Pfarre

Karnburg

Karantanien im neuen Licht - Vortrag von Historiker Dr. Paul Gleirscher

Im Zuge des "KaKuSo" (Karnburger Kultursommer) durfte die Pfarre Karnburg diese Woche zu einem hochkarätigen Vortrag einladen: Der renommierte Historiker Univ.-Doz. Dr. Paul Gleirscher, Leiter der Abteilung für Ur- und Frühgeschichte am Landesmuseum für Kärnten und anerkannter Experte für die historische Erforschung des Ostalpenraumes, präsentierte den zahlreich erschienenen Besuchern seine neuesten Forschungsergebnisse zu Karantanien.

Gleich vorweg: Die Zuhörer des höchst interessanten Vortrages wurden von Paul Gleirscher auf eine spannende Zeitreise in die bewegte Frühgeschichte des Kärntnerlandes mitgenommen, bei der mit so manchem verklärten Mythos aufgeräumt wurde.

"Mit der Geschichte geht man um wie mit einem kleinen Mädchen. Jeder kleidet es wie er will, egal ob es dem Mädchen gefällt oder nicht", stellte Gleirscher gleich zu Beginn fest, um darauf hinzuweisen, dass es viele verschiedene Deutungen zu Karantanien gibt. Antworten auf relevante Fragen zur Frühgeschichte Kärntens würden wiederholt auf überkommenen Einschätzungen der archäologischen und historischen Quellen fußen und seien immer wieder auch bestimmten Forschungstraditionen verhaftet. So würden bestimmte Quellen in Wien oder Laibach anders gedeutet als in Kärnten. Das zeige sich besonders deutlich in der Diskussion um Fürstenstein und Herzogstuhl oder in der Frage nach der Deutung der Karnburg.

Gleirscher wies darauf hin, dass in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von historischen Forschungen und Ausgrabungen in wesentlichen Fragen zu neuen Erkenntnissen und klareren Sichtweisen geführt haben.

Was wissen wir nun gesichert über Karantanien? Der Kärntner Raum erlebte während der 500 Jahre zwischen dem Ende des Weströmischen Reiches (476) und der Einrichtung des Herzogtums Kärnten (976) eine Reihe wechselnder Herrschaften und gesellschaftlicher Veränderungen, die von den Ostgoten, Franken, Byzantinern, Slawen, Awaren und Baiern beeinflusst oder geprägt waren.

Im frühmittelalterlichen Karantanien bildete sich zunächst in Nachfolge der römischen Provinz noch vor dem Jahr 600 ein slawisches Fürstentum, das um das Jahr 740 unter bairisiche Oberherrschaft geriet und aus dem jeweils unter der Führung hochrangiger, aber landesfremder Adeliger 817 eine karolingische Grafschaft wurde, ehe sie 976 zum Reichsherzogtum erhoben wurde. Das slawische Fürstentum Karantanien, dessen Südgrenze die Karawanken bildeten und dessen Zentrum vermutlich nicht im Zollfeld oder Karnburg, sondern eher im Raum zwischen Zweikirchen und Moosburg anzusiedeln war, hatte mit der bairischen Grafschaft Karantanien wenig gemeinsam, "es lagen Welten dazwischen", so Gleirscher.

Unter anderem unterschieden sich ihre Gesellschaftsstrukturen fundamental, was laut Gleirscher wesentliche Auswirkungen auf die Deutung einiger der Dauerbrenner der Kärntner Geschichte hat: Edlinger-Bauern, Karnburg mit Fürstenstein und Kärntner Herzogseinsetzung.

Das slawische Fürstentum "Karantanien" des 7. und 8. Jahrhunderts war ein eigenständiges Fürstentum mit Anführern und einem pyramidenartig aufgebauten, hierarchischem Gefolgschaftswesen: An oberster Stelle, der ersten Ebene, stand der "Knez" (Fürst, Kleinkönig), darunter befand sich auf zweiten Ebene der "Ban" (regionaler Amtsträger), zu unterst auf der dritten Ebene gab es lokale Anführer eines Siedlungsverbandes ("Župan"). Die Übertragung der Herrschaft erfolgte durch Erbfolge und nicht durch Wahl, schon gar nicht über den Weg der Amtsbestätigung durch Bauern. Es gibt keinerlei Hinweis auf die Existenz von Edlingern oder auf den Fürstenstein im slawischen Fürstentum. Das Ritual der Herzogeinsetzung würde daher auch nicht dazu passen.

Anders aufgebaut war die bairische Grafschaft "Karantanien" des 9. und 10 Jahrhunderts: Karantanien als Teil des Königreich Baierns war eine Grafschaft, der ein Präfekt vorstand. Der Graf war ein königlicher Amtsträger für die Verwaltung und hatte auch richterliche und militärische Befugnisse. Zentrum war Karnburg. Karnburg war eine königliche, unter Arnulf von Kärnten errichtete Burg für die Verwaltung des Landes. Bauern mit Sonderrechten, die sogenannten Edlinger, wurden als Wehrbauern angesiedelt. Am Kärntner Fürstenstein trat der Fürst oder ein Stellvertreter in einem Initiationsritual mit Kleiderwechsel und Backenstreich symbolisch den Edlingern bei.

Gleirschers Conclusio: Erstens: die Südgrenze Karantaniens wurde zweifelsfrei durch Karawanken und karnische Alpen gebildet, somit hatte das Gebiet des heutigen Sloweniens keine Überschneidungen mit dem slawischen Fürstentum Karantanien. Zweitens: der Fürstenstein und das dort praktizierte Ritual der Herzogeinsetzung lassen sich wie die Karnburg nicht in vorkarolingische Zeit zurückführen. Es gibt nämlich keine historischen Fakten, die darauf schließen lassen, dass es eine Verbindung von der Karnburg, dem Fürstenstein und der Herzogeinsetzung mit dem slawischen Fürstentum gegeben hat.

Nina Petauer