Pfarre / Fara

Mieger/Medgorje

Himmel, Hölle, Fegefeuer - Die Frage nach dem Danach

Vortrag von Dr. Michael Kapeller am 24. Oktober 2019 im Pfarrsaal in Mieger

Am 24.10.2019 durften wir Dr. Michael Kapeller zum Vortrag „Himmel, Hölle, Fegefeuer – Die Frage nach dem Danach“ begrüßen. Es ist ein Thema, das alle und jeden betrifft und besonders, wo wir auf Allerheiligen/Allerseelen zugehen gewissermaßen aktuell ist, weil gerade an diesen Tagen die Frage nach dem Danach, was mich nach der Lebensgrenze erwartet, ins Zentrum rückt. Dieses Thema wird von vielen beiseite geschoben, weil man nicht genau weiß, was uns erwartet und noch keiner zurückgekehrt ist, der uns berichten könnte.

HIMMEL oder HÖLLE? (Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)
HIMMEL oder HÖLLE - ein Fingerspiel? (Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)

Der Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner spricht von einer Jenseitsvergessenheit und vom Leben als letzter Chance. Er meint damit, dass viele Menschen in das Leben alles hineinpacken, alles erreichen, erwirken und durchführen müssen, weil danach eh alles aus sei. Das bringt die Menschen in eine Stresssituation und kappt sie von dem Danach ab. Wenn wir aber auf das Danach hinleben, werden wir im Hier und Jetzt gelassener. Denn was wir als Vorstellung über das Danach in uns tragen, hat starke Auswirkungen auf das Leben im Hier und Jetzt.

Um uns dem Thema zu nähern, wurde als Einleitung betrachtet, wie sich die zentralen Texte der Kirche dem Danach annähern.

Das Glaubensbekenntnis aus der traditio apostolica ca. 215 n. Chr. Das besonders für die Taufe verwendet wurde, stellt die Frage: Glaubst du an den Hl. Geist und die Hl. Kirche und die Auferstehung des Fleisches?

Im Apostolischen Glaubensbekenntnis ist zu lesen: Ich glaube an den Hl. Geist, die Hl. Katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.

Auch das große Glaubensbekenntnis ist anschauen (325 Konzil von Nicäa und 381 Konzil von Konstantinopel), in dem die ganze Breite des Glaubens der Kirche möglichst exakt und im Sinne der Kirche formuliert wurde: Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht,… wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden, wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.

Wenn bei den Texten über das Leben danach die Rede ist, werden keine Bilder, sondern konkrete Begriffe wie Fleisch, Auferstehung der Toten und Vergebung der Sünden, verwendet. Auch wird im Laufe der Zeit immer klarer herausgearbeitet, dass es nicht nur um den Einzelnen (z. B. Auferstehung des Fleisches), sondern auch um die Menschheit und die gesamte Schöpfung geht (das Leben der kommenden Welt). Die Vergebung der Sünden weist darauf hin, dass der Eintritt in eine andere Existenz, eine neue Welt jenseits der Todesgrenze etwas mit Vergebung und Gericht zu tun hat.

Naherwartung Christi wird zur Stetserwartung

Im Laufe der Zeit wird aus der Naherwartung Christi die Stetserwartung, weil er ja noch nicht wiedergekommen ist. Damit tauchen aber auch wieder zusätzliche Fragen auf, wie z. B. was passiert mit den Menschen, die vor der Wiederkunft verstorben sind. Was ändert sich für die Verstorbenen, wenn Jesus wiederkommt?

Das Purgatorium, das Fegefeuer:

Die Vorstellung vom Fegefeuer ist relativ jung und entstand aus der Frage, was passiert mit den Menschen, die weder heilig gelebt haben und in den Himmel kommen, noch in Todsünde sterben und damit in die Hölle kommen? Aus dieser Frage heraus hat man einen Zwischenzustand entwickelt, der Purgatorium oder Fegefeuer genannt wird. Bis zum 20. Jahrhundert wurde die von Augustinus grundgelegte Ansicht, dass der Mensch prinzipiell schlecht ist, zur Entwicklung der Vorstellung des Fegefeuers als Ort der Läuterung und Reinigung für die Menge der Verdammten, als zeitbegrenzte Hölle, vertreten. Gebete, Messe lesen, Almosen geben auf Erden erleichtert den Verstorbenen diesen Zustand. Die Angehörigen müssen also für die Verstorbenen beten usw. Dieses Bild löst Angst aus, funktioniert aber nicht richtig, weil wir nach dem Tod zeitlos sind. Zeitlich begrenzt ist dann nicht machbar.

Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich dann ein neues Bild entwickelt, das maßgeblich durch die Kirchenkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils geprägt wurde. Durchgesetzt hat sich die Gewissheit, dass Gott den Menschen liebt und den Menschen in die Vollendung hineinführt. Wenn Gott uns liebt, ist es nicht vorstellbar, dass wir zwischenzeitlich in eine höllenähnliche Situation geraten.

„Wer in der Gnade und Freundschaft Gottes stirbt, aber noch nicht vollkommen geläutert ist, ist zwar eines ewigen Heiles sicher, macht aber nach dem Tod eine Läuterung durch, um die Heiligkeit zu erlangen, die notwendig ist, um in die Freude des Himmels eingehen zu können.“ (KKK 1030)

Läuterung heißt in diesem Zusammenhang, dass die Verstorbenen im Angesicht Gottes erkennen können, was nicht in Ordnung war und dass sie dann vor Gott eine Heilung erfahren. Damit bekommt das Purgatorium in der katholischen Theologie nach wie vor eine wichtige Aufgabe, aber einen neuen Klang und eine neue Dimension. Die Angst vor einer zeitbegrenzten Hölle ist nicht mehr notwendig, ich darf hoffen, dass ich von Christus erwartet werde und dass er mir so begegnet, dass ich durch seinen Blick Heilung erfahre und dann in die Herrlichkeit Gottes eingehen kann. Wir brauchen keine Zeitdimension mehr, es geht um die Vorstellung, auch als nicht Vollkommender in die guten Hände zu fallen.

Und nun bekommt das Gebet für die Verstorbenen eine andere Dimension. Wir beten, dass die Verstorbenen in der Lage sind, das liebende und heilende Angebot Gottes anzunehmen. Und das ist keine Einbahnstraße, sondern wir fühlen uns mit den Verstorbenen verbunden und dürfen hoffen, dass der Himmel dabei ein Stück offen ist und wir hier als Gemeinschaft der Kirche auf Erden Anteil und Unterstützung erhalten von denen, die schon Vollendet sind. Als Quelle der Stärkung und des Trostes.

Die Hölle:

In der Bibel finden sich zur Hölle nur zurückhaltende Aussagen. Viele fragen sich, ob man heute noch von der Hölle sprechen soll. „Zur Hölle mit der Hölle“.

Die Hölle wurde gedacht als Strafe für die, die in der Situation der Todsünde gestorben sind. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich dieses Bild erweitert, besonders im Hochmittelalter im Übergang zur Neuzeit, im 15. Jahrhundert im Konzil von Florenz wurde festgelegt, dass nicht nur der Einzelne, wenn er in schwerer Sünde stirbt, in die Hölle kommt, sondern auch alle, die außerhalb der katholischen Kirche sich befinden.

„Sie [die Kirche] glaubt fest, (…) dass niemand, der sich außerhalb der katholischen Kirche befindet, nicht nur keine Heiden, sondern auch keine Juden oder Häretiker oder Schismatiker, des ewigen Lebens teilhaftig werden können, sondern in das ewige Feuer wandern werden.“ (Konzil von Florenz – 1442, DH 1351)

Aber auch hier hat es eine Weiterentwicklung gegeben, sagt das 2. Vatikanische Konzil: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alldem ab, was in anderen Religionen wahr und heilig ist.“ (NA 2)

Hier kommt die Kirche zu einer neuen Erkenntnis: Das Göttliche von der Schöpfung her breitet sich auf die ganze Welt aus, und es gibt auch in nicht christlichen Traditionen Quellen des Heils und des Heiligen.

Grundsätzlich können wir davon ausgehen, dass Gott das Heil aller Menschen will. Es bleibt aber die Frage, ob ein Mensch in der Ablehnung Gottes stärker sein kann als der Heilswille Gottes. Der Mensch ist in Freiheit geschaffen und hat dadurch die Möglichkeit, sich radikal dem Guten zu verschließen. Und wenn das der Fall ist, dann ist Hölle die Vorstellung, dass der Verdammte immer und ewig vor Gott stünde, der sich ihm immer und ewig als Liebe offenbarte, ohne dass der Mensch das je zu bejahen zu vermag (Rahner). Gott in der ewigen Liebe und der Mensch in der ewigen Verweigerung, dieses Liebesangebot anzunehmen. Nicht Feuer, nicht Schmerz, nicht Qual. Hölle ist Zustand, sich ewig göttlicher Liebe zu entziehen.

Es gibt nach Hans Urs von Balthasar auch die Hoffnung auf eine leere Hölle. Begründet wird dies mit dem Abstieg Jesu in die Unterwelt. In der Endgültigkeit des Todes steigt der tote Sohn ab, keineswegs mehr handelnd, sondern vom Kreuz her jeder Macht entblößt, unfähig zu jeder aktiven Solidarisierung. Er ist tot mit ihnen zusammen und damit stört er die vom Sünder angestrebte absolute Einsamkeit: Der Sünder, der von Gott weg verdammt sein will, findet in seiner Einsamkeit Gott wieder, aber den Gott der absoluten Ohnmacht der Liebe. (Hans Urs von Balthasar)

Wenn wir von der Denkbarkeit der Hölle ausgehen müssen, wenn wir an der Freiheit festhalten wollen, so können wir gleichzeitig darauf vertrauen, das Christus in seiner Liebe, besonders in seiner Kreuzesliebe zu uns Menschen noch stärker ist, als es denkbar wäre, dass ein Mensch sich so sehr in sich selbst verschließt und sich von der Liebe Gottes fern hält.

Der Himmel:

Eigentlich sollte es leichter sein, vom Himmel zu sprechen. Doch Himmelsbilder sind ein „Ausweg in ein Gestrüpp“. (W. Beinert). Doch wie wir es auch in Worte und Bilder fassen, sie bleiben weit hinter dem zurück, was Himmel sein könnte. Es ist wie ein unauslotbares Etwas. Im Gegensatz zum Koran, der mit großen Himmels- und Paradiesvorstellungen operiert, ist die christliche Theologie zurückhaltend. Thomas von Aquin meint lapidar, „Himmel meint, bei Gott sein“. Doch hat sich auch im Christentum so etwas wie eine Himmelsvorstellung entwickelt. Auffällig dabei ist, dass die Bilder viele irdische Bezüge, wie z. B. das himmlische Hochzeitsmahl, haben. Aus diesen Bildern hat der deutsche Theologe Franz Josef Nocke vier Zugänge angeboten, wie wir von unseren irdischen Vorstellungen her so etwas wie einen Zugang zum Himmel entwickeln können.

  • ANTHROPOLOGISCH, vom Menschen her: gelingendes Leben. Dafür gibt es in uns Menschen eine tiefe Sehnsucht. Himmel wäre dann die Erfüllung dieser in uns grundgelegten Sehnsucht nach geglücktem Leben.
  • CHRISTOLOGISCH, für uns Christen: Vollendung am Ende der Zeiten. Das was wir als Christen schon anfangshaft leben (Gemeinschaft, Eucharistie, Sakramente) wird dann, wenn Christus wiederkehrt, vollendet werden. Im persönlichen und dann für die ganze Schöpfung.
  • PNEUMATOLOGISCH - Vollendung neuen Lebens. Der Heilige Geist, der uns in der Taufe geschenkt ist, ist die Kraft, die uns dann auch mit Gott verbinden wird.
  • THEOLOGISCH: Gott schauen von Angesicht zu Angesicht. Biblisch sehr stark fundiert. Himmel ist die Vorstellung, dass wir dann nach der Todesgrenze Gott von Angesicht zu Angesicht schauen können. Das was wir jetzt nur ansatzweise ahnen können, wird dann unsere Realität sein.

Wenn wir vom Himmel reden, reden wir nicht nur vom Danach. Wenn ich davon ausgehe, dass ich nach dem Tod von Gott erwartet werde, dass dann das Leben eine Fortsetzung erfährt, bin ich vielleicht im Hier und Heute gelassener. Bin ich auch getrösteter, wenn jemand stirbt, weil ich ihn nicht im Nichts, sondern bei Gott weiß.

Dass der Vortrag vom Michael Kapeller ein Thema angeschnitten hat, das viele Menschen berührt, zeigte die angeregte Diskussion im Anschluss.