Glocken gegen Hunger
Fünf Minuten langes Kirchenglockenläuten am Freitag, dem 25. Juli 2025 um 15 Uhr - Interview mit Caritasdirektor Ernst Sandriesser anlässlich dessen Projektreise nach Kenia
Caritasdirektor Ernst Sandriesser appelliert an die Pfarrgemeinden in Kärnten, bei dieser österreichweiten Aktion mitzutun. Das Läuten soll – zur Sterbestunde Jesu – darauf aufmerksam machen, dass täglich Menschen an Hunger sterben und gleichzeitig zum Engagement gegen Hunger aufrufen.
„Die Ernte ist ausgefallen. Schon wieder.“ Das ist die Realität von Millionen Menschen weltweit. Und sie ist eine existenzielle Bedrohung. Denn: Keine Ernte = kein Essen. Keine Ernte = kein Einkommen. Keine Ernte = kein Schulbesuch für Kinder. Nur Hunger! Über 2,3 Milliarden Menschen auf der Welt haben keinen sicheren Zugang zu Nahrung, 733 Millionen hungern. Tendenz steigend. Immer häufiger vernichten klimatisch bedingte Katastrophen wie Dürren oder Fluten lebensnotwendige Ernten. Betroffen sind vor allem die ärmsten Menschen im globalen Süden, also jene, die am wenigsten zur Entstehung der Klimakrise beitragen.
„Das ist nicht gerecht. Machen wir gemeinsam auf den Skandal Hunger aufmerksam – für ein Klima ohne Hunger“, sagt Caritasdirektor Ernst Sandriesser und ruft anlässlich des von der österreichischen Bischofskonferenz beschlossenen österreichweiten Glockenläutens alle Pfarren in Kärnten auf, am 25. Juli 2025 bei dieser Aktion mitzutun.
Auch im Norden Kenias herrscht Hunger: Extreme Wetterlagen zerstören Lebensgrundlagen – besonders betroffen sind Kinder, Frauen und ältere Menschen! „Die Lage ist dramatisch, aber nicht hoffnungslos“, weiß Sandriesser nach seinem Lokalaugenschein in Kenia. „Die Kinder und ihre Familien sind auf unsere lebensrettende Hilfe angewiesen“, appelliert der Caritasdirektor an die Solidarität der Kärntnerinnen und Kärntner: „Bitte spenden Sie unter www.caritas-kaernten.at/hunger“.
Interview mit Caritasdirektor Ernst Sandriesser anlässlich dessen Projektreise nach Kenia
„Und dann sterben die Kinder“: Wie die Klimakrise Leben zerstört
Ernst Sandriesser über Hunger, Verzweiflung, Klimakrise und die bösen Folgen der Einstellung der US-amerikanischen humanitären Hilfe in Kenia. Ein eindringlicher Appell an unser Mitgefühl – und die Bitte um Unterstützung. Die Menschen in Kenia leiden unter der Klimakrise und an Hunger.
Wie dramatisch schätzen Sie nach Ihrem Lokalaugenschein die aktuelle Situation in diesem Projektland der Caritas Kärnten ein?
Caritasdirektor Ernst Sandriesser: Wir in Europa haben keine Vorstellung davon, was die von uns verursachte Klimakrise in Kenia anrichtet. Zuerst vertrocknen die Brunnen, dann das Gras, dann verdursten die Ziegen, dann die Kamele und dann sterben die Kinder! Es trifft in Kenia, wie in vielen anderen Ländern im globalen Süden vor allem jene Menschen, die sowieso zu wenig zum Leben haben und von der eigenen Landwirtschaft und damit von der Klimakrise abhängig sind.
Wie und wo hilft die Caritas konkret?
Ernst Sandriesser: Wir helfen immer in jenen Regionen, in denen sonst niemand oder kaum jemand hilft. Am 2. Februar dieses Jahres hat Donald Trump angekündigt, die US-amerikanische humanitäre Hilfe und die Entwicklungszusammenarbeit komplett einzustellen. Einen Monat später habe ich mit eigenen Augen gesehen, welche verheerenden Auswirkungen dies in Kenia hat: Unsere Partner von PACIDA mussten auf einen Schlag 20 hochqualifizierte einheimische Mitarbeiter*innen kündigen, und mit ihnen kamen wertvolle Landwirtschafts- und Bildungsprojekte und damit wichtige (Überlebens-)Hilfe für die betroffene Bevölkerung abhanden.
Welche Projekte haben Sie besucht?
Ernst Sandriesser: Nairobi hat die größten Slums in Afrika mit insgesamt rund zwei Millionen Bewohner*innen. Seit der unvergessene Peter Quendler damit angefangen hat, bauen wir mit den franziskanischen Missionsschwestern am Schulsystem im Slum Kariobangi, denn mit Schulbildung entkommt man am ehesten dem Elend. Die Schwestern und die Lehrer*innen arbeiten großartig. Mit sehr wenig Geld schenken wir jedes Jahr hunderten Kindern eine echte Perspektive. Mittlerweile kommen ehemalige Schüler*innen zurück und unterrichten als Lehrer*innen an den Schulen.
Wohin hat Sie Ihre Reise noch geführt?
Ernst Sandriesser: Ich war in Ol´Kalou, wo wir ein orthopädisches Reha-Zentrum für Kinder mit am Leben erhalten, das es in dieser Form nur ein einziges Mal in ganz Kenia gibt. Kinder mit schweren Knochenerkrankungen, Fußfehlstellungen und Amputationen werden hier von den „Kleinen Schwestern vom Heiligen Josef“, einem Missionsorden aus Verona, versorgt. Sie können während ihrer Reha, die bis zu zwei Jahre dauert, zur Schule gehen. Ich werde den Jungen nie vergessen, der 14 Jahre lang am Boden gesessen ist und nun gehen lernt. Es geschehen dort jeden Tag Wunder! Leider werden die Schwestern alt, der Kontakt zu Italien und Europa wird schwächer. Ich hoffe, dass wir in Kärnten Ärzt*innen und Menschen finden, die sich dieses erfolgreichen Projektes annehmen.
Stichwort Klimakrise. Was bedeutet diese für die Nomad*innen?
Ernst Sandriesser: Die Trocken- und Regenzeiten sind überhaupt nicht mehr stabil. Die grundsätzlich hervorragend an das extreme Klima angepassten Nomad*innen müssen nun ihre gesamte Existenz umkrempeln, eine halbnomadische Existenz entwickeln und im schlimmsten Fall in wenigen Jahren sesshaft werden.
PACIDA, die Organisation von und für Nomad*innen, leistet hervorragende Bildungsarbeit in der Tiigo School, begleitet die Menschen bei der Entwicklung von Landwirtschaft und Gartenanbau. Mit dieser Arbeit besteht die Chance, dass die Bewohner*innen Nordkenias diese große Transformation schaffen werden. Das geht aber nur mit unserer Hilfe.
Wie funktioniert die Hilfe in einem Umfeld, in dem die Ressourcen so knapp sind?
Ernst Sandriesser: Jeder Euro wird, bevor er ausgegeben wird, dreimal umgedreht. Wir haben von Kärnten aus ein gutes, aber strenges Monitoring der Spendengelder und der Wirkungen, die wir erzielen wollen. Unsere Mitarbeiter*innen in Kenia sind Idealist*innen. Sie arbeiten für wenig Geld und engagieren sich in beeindruckender Weise.
Was, wenn Spenden ausblieben – welche Folgen hätte das für die notleidenden Menschen in Kenia?
Ernst Sandriesser: Der Stopp der amerikanischen humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit wird zwischen zwei und vier Millionen mehr Tote am afrikanischen Kontinent nach sich ziehen. Das ist furchtbar, ja, unfassbar. Deshalb dürfen wir jetzt mit unserer Hilfe nicht nachlassen. Ich danke den Kärntnerinnen und Kärntnern für die bisherige Unterstützung und bitte sie, dranzubleiben! Das ist auch unsere christliche und humanitäre Verantwortung. Zum einen geht es um die unmittelbare Hungerhilfe und zum anderen um den weiteren Aufbau der eigenen wirtschaftlichen Kräfte vor allem in den ländlichen Regionen.
Was hat Sie während Ihrer Reise am meisten berührt?
Ernst Sandriesser: Wir waren in einem entlegenen Dorf, nur rund 90 Kilometer von Äthiopien entfernt. Die Menschen leiden dort unter langen Trockenzeiten und Dürren. Wir haben dort einen 200 Meter tiefen Brunnen gebohrt und eine Entsalzungsanlage mit Photovoltaik errichtet. Plötzlich stand ein Mann auf und wendete sich mir zu: „Ich bin 40 Kilometer zu Fuß hierhergekommen, weil ich erfahren habe, dass ihr hier seid. Niemand interessiert sich für unser Schicksal, aber ihr kommt aus Europa hierher, weil ihr die Caritas seid.“ Das werde ich nie vergessen und das motiviert, weitere kleine und große Wunder zu schaffen.
So können Sie helfen!
- Mit 40 Euro kann sich eine Familie im Norden Kenias für einen Monat mit Lebensmitteln versorgen.
- 100 Euro ermöglichen ein nahrhaftes Essen für ein Kind für ein Schuljahr in einer Schule in Kenia.
- 130 Euro finanzieren Saatgut und landwirtschaftliche Geräte, damit von Hunger betroffene Menschen selbst Gemüse anbauen können.
Jetzt spenden – für ein Leben mit Zuversicht:
Caritas Kärnten
Kärntner Sparkasse
IBAN: AT40 2070 6000 0000 5587
Kennwort Hunger
oder online: www.caritas-kaernten.at/hunger
Alle Informationen rund um die Hungerhilfe und die unterstützten Projekte finden Sie auf www.caritas-kaernten.at/hunger