Garten als Sinnbild für Heimat

Warum Gärten uns an das Paradies denken lassen

Wenn ich an die Faszination von Gärten denke, fällt mir eine Reihe von schönen Erlebnissen ein, die ich im Zusammenhang mit Gärten hatte. Meine erste intensive Begegnung mit einem Garten fand statt, als ich noch ein Volksschulkind war. Da hat mir meine Mutter auf langes Bitten meiner­seits ein kleines Gartenbeet abgetreten. In diesem durfte ich meine eigenen Kartoffeln setzen.

Von der Saat zur Ernte

Jeden Tag besuchte ich noch vor dem Weg zur Schule meine Saat, um nachzusehen, ob nicht doch endlich an der Oberfläche etwas sichtbar würde von dem, was unter der Erde bestimmt schon vonstatten ging. Als ich das erste zarte Pflänzlein entdeckte, konnte ich den Tag der Ernte kaum mehr erwarten. Wie glücklich war ich, als ich endlich an einem grauen Herbsttag die Haue in die Hand nehmen und meinen Schatz aus meinem Acker heben durfte. Jede Kartoffel wurde einzeln in die Hand genommen, und alle wurden sie von mir gezählt. Dann habe ich meine Ernte in den Keller getragen und auf der kühlen Erde abgelegt. Ich war so begeistert von meinem Erfolg bei der Arbeit und vom hautnahen Erleben von Wachstum und Ernte, dass ich meine Mutter gleich bat, mir im nächsten Frühjahr ein größeres Stück Garten zu „verpachten“.

Arbeit mit der Schöpfungsvielfalt

Angeregt von der schönen Arbeit mit der lebenden Kreatur und beflügelt vom ersten Erfolg als Gärtner wollte ich mein Anbaupro­gramm um eine Frucht, die mir besonders köstlich erschien, erweitern. Beim Nachbarn hatte ich Gartenerdbeeren gesehen. Das war in den beginnenden Sechzigerjahren im Lesachtal eine absolute Neuheit. Meine Mutter war mir behilflich, an die damals seltenen und kostbaren Pflänzchen zu kommen. War das eine Freude, als ich dann im Sommer mehrmals kardinalrote, süße Früchte ernten konnte, die ich dann noch mit Honig versüßtem Rahm der staunenden Familiengemeinschaft kredenzte!

Staunen über römische Gärten

Bildunterschrift (Bildrechte sind zwingend anzugeben!)
Zum Staunen schön: die hängenden Gärten der Villa d´Este in Tivoli (Foto: Prof. Heinz Ellersdorfer)

Meine nächste Begegnung mit Gärten war von ganz anderer Art. Sie geschah während meines elfjährigen römischen Studienaufenthaltes. Da setzte ich meinen Fuß in Gärten, deren Schönheit ich mir nicht einmal erträumen hätte können. Ich denke da besonders an die Gärten der Villa d’Este in Tivoli. Der Sohn Lucrezia Borgias, Ippolito II. d’Este, war Mitte des 16. Jahrhunderts Statthalter und Kardi­nal von Tivoli. Er baute sich hier ein Lust­schlösschen. Dazu wurden große Baumeis­ter wie Pirro Ligorio angeheuert. Das Resul­tat ist wirklich umwerfend. Ein Elfengarten!

Heimat Garten

Heute dagegen denke ich beim Thema Garten vor allem an meine Heimat, das Lesachtal, jenes einzig­artige Stück Natur, durch Jahrhunderte hindurch von den dort wohnenden Men­schen wie ein Garten gepflegt. Wenn ich nämlich wieder nach Hause komme und mein Blick nach Wochen der Abwesen­heit auf die frisch gemähten Wiesen, die schön gepflegten Höfe und die idyllisch angelegten Dörfer der Lesachtaler Kultur­landschaft fällt, die, umschlossen von hohen Bergen, sich einem Garten gleich vor mir ausbreiten, dann kommt mir das spiri­tuelle Bild des Hortus conclusus aus dem alttestamentlichen Hohelied der Liebe in den Sinn, das in der mittelalterlichen Mystik als Paradiesesgärtlein auf Maria bezogen wurde.
So haben Gärten eine große und viel­fältige Bedeutung für unser Leben, die letzt­lich darin gipfelt, dass sie die Erinnerung an das Paradies in uns wach halten. |

Der Autor: Msgr. Dr. Engelbert Guggenberger, Dompropst des Gurker Domkapitels,
ist Diözesanadministrator der Diözese Gurk.