Pfarre / Fara

Ferlach/Borovlje

Gedanken zum 6. Sonntag der Osterzeit

In diesem Artikel wird Stadtpfarrer Dr. Jakob Ibounig jeden Samstag - bis auf Widerruf - seine Predigten im Wortlaut den Gläubigen zur Verfügung stellen. In dieser schweren Zeit ist es um so notwendiger mit Gott in Verbindung zu bleiben. Das Wort der Predigt lädt uns ein, unser Leben im Licht des Glaubens zu reflektieren.

Betrachtung zum 6. Sonntag der Osterzeit

Liebe Christen!

2007 ist der Film „I am Legend“ mit Will Smith in die Kinos gekommen. Der Film zeigt das völlig menschenleere New York. Die „Natur“ erobert die Straßen und allmählich auch die Gebäude für sich. Noch stehen die Autos am Straßenrand, um sie herum aber wächst schon das Gras aus dem Belag. Durch völlige Einsamkeit rast der Held der Geschichte in seinem Sportwagen durch die Häuserschluchten, scheucht allerlei Wildtiere auf, die da bereits ihren Lebensraum haben. Denn die Menschen sind – bis auf den einen – sämtlich dem Virus zum Opfer gefallen.

Wer vor zwei Monaten durch Klagenfurt oder Ferlach spaziert ist, dem hat sich ein ähnliches Bild geboten. Gut, die Natur war noch nicht ganz so weit. Reh, Fuchs und Hase hatten die Reviere der Menschen (noch) nicht besiedelt. Aber die Stille war da, kein Unterschied werktags und feiertags, eine unheimliche Mischung aus Idyll und Schrecken. Seit einiger Zeit geht nun das Erwachen vor sich, eine Schranke nach der anderen fällt, wir werden wieder „locker“. Und doch die Frage: Was war das?

Pestsäulen auf den Plätzen unserer Städte künden davon, dass in Katastrophenzeiten das Gebet und der Glaube wichtig waren – und dann auch die Dankbarkeit, wenn der Alptraum endlich vorbei war. Die Gegenwart bietet ein anderes Bild: Von keinem Gott wird Hilfe erwartet. Nicht Leute in schwarzen Soutanen sind nun die Spezialisten, sondern solche in weißen Laborkitteln, schreibt der Historiker und Bestseller-Autor Yuval Noah Harari. „Unsere Helden sind nicht die Priester, die die Toten begraben und sich für das Unglück (und für ihren Gott) entschuldigen – unsere Helden sind … die Wissenschaftler in den Labors.“ Wir werden diesem bösen Virus schon zeigen, wer hier der Alpha-Organismus auf diesem Planeten ist! Es geht um die Frage: Wann wird der Impfstoff fertig? Wann! Nicht ob. Der Mensch als einzelner muss sich dem Leiden und dem Tod stellen. Aber die Menschheit als Ganze mit ihren immer weiterwachsenden technischen und medizinischen Möglichkeiten ist nun „Gott“ und vermag alles, früher oder später.

Aber diese scheinbar helle und zukunftsfrohe Vision Hararis ist beklemmend. Kein Gott also (außer die „Menschheit“), kein Himmel, wir sind geistig eingesperrt, eine ewige unentrinnbare Quarantäne völliger Diesseitigkeit.

Im Evangelium dieses Sonntags kündigt Jesus sein „Weggehen“ an – und ein Todesschrecken befällt die Jünger. Sie wissen: Das, was mit Jesus in diese Welt gekommen ist, kann ihnen sonst nichts und niemand geben. Wenn Jesus weggeht, dann ist das fort. Und es ist kein Luxusgut, was dann fehlt, sondern etwas, ein Jemand, ohne den der Mensch nicht Mensch sein kann, sondern verkümmert zum schlauen Tier.

Jesus hat durch seinen Tod, seine liebende Hingabe und durch die Auferstehung die Bresche geschlagen in die undurchdringliche Mauer der Diesseitigkeit, die die Welt umgibt und sie von Gott so fugendicht abtrennt. In den Schrecken vor der drohenden Verlassenheit sagt Jesus den Jüngern: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen“ (Joh 14,18). Jesus wird Den senden, der die Bresche offenhält. Er nennt ihn „Beistand“, im griechischen Original „parakletos“, lateinisch „advocatus“. Also der, der einen heraushaut, selbst dann, wenn die Anklagemauer lückenlos und unwiderlegbar erscheint. Diesen Advokat, nämlich den Heiligen Geist, brauchen wir heute ebenso wie zu allen Zeiten.

(J.Ibounig)