Pfarre

Amlach

GRÜNDONNERSTAG

Liebe Leser und Leserinnen dieser Worte und alle, mit denen ich jetzt im Glauben und Hoffen verbunden sein darf!

Gründonnerstag ist es geworden, grün, wie der Spinat, der heute bei Vielen auf dem Tisch steht, aber auch grün wie die Hoffnung. Auch wenn das Grün des Gründonnerstags von „greinen“, also vom Weinen kommt, wie die Sprachforscher sagen, so darf doch die Hoffnung niemals fehlen. Wie sang es Wolf Biermann doch so eindrucksvoll: „Wir wolln es nicht verschweigen in dieser Schweigezeit! Das Grün bricht aus den Zweigen, wir wolln das allen zeigen, dann wissen sie Bescheid“.

In dieser Hoffnung ist damals auch Jesus hineingegangen in die letzten irdischen Tage seines Lebens.

Wir feiern heute seine Hinterlassenschaft. So viele berühmte Menschen haben uns ganz berühmte Sachen hinterlassen. Denken wir nur an die Pharaonen, die uns die Pyramiden hinterlassen haben, an die römischen Kaiser mit ihren Triumphbögen, an Architekten mit ihren Türmen, wie z. B. dem Eiffelturm in Paris, an Künstler mit ihren Gemälden, an Baumeister, deren Kathedralen und Dome wir immer noch bewundern oder Dichter und Musiker mit ihren Werken. Leider haben uns viele auch Ruinen hinterlassen und Zerstörung, Berge von Leichen und Ströme von Blut. Heute feiern wir eine Hinterlassenschaft ganz anderer Art. Nicht eine aus Stein, aus Farben oder Papier und Tönen, sondern eine aus Brot und Wein, in der ein ganzes Leben angedeutet und mitgemeint ist.

Mit dem Kreuzzeichen, unserem christlichen Identitätszeichen, beginnen wir unsere Gebete und Gottesdienste. Es gibt viele Interpretationen dieses Zeichens, eine davon steht heute im Mittelpunkt: es ist die Verbindung von Gottesliebe und Nächstenliebe. Der senkrechte Balken hebt unseren Blick zum Himmel, zu Gott, der sich so unbegreiflich uns Menschen zuneigt. Er steigt zu uns herab und wir dürfen zu ihm hinaufsteigen. Und dann der waagrechte Balken, der Blick zur Seite, nach links und rechts, zum Mitmenschen, zum geliebten und auch weniger geliebten Nächsten. Der Blick nach oben und der Blick zur Seite, beide Blickrichtungen verbinden sich zum Kreuz. Und genau in der Mitte dieser Kreuzung hängt der ausgespannte Jesus mit den einladend geöffneten Armen und zieht alle an sich. Er lässt sich festnageln auf sein Lebensangebot der Gottes- und Nächstenliebe.

Und heute, am Gründonnerstag, da feiern wir eigentlich denselben Inhalt. Die Verbindung zu diesem menschenfreundlichen Gott, die Vertikale, dargestellt in der Einsetzung der Eucharistie beim letzten Abendmahl und die Horizontale, die Verbindung zum Menschen an unserer Seite, dargestellt im Zeichen der Fußwaschung.

Zunächst also schauen wir hin auf das letzte Abendmahl: der Name sagt uns schon, dass es das letzte Mal ist, dass er mit seinen Freunden beisammen sitzt. Es ist ein Abschiedsessen. Alles, was in dieser Stunde geschieht, hat den Charakter eines Testamentes, ein Nachlass, ein letzter Wille, ein Abschiedsgeschenk. Es ist, wenn man es genau bedenkt, die erste Hl. Messe, die er da mit seinen Aposteln feiert. Wenn er dann sagt: Tut dies zu meinem Gedächtnis!, dann ist das für die Kirche der Zukunft Geschenk und Auftrag, es ist Gabe und Aufgabe zugleich gewesen. Die Feier des Herrenmahles, das Brotbrechen, das hat die Christen seitdem zusammengehalten von den ersten Zusammenkünften in den Häusern angefangen bis hin zu den lebensgefährlichen Feiern in den Katakomben während der römischen Christenverfolgung bis hin zu den feierlichen weihrauchgeschwängerten Hochämtern. Immer ist es die Feier der Eucharistie gewesen, die die Christen zusammengehalten und gestärkt hat. Diese Feier ist so für die Existenz der Kirche lebens- und überlebenswichtig geworden.

Dennoch aber ist jede Hl. Messe mehr, als ein bloßes Gedächtnismahl an einen längst Verstorbenen, wie ein Requiem oder ein Jahresgedenktag. Nein, es ist Gegenwärtigsetzung, Erinnerung daran, dass er lebendig da ist, in unserer Mitte, er sitzt mit uns am Tisch, er bricht auch jetzt mit uns das Brot, er stärkt uns auch jetzt mit seinem Wort.

Wenn wir dann das Brot brechen, dann erinnern wir uns auch daran, dass er selbst gebrochen und zerbrochen wird am Kreuz, dass er das Opfer seines Lebens darbringt und uns so Gottes unbeirrbare Nähe und Liebe zeigt. Ein Opfermahl hat man diese Feier deshalb auch oft genannt. Weil uns dieses Angebot Gottes nur mit Dank erfüllen kann, hat die Hl. Messe den Namen Eucharistiefeier, d.h. Dankfeier bekommen.

In diesen Zeiten vermissen wir schmerzlich diese verbindende und stärkende Zusammenkunft. Umso mehr dürfen hinschauen auf den waagrechten Balken, auf den zweiten Pol des Gründonnerstags. Was wir hier feiern, hat den Namen: Messe bekommen. Dieses Wort kommt vom ehemaligen lateinischen Schluss der Eucharistiefeier: ite, missa est. D.h.: Gehet, ihr seid gesendet. Messe heißt Sendung. Wir sind nicht hier zum Kuscheln in vertrauter Runde, sondern sollen hinausgehen in den Alltag, zu Freunden und Feinden und auch zu den ganz gewöhnlichen Menschen, und sollen nicht weniger versuchen, als dass wir uns zu ihnen hinunterbücken, so wie Jesus es beim letzten Abendmahl auch getan hat, als er seinen Freunden die Füße gewaschen hat. Damit ist er mit uns nicht nur auf Augenhöhe gegangen, sondern sogar auf „Hühneraugenhöhe“. „Seht, was Gott an uns Menschen tut“- das wollte er uns damit zeigen. „Sehet dies Wunder, wie tief sich der Höchste hier beuget, sehet die Liebe, die endlich als Liebe sich zeiget!“. So haben wir in der Weihnachtszeit gesungen. Und dieses Wunder dürfen wir nicht für uns behalten. „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“, das gilt nicht nur für das Feiern, das gilt auch für die Fußwaschung, für diesen Sklavendienst. Es gilt der klare Auftrag Jesu, ausgesprochen in den letzten Stunden seines Lebens: „Wenn nun ich, der Meister und Herr, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr das Gleiche tun!“(Joh 13,15). Wir wissen schon, dass damit mehr gemeint ist als ein Reinigungsdienst, eine Desinfektion, ein äußerlicher Vorgang. Fußpflegerin ist heute ein achtbarer Beruf, früher war es niedrigster Sklavendienst. Fußwaschung heißt: klein werden können, demütig sein, den anderen anerkennen, auch wenn er nicht meiner Meinung ist, auch wenn er alt ist, behindert ist, hilflos ist und arm. Fußwaschung heißt: vom hohen Ross heruntersteigen können, solidarisch werden, den Schmutz und den Dreck dieser Welt zur Kenntnis nehmen und sich hineinknien in diese unvollkommene Welt. Auch das ist Gottesdienst. Die Kirche hat das immer wieder versucht, mit ihrer Caritas, ihren Spendenaufrufen, Krankenhäusern und Behindertenheimen, mit ihrem Einsatz auf den dunklen Schauplätzen der Welt. Wenn wir diesen Dienst ausblenden, dann wäre unser Feiern scheinheilig und unecht. Das seltsame Zeichen der Fußwaschung beim letzten Abendmahl will uns Christen immer wieder vor der Versuchung bewahren, eine reine Feiergemeinschaft zu werden.

Wie heißt es dann schließlich in der vorletzten Strophe des Liedes von Wolf Biermann: „Du lass dich nicht verbrauchen, gebrauche deine Zeit. Du kannst nicht untertauchen, du brauchst uns und wir brauchen grad deine Heiterkeit“.

So dürfen wir dieses Zeichen des Kreuzes, das morgen, am Karfreitag, im Mittelpunkt steht, heute schon vorwegnehmen als das Zeichen dafür, dass sich in Jesus die Gottesliebe und die Nächstenliebe in einzigartiger Weise verbunden haben. Für uns aber soll es Anregung sein, dass Gottesdienst und Menschendienst zusammengehören. Die Heilige Speise, die wir dabei – hoffentlich bald wieder gemeinsam- empfangen, möge uns dazu immer wieder stärken und ermuntern.