Organisation

Caritas Kärnten

Wo die Brücke ins Arbeitsleben gebaut wird

Die Caritas Kärnten bietet mit zwei neuen Projekten jungen Erwachsenen und langzeitarbeitslosen Menschen einen besonders niederschwelligen Zugang zur Beschäftigung: Das „brücken.werk“ wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert und vom Land Kärnten kofinanziert. Flex Foundation – die Stiftung von Flex mit einem Standort in Althofen – ermöglicht das Gartenprojekt „grown.care“.

Brückenwerk: -vlnr-hinten-staubmann-thalhammer-schaunig-vorne-schaar-sandriesser (Foto: Caritas Kärnten)
vlnr-hinten:-Christina Staubmann (Caritas), Marlene Thalhammer (Flex) und LHStv. Gaby Schaunig - vorne: Landesrätin Sara Schaar und Caritasdirektor Ernst Sandriesser (Foto: Caritas Kärnten)

Sandra (Name geändert) hat eine schwierige Kindheit mit einer arbeitslosen Mutter hinter sich. Der drogenabhängige Vater der heute 18-Jährigen verstarb an einer Überdosis, als sie in der Pubertät war. In der Schule wurde Sandra gemobbt. Der Druck wurde immer größer. Die junge Frau brach schließlich die Schule ab. Da sie auch über keine berufliche Ausbildung verfügt, kam sie ins Projekt „brücken.werk“ der Caritas Kärnten. In dessen Werkstatt in der Adolf-Kolping-Gasse 4 in Klagenfurt stellt Sandra mit zehn weiteren (langzeit-)arbeitslosen jungen Menschen unter Anleitung nachhaltige und stylische Upcycling-Produkte, wie Hocker aus Autoreifen, her. Manchmal wechselt sie dann zum Arbeiten in den „Makerspace Carinthia“, mit dem eine Kooperation besteht. Dabei erhält sie eine Qualifizierung, bestimmt selbst, wie oft und wie viel sie arbeitet und bekommt neben offenen, das Selbstbewusstsein stärkenden Gesprächen, die Zeit, die sie braucht, um allmählich eine Struktur in ihren Alltag zu bringen – mit dem Ziel, später die berufliche oder schulische Ausbildung nachzuholen.

Die Schatten der Vergangenheit

Auch Max (Name geändert) hat eine schwere Kindheit mit Gewalt in der Familie erlebt. Vom süchtigen Vater vernachlässigt, musste er sich alleine durchboxen. Fehlentscheidungen und Abbrüche in seiner beruflichen Ausbildung sowie der Druck des Umfeldes führten bei dem heute 41-Jährigen zu Angststörungen, die in Panikattacken mündeten. Nach vielen Therapien und psychologischer Begleitung geht es Max heute besser. Seine lange Arbeitslosigkeit und geringe Belastbarkeit führten ihn in das Caritas-Projekt „grown.care“. In der Hubertusstraße 5C in Klagenfurt „gartelt“ er mit neun anderen Teilnehmer*innen seit dem Frühling, half bei der Errichtung von Hochbeeten mit, baute auf einer ehemals großen Wiese Gemüse und Kräuter an und ist mit dem „grown.care“-Team in diesen Tagen mit der reichen Ernte beschäftigt. Parallel dazu erfährt er Beratung und sozialpädagogische Unterstützung. Wie Sandra arbeitet der Mann stunden- sowie fallweise und erhält dafür sechs Euro pro Stunde Entlohnung, die er am selben Tag ausbezahlt bekommt. Er sagt: „Das hilft mir in meiner schwierigen, finanziellen Lage sehr.“

Zwei Projekte, ein Ziel: die Integration ins Arbeitsleben

Da langzeitarbeitslose Menschen und Menschen mit körperlichen und seelischen Problemen kaum Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt haben, braucht es flexible und neue Arbeitsmodelle. Die Caritas Kärnten bietet mit den beiden neuen Projekten „brücken.werk“ und „grown.care“ einen besonders niederschwelligen Zugang zur Beschäftigung. Das „brücken.werk“, in dem noch Plätze frei sind, richtet sich an arbeitslose, junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren, die bildungsbenachteiligt und niedrig qualifiziert sind und belastende Lebensumstände mitbringen. Manchmal kommen auch noch Herausforderungen aufgrund eines Flucht- und Migrationshintergrundes dazu. Die Teilnehmer*innen erhalten eine fall- und stundenweise Beschäftigung mit begleitender Qualifizierung und Betreuung. Das Gartenprojekt „grown.care“ bietet langzeitarbeitslosen Frauen und Männern mit einer fall- und stundenweisen Beschäftigung sowie Beratung, Therapie und sozialpädagogischer Unterstützung neue Perspektiven in schwierigen Lebenssituationen. Zielgruppen sind Menschen, die unter psychischem Stress und/oder Krankheiten leiden, deren Lebensumstände derzeit keine Erwerbstätigkeit zulassen, und obdachlose beziehungsweise von Obdachlosigkeit bedrohte Männer und Frauen.

Sinnvolle Beschäftigung und Existenzsicherung

Christina Staubmann als Bereichsleiterin für Beschäftigung und Betriebe bei der Caritas Kärnten hält es für das Gebot der Stunde, diesen Personengruppen die Möglichkeiten einer sinnvollen Beschäftigung und Tagesstruktur bei gleichzeitiger Existenzsicherung zu geben: „Die Anforderungsprofile quer durch die Arbeitswelt haben sich erheblich verändert. Bei den Selektionsprozessen am Arbeitsmarkt bleiben die Schwachen auf der Strecke. Gleichzeitig sind das aber Menschen, die arbeiten und einen gesellschaftlichen Beitrag leisten wollen. Sie schaffen das auch, wenn sie eine Arbeit bekommen, die ihren Fähigkeiten, Lebensumständen und möglichen Rahmenbedingungen entspricht.“ Arbeitslose Menschen seien immer wieder Stigmatisierung und Diskriminierung ausgesetzt. Staubmann warnt vor den schlimmen Folgen: „Wenn sie ausgestoßen werden und keine Chance bekommen, führt das häufig zu sozialem Rückzug. Aus der Zusammenarbeit mit armutsbetroffenen und langzeitarbeitslosen Menschen wissen wir, dass soziale Isolation ganz deutlich als mangelnde gesellschaftliche Teilhabe empfunden wird, aus der oft psychische Beeinträchtigungen entstehen.“

Projektpartner ESF und Land Kärnten

Das Projekt „brücken.werk“ wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Land Kärnten kofinanziert. Arbeitsmarktreferentin Landeshauptmannstellvertreterin Gaby Schaunig begründet das so: „Arbeitslosigkeit führt zu Isolation, zu Ausschluss aus der Gesellschaft und wird zu einem Teufelskreis, der soziales Miteinander und die Reintegration in den Arbeitsmarkt zu einer unüberwindbaren Hürde werden lässt. ‚brücken.werk‘ führt Jugendliche und junge Erwachsene gezielt, sensibel und nachhaltig an gesellschaftliche Teilhabe, berufliche Qualifizierung und den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt heran und bietet ihnen so wieder Perspektiven. Projekte wie diese schaffen und geben Zukunft – genau deshalb bilden sie das Herzstück der Kärntner Arbeitsmarktstrategie und des Territorialen Beschäftigungspaktes in Kärnten.“ Auch Landesrätin Sara Schaar als Referentin für Gesellschaft und Integration unterstützt das „brücken.werk“. Schaar: „Als Referentin für Integration und Jugend liegt mir das Projekt ,brücken.werk‘ sehr am Herzen. Unser gemeinsames Ziel ist es, die jungen Erwachsenen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren beziehungsweise in eine Ausbildung zu bringen. Als Umwelt-Referentin gefällt mir persönlich auch der Nachhaltigkeitsaspekt durch die Upcycling-Aktivitäten der Teilnehmer besonders gut. Nutzt die Möglichkeit, bei ,brücken.werk‘ eure Interessen zu entdecken, eure Fähigkeiten und Stärken auszubauen!“

Die Flex Foundation als Förderin

„grown.care“ ist ein Beschäftigungsprojekt der Caritas, das in Zusammenarbeit mit dem High-Tech-Unternehmen Flex Althofen und der finanziellen Unterstützung der Flex Foundation umgesetzt wird. Marlene Thalhammer, Personalleiterin bei Flex Althofen, sagt: „„Flex steht für Innovation in allen Bereichen. Dies bezieht sich nicht nur auf die neuesten Technologien und auf Produkte, die die Welt verändern. Auch im sozialen Bereich übernehmen wir mit den unterschiedlichsten Initiativen weltweit unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.“ Am Kärntner Standort von Flex werden elektronische Module und Komplettgeräte für hochkarätige, internationale Kund*innen aus der Medizintechnik, Automobilindustrie und Industrietechnik hergestellt. Die Flex Foundation wurde als Stiftung vom globalen Konzern Flex im Jahr 2002 gegründet. Jahr für Jahr haben die unterschiedlichen Flex-Unternehmensstandorte die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit lokalen NGOs für wohltätige Vorhaben finanzielle Unterstützungen zu beantragen. Heuer unterstützt die Flex Foundation das Gartenprojekt der Caritas. Für Thalhammer ist es eine Herzensangelegenheit, denn „grown.care gibt Menschen in schwierigen Lebenslagen nicht nur Rückhalt und eine sinnvolle Beschäftigung, sondern fördert auch den Anbau regionaler Lebensmittel. Mittlerweile hat sich die Wiese in einen wunderschönen Garten verwandelt, der prall gefüllt ist mit frischem Gemüse, Blumen und unterschiedlichsten Kräutern“. Gemüse & Co werden den Besucher*innen der Wohnungslosentagesstätte „Eggerheim“ und dem magdas LOKAL zur Verfügung gestellt.

Sinnstiftende Arbeit

Für Caritasdirektor Ernst Sandriesser sind die neuen Beschäftigungsprojekte eine adäquate Antwort auf die arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen dieser Zeit und auch ein Beweis dafür, das im Miteinander Wunderbares gelingen kann. Sandriesser: „Sowohl im grown.care-Garten als auch im brücken.werk leisten Menschen eine Arbeit, die individuellen Sinn stiftet und gesellschaftliche Werte schafft. Das ermutigt und gibt eine neue Lebensperspektive. Durch Beratung werden die Teilnehmer*innen gleichzeitig bei ihren individuellen Problemen unterstützt. Die Projekte zeigen, dass die Menschen arbeiten wollen und wenn ihnen richtig geholfen wird, auch arbeiten können. Ein herzliches Dankeschön dem Unternehmen Flex, dem ESF und Land Kärnten für die wertvolle Unterstützung!“

Die „persönliche Ernte“

Das Gartenprojekt „grown.care“ trägt inzwischen reiche Früchte. Teilnehmer Peter (Name geändert) hat sich lange Zeit als Außenseiter und Loser gesehen, der nichts auf die Reihe bringt. „Der Garten bedeutet für mich, an den täglichen Herausforderungen zu wachsen und im eigenen Tempo arbeiten und sein zu dürfen. Ich habe seit Langem wieder das Gefühl, gebraucht zu werden“, sagt Peter und freut sich auf seine „persönliche Ernte“, also den hoffentlich nicht allzu fernen Tag, an dem er endgültig seinen Platz im Leben gefunden haben wird.