende des Lebens zurückblicken und dankbar sagen zu können: Das war ein gelungenes und somit glückliches Leben!

Autor: Rektor DDr. Christian Stromberger, Erstveröffentlichung in: »Der Kraft des Guten«, Jahrbuch der Diözese Gurk 2022, (Redaktion: Pressestelle der Diözese Gurk).