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Dekanat St. Andrä im Lavanttal

Wortgewaltig WORTLOS

Gedanken zum zweiten Sonntag nach Weihnachten von Dechant P. Gerfried Sitar

Immer wieder beeindruckt mich das Gemälde Pieter Bruegels, das den "Turmbau zu Babel" darstellt.

Ein phantastisches Bild, das die biblische Geschichte der Sprachverwirrung in unglaublich farblicher Virtuosität schildert. Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Viele Gestalten sind zu sehen, die emsig damit beschäftigt sind, das höchste Bauwerk der Welt zu errichten. Sie sind so sehr von ihren Tätigkeiten in Beschlag genommen, dass sie gar nicht merken, wie sie sich menschlich immer weiter voneinander entfernen. Jeder hält seine Tätigkeit für die wichtigste und es scheint so, als würde es den Einzelnen gar nicht kümmern, wie sich das Gesamte entwickelt. Das Ende der Geschichte kennen wir. Einer versteht den anderen nicht mehr und die Baustelle Turm zu Babel wird zu einem Sprachenchaos. Eine geniale Story, die eine überraschende Wende nimmt. Nur eine Geschichte? Je mehr ich darüber nachdenke, umso realistischer scheint mir dieses Bild, auch wenn sich die Türme heute in einer anderen bildlichen Gestalt präsentieren.

Wir alle sind mit dem Bau unserer eigenen Turmlandschaft beschäftigt, basteln an unserer Karriere, sind damit ausgelastet, Macht und Einfluss zu gewinnen und andere auszutricksen, wenn es darum geht, als erster ans Ziel zu gelangen. Der Wettbewerb boomt. Wir bauen Türme, um unsere Gefühle nicht offen zeigen zu müssen - vielleicht aus Angst, verletzt zu werden, und wir verstecken uns hinter den dicken Mauern unserer Bastionen. Obwohl wir in einer aufgeklärten Welt leben, die von der vielgerühmten Kommunikationsgesellschaft bevölkert wird, merken wir mitunter nicht, dass wir sprachlos geworden sind. Die Kommunikation via Internet und SMS funktioniert perfekt.

Wir sind vernetzt. Aber echte Gespräche sind selten geworden. Gespräche, die zu Herzen gehen, Zeit für das DU, Gespräche, die Verständnis füreinander zeigen und die Sensibilität für die Bedürfnisse des Gegenübers.

Es gibt kaum noch jemanden, der kein Handy besitzt, und doch lesen wir immer häufiger, dass die Vereinsamung unter den Menschen zunimmt. Virtuelle Welten werden aufgebaut, die uns nicht auffangen können und uns im Letzten schon gar keine Heimat bieten. Viele trauern der guten alten Zeit nach, wo man sich im Dorf oder in der Nachbarschaft zusammensetzte, mit- einander sang oder sich Geschichten erzählte. Die Unterhaltungselektronik überflutet uns wie ein Tsunami der Entseelung und das traditionelle all- jährliche Dinner for one scheint dort Realität zu werden, wo man sich in den Familien keine Zeit mehr für das gemeinsame Mahl nimmt.

Singelhaushalte nehmen zu und Beziehungen spielen sich im schlimmsten Fall nur mehr über den Bildschirm des Computers ab. Über all dem Fluss der Information, der zum reißenden Strom mutiert, verkümmert die Sprache, weil sie sich auf Wortfetzen reduziert. Alles ist cool und easy, abgefahren und steil - aber die Sprache des Herzens ist nicht mehr gefragt. Um diese Sprache zu sprechen, sollte man täglich ihr Vokabular trainieren, um andere Menschen zu verstehen und nicht in einer Welt der Urlaute zu versinken.

Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war DAS Wort!

Ich wünsche Euch einen achtsam kommunikativen Sonntag.

Herzlich, Euer P. Gerfried Sitar