Ein zweiter Anlauf ins Leben
Die Caritas Kärnten fordert anlässlich des Tages der Arbeitslosen am 30. April 2025 die langfristige Sicherung niederschwelliger Beschäftigung. Deren stundenweise wie flexible Angebote eröffnen Menschen neue Perspektiven zur gesellschaftlichen Teilhabe
„Dass ich so angenommen wurde, wie ich bin, hat alles verändert“, sagt Sandra. Das Leben der 23-jährigen Frau ist geprägt von Brüchen und Überforderungen: Als Baby adoptiert, wuchs sie mit hohen Erwartungen in einer Pflegefamilie auf, wurde in der Schule gemobbt und entwickelte früh psychische Erkrankungen. Depressionen und Angststörungen waren ihre täglichen Begleiterinnen. Erst durch die Teilnahme am vom Europäischen Sozialfonds geförderten und vom Land Kärnten kofinanzierten Caritas-Projekt wert.werk fand Sandra einen Weg zurück in den Alltag. Über flexible, stundenweise Beschäftigung, klare Struktur und individuelle Begleitung entdeckte sie in der kleinen Werkstätte in der Adolf-Kolping-Gasse in Klagenfurt beim Upcyclen gebrauchter Gegenstände und dem anschließenden Verkauf als hübsche Deko-Artikel im brücken.werk-Shop ihre Fähigkeiten wieder – und mit ihnen auch ihren Mut. Heute macht sie eine Ausbildung in der Pflege.
Sandra steht exemplarisch für viele junge Menschen in Kärnten, die den Anschluss an die Erwerbswelt verloren haben. Ihre Entwicklung zeigt: „Gerade junge Erwachsene mit erschwerten Startbedingungen brauchen realistische Einstiegsmöglichkeiten in die Arbeitswelt – ohne Leistungsdruck, dafür mit individueller Begleitung und echter Perspektive. Niederschwellige Beschäftigung ist mehr als ein Übergang. Sie ist oft der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben“, sagt Christina Staubmann als zuständige Bereichsleiterin der Caritas Kärnten.
Individuelle Wege statt Einheitslösungen
Mit dem sogenannten Stufenmodell bietet die Caritas auch jenen Menschen eine Perspektive, die mit klassischen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten (noch) nicht erreicht werden können. Bei ihren Projekten und Betrieben reicht die Angebotspalette von freiwilligen Tätigkeiten für Menschen mit psychischen Erkrankungen, über fall- und stundenweise bezahlte Beschäftigung und geförderte befristete Dienstverhältnisse bis hin zu Lehrausbildungen sowie Fachqualifizierungen. – Eben Angebote, die sich auch danach richten, was für die Menschen gerade möglich ist.
Dabei liegt gerade an den niederschwelligen Beschäftigungsangeboten für viele Menschen eine besondere Wirkung. Teilnehmende können in Form freiwilliger Arbeit beginnen, wie zum Beispiel beim vom Licht ins Dunkel geförderten Projekt „lend.raum“, oder in Form von stunden- oder fallweiser Beschäftigung in einem geschützten Rahmen, wie im Projekt wert.werk, in dem sie erste Schritte in Richtung Tagesstruktur, Selbstwirksamkeit und soziale Integration erleben. Durch sozialpädagogische Begleitung, Beratung und gezielte Weiterentwicklung können die Projektteilnehmer*innen in einem individuell passenden Tempo „wachsen“ – mit dem langfristigen Ziel, wieder Anschluss an geregelte Arbeit oder Ausbildung zu finden. Dabei geht es nicht nur um Qualifizierung, sondern auch um Stabilisierung. Viele Menschen, die in solchen Projekten begleitet werden, leiden unter psychischen Belastungen, chronischen Erkrankungen, Unsicherheit oder dem Verlust an Selbstwert und Alltagsstruktur. Ihnen fehlt oft der Glaube an sich selbst. Die Caritas-Projekte helfen, diesen wiederzugewinnen. Staubmann: „Viele der Menschen, die wir begleiten, haben den Wunsch zu arbeiten, erleben aber durch gesundheitliche oder soziale Belastungen große Hürden. Flexible Modelle können hier helfen, Selbstwert und Perspektive aufzubauen.“
Alarmierende Zahlen, die zum Handeln auffordern
Ein Blick auf die aktuellen Arbeitsmarktdaten zeigt, wie groß der Bedarf nach ergänzenden Beschäftigungsmodellen ist: In Kärnten waren im März 2025 insgesamt 22.520 Menschen arbeitslos gemeldet, zusätzlich nahmen über 5.000 an Schulungsmaßnahmen teil. Besonders betroffen ist die junge Generation: Rund 2.100 Jugendliche unter 25 Jahren sind laut Februar-Zahlen 2025 ohne Beschäftigung. Das bedeutet einen Anstieg von 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und eine überdurchschnittlich hohe Jugendarbeitslosigkeit im Bundesvergleich. Diese Entwicklungen machen laut Caritas-Bereichsleiterin Staubmann deutlich: „Es braucht Alternativen zur Einheitslösung. Menschen mit besonderen Hürden benötigen Angebote, die auf ihre Lebensrealität eingehen – mit Zeit, Empathie und flexibler Struktur.“
Zuverdienst als Brücke zur Selbstständigkeit
Ein wesentlicher Bestandteil solcher Beschäftigungsmodelle ist die Möglichkeit eines Zuverdienstes zu Arbeitslosengeld beziehungsweise Notstandshilfe. Dieser ist weit mehr als ein finanzieller Beitrag. Er gebe Halt, stärke die Eigenständigkeit und sei für viele ein erster Schritt zurück in die Gesellschaft. Eine Einschränkung oder Abschaffung würde aus Gründen der mit dem Arbeitsmarkt kollidierenden Lebensrealität der Betroffenen sicher nicht dazu führen, dass dieselben schneller oder überhaupt in den regulären Arbeitsmarkt eintreten, so Staubmann.
Caritas fordert strukturelle Absicherung
Die Caritas spricht sich entschieden für eine langfristige Absicherung niederschwelliger Beschäftigungsangebote aus. Dazu zählt eine verlässliche strukturelle Finanzierung, die Möglichkeit eines existenzsichernden Zuverdienstes und die Verankerung flexibler Modelle als integrativer Bestandteil aktiver Arbeitsmarktpolitik. Staubmann: „Unsere Erfahrung zeigt: Wenn Menschen die Chance haben, sich in ihrem Tempo zu entwickeln, entstehen echte Perspektiven, nicht nur beruflich, sondern auch gesellschaftlich. Beschäftigung bedeutet Zugehörigkeit, Stabilität und die Möglichkeit, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen!“