Pfarre

Amlach

Die Ent-Virung der ver-Virten Herzen!

Predigt von Stadtpfarrer Ernst Windbichler am 5. Sonntag der Osterzeit

Euer Herz lasse sich nicht verwirren, nicht erschrecken, nicht ängstigen, so hat trostvoll und verständnisvoll das heutige Evangelium begonnen. Heute, am Muttertag, wird uns so die mütterliche Seite Gottes gezeigt. Er sieht nicht unsere Leistung und unser Versagen, er schaut uns unter die Haut und ins Herz, sieht diesen Virus der Angst und Resignation.

Nicht weg gegangen, sondern voraus gegangen

Damals hat Jesus dieses Wort in die Situation des Abschieds von den Seinen hineingesprochen. „Ich werde nicht weg sein, ich bin nur vorausgegangen. Ihr werdet nachkommen“. Das ist seine Impfung und Medizin. Seit seiner Auferstehung dürfen wir dieses Wort nicht nur von ihm sondern auch von unseren Verstorbenen sagen: sie sind nicht weggegangen, sie sind uns nur vorausgegangen. Vorausgegangen nicht auf eine ewige Wanderschaft, oder in eine mühsame Kette von Wiedergeburten, sondern in eine Heimat, aus der du nicht mehr vertrieben werden kannst.

Glauben Sie an ein Weiterleben nach dem Tod, so wird man oft gefragt. Ich glaube nicht an ein Weiterleben, zumindest nicht im irdischen Sinn: da hat man seine Sorgen, seinen Alltag, seine Routine, seine körperlichen und seelischen Wehwehchen. Nein, nach dem Tod lebt man nicht weiter, sondern da ist man angekommen, da ist man am Ziel. Dieses ganze mühselige Hasten und Hetzen hat ein Ende. Wie wenn ich nach einem anstrengenden Tag endlich in meine Wohnung gehen kann, abschalten kann, ruhig werden kann. Deshalb spricht Jesus von den Wohnungen im Haus seines Vaters, oder von der Bleibe, wie man es wörtlich übersetzen müsste.

Sicherer Platz am himmlischen Wohnungsmarkt

Dazu könnte einem ein drängendes Problem unserer Zeit einfallen: es ist die allgemeine Wohnungsnot. Es gibt einfach zu wenig billige, und doch genügend große und lebenswerte Wohnungen am allgemeinen Wohnungsmarkt, die Mieten sind zu hoch, die Mietverträge unerfüllbar, die Heimatlosigkeit und Obdachlosigkeit nimmt zu, ebenso die Anzahl an Zuwanderern und Flüchtlingen. Auf dieser Welt werden wir uns da noch viele Gedanken machen müssen, für Jesus jedenfalls ist das Problem schon gelöst: Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen, sagt er, sie sind alle erschwinglich, ja sogar gratis, das Vertrauen auf mich ist die Garantie für einen sicheren Platz am himmlischen Wohnungsmarkt, und ich gehe hin, um euch einen Platz zu bereiten.

Auf den ersten Blick betrachtet könnte man sich jetzt das Haus des himmlischen Vaters wie einen riesigen Wohnblock vorstellen. Dort gibt es auf vielen Stockwerken viele Wohnungen: viele, d.h. nicht nur, dass alle Platz haben, viele meint auch die Qualität: im Wohnblock des lieben Gottes wohnen Menschen unterschiedlicher Denk- und Glaubensrichtungen, engstirnige und weitherzige, kleinkarierte und großzügige, ängstliche und mutige Menschen. Was sie verbindet, was sozusagen im Mietvertrag steht, das sind die Sehnsucht nach Gott und die Sehnsucht nach einer gerechten Welt.

Gemeinschaft, Liebe und Nähe

Auf den zweiten Blick gesehen aber ist mir dieser Wohnblockvergleich dann aber doch ein wenig unsympathisch. Die riesigen Wohnblöcke in unseren Städten erinnern mich fast ein wenig an Legebatterien, da gibt es einerseits Anonymität und dann wieder weiß jeder alles über jeden, es wird geschnattert, getratscht und geklatscht. Da muss ich nicht unbedingt wohnen. Es wäre sicherlich auch allzu irdisch gedacht, sich die himmlischen Wohnungen so vorzustellen. Die Wohnung Gottes, das ist einfach die Gemeinschaft mit ihm, seine Liebe, seine Nähe. Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen, d.h.: der Raum meiner Liebe ist unendlich groß und weit, da ist keiner ausgeschlossen.

Diese Einladung spricht ausgerechnet der aus, von dem es heißt: er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Er, der von sich sagt: die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester, der Menschensohn aber hat keinen Platz, wo er sein Haupt hinlegen kann. Ihm dürfen wir es abnehmen, dass er weiß, was es heißt, irgendwo ganz und gar und für immer geborgen und verstanden und zuhause sein zu können.

Jesus ist der Weg zum göttlichen Vater

Wie aber kommen wir an diesen Ort, oder in diesen Zustand, gibt es einen gangbaren, verbürgten Weg? So fragt der Apostel Thomas stellvertretend für alle Menschen. Und darauf dieses großartige Wort Jesu: Ich bin der Weg. Das ist ein sehr selbstbewusstes und anspruchsvolles Wort voller Autorität. Alle Wege führen nach Rom, heißt es, und viele Wege führen zu Gott, und ich denke, dass jeder da seinen eigenen, ganz persönlichen Weg hat. Aber alle diese Wege führen, bewusst oder unbewusst über diesen Jesus. Es gibt keine Religion, in der Gott den Menschen so nahe gekommen ist, keine, in der Gott selbst durch den Tod hindurch in das Leben geht und uns alle mitnimmt auf diesen Weg. Und Jesus betont es so oft: wer mich sieht, sieht den Vater. Das heißt nicht, dass wir auf seine Figur, sein Gesicht, sein Aussehen achten, ob er auch wirklich blaue Augen und blonde Locken hat. Wer mich sieht heißt: wer meinen Lebensstil kennen lernt, meinen Umgang mit den Menschen, meine Worte, meine Botschaft, der sieht, was Gott selber will. Und deshalb darf Er es sagen, nicht nur: ich habe einen Weg, einen unter vielen, sondern ich bin der Weg, der Weg zum Vater. Ich, nicht die Bücher, die Vorschriften, die Dogmen, die Gesetze.

Ein Weg aber, das muss auch noch gesagt werden, ein Weg ist da, um ihn zu gehen, der Weg hat mit Be-Wegung zu tun. Wir bleiben oft so leicht und gerne sitzen bei manchen argen Enttäuschungen und schlimmen Erfahrungen, wir bleiben sitzen in Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit, wir bleiben sitzen beim Glauben unserer Kindheit, bei Urteilen und Vorurteilen und vergessen, dass Jesus uns Bewegung verordnet hat, wie ein guter Arzt. Machen Sie viel Bewegung, sagt der Arzt, Bewegung ist gesund. Ich denke, das gilt auch für unseren Geist: auch innerlich müssen wir beweglich bleiben. Ich bin der Weg, hat Jesus deshalb gesagt.

Kirche ist "Volks Gottes unterwegs"

Die Kirche nach dem 2. Vatikanischen Konzil hat sich dieses Wort zu eigen gemacht und hat Kirche definiert als „Volk Gottes unterwegs“. Gemeinsam unterwegs sein auf dem Weg, den Jesus uns gezeigt hat und den er selbst gegangen ist, einander Weggefährten sein in seinen Spuren, das ist uns geschenkt und das ist uns aufgetragen.

Mögen wir diesen Weg gemeinsam gehen, möge es uns gelingen, die Müden und Matten mitzunehmen bis wir einmal alle ankommen im weiten Raum der unendlichen Liebe Gottes.