Arbeit, die Sinn macht: neue Perspektiven durch niederschwellige Beschäftigung
Das „wert.werk“, das vorwiegend junge Menschen bei ihrem Wunsch nach Beschäftigung unterstützt, wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und vom Land Kärnten gefördert
Die Caritas Kärnten bietet in zwei Projekten (langzeit-)arbeitslosen Frauen und Männern einen besonders niederschwelligen Zugang zur Beschäftigung. Die gemeinnützige Santner Privatstiftung ermöglicht das neue Projekt „Offline Kärnten“ für suchterkrankte Erwachsene ab 25 Jahren.
Die Caritas setzt mit ihren Kooperationspartner*innen damit nicht nur ein starkes Zeichen für Teilhabe, soziale Integration und Armutsbekämpfung, die Hilfsorganisation fordert auch die langfristige Sicherung niederschwelliger Beschäftigung – die Beibehaltung der Möglichkeit eines existenzsichernden Zuverdienstes für diese Zielgruppen inklusive.

Trennungskind, Depression und körperliche Erschöpfung seit der Pubertät; Mobbingopfer und der Tod mehrerer engster Familienangehöriger innerhalb kurzer Zeit: Der Rucksack, den Marcel (Name geändert) zu tragen hat, ist schwer. – So schwer, dass er die Schule und mehrere arbeitsmarktintegrative Maßnahmen bisher aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste. Seit vergangenem Herbst kommt der 22-jährige Mann regelmäßig ins „wert.werk“. Dabei handelt es sich um ein niederschwelliges Beschäftigungsprojekt der Caritas Kärnten. In dessen Werkstatt in der Adolf-Kolping-Gasse in Klagenfurt stellt er mit 15 weiteren Projektteilnehmer*innen – allesamt junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren, zumeist psychisch krank und daher ohne Job – mit Unterstützung von drei Arbeitsanleiter*innen nachhaltige und stylische Upcycling-Werkstücke, wie Holzstühle mit Jeansstoff, her. „Ich mag die kreative Beschäftigung. Am liebsten nähe ich und gestalte ich Karten“, sagt Marcel, der auch einmal in der Woche im Gartenprojekt der Caritas in Waidmannsdorf auf einer ehemals großen Wiese Gemüse und Kräuter anbaut.
„Im wert.werk fängt für mich das Leben an“
Marcel arbeitet zweieinhalb Tage die Woche, für die er mit 7,50 Euro pro Stunde am selben Tag entlohnt wird. Der Mann bekommt neben offenen, das Selbstbewusstsein stärkenden Gesprächen auch die Zeit, die er braucht, um allmählich eine Struktur in seinen Alltag zu bringen. Er sagt: „Das wert.werk und die fachlichen Begleiterinnen taugen mir. Hier werde ich angenommen, wie ich bin. Die Beschäftigung gibt mir Mut und Kraft, trotz meiner Erschöpfung Tag für Tag aufzustehen. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben zuversichtlich, dass ich es schaffen kann, fit zu werden, einen Job zu bekommen und den Führerschein zu machen. Im wert.werk fängt für mich das Leben an!“
Nachhaltige Wirkung – vielen gelingt der Anschluss
Für viele Menschen ist der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt, weil sie sich in Lebenslagen befinden, die eine unmittelbare Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen oder regulären Beschäftigungsprogrammen nicht zulassen. Die Gründe dafür sind oft gesundheitlicher Natur, liegen an schwierigen Lebenssituationen oder in langjähriger Arbeitslosigkeit – verbunden mit struktureller Ausgrenzung und dem Verlust an Alltagsstruktur und Selbstvertrauen. Das Projekt „wert.werk“ bietet ihnen eine realistische Perspektive: niederschwellige, flexible, stunden- oder fallweise Tätigkeiten, begleitet durch psychosoziale Beratung und eingebettet in ein wertschätzendes Umfeld. In den vergangenen zwei Jahren haben insgesamt 54 Menschen, vorwiegend junge Erwachsene, am „wert.werk“ teilgenommen.
Christina Staubmann, Bereichsleiterin für Beschäftigung und Betriebe bei der Caritas Kärnten, freut sich: „Die nachhaltige Wirkung des Projekts zeigt sich eindrucksvoll an der geringen Abbruchquote und der hohen Verweildauer der Teilnehmenden – ein bemerkenswerter Erfolg, insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele dieser meist jungen Menschen zuvor mehrfach andere Angebote abgebrochen haben oder abbrechen mussten.“ Vielen Teilnehmer*innen gelingt der Anschluss, sei es durch den Einstieg in eine Ausbildung, wie etwa in der Pflege, durch die Teilnahme an weiterführenden arbeitsmarktpolitischen Angeboten oder sogar durch den direkten Übergang in eine Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt. Für andere werden andere entscheidende Weichen gestellt. Staubmann: „Sie nehmen therapeutische Angebote an, die Wohnsituation stabilisiert sich oder durch die Erfahrung von Anerkennung und Struktur im Projekt entsteht überhaupt erst wieder eine Vorstellung davon, dass Zukunft möglich ist. Genau diese Schritte verhindern, dass Perspektivlosigkeit zur Dauerschleife wird, und genau darin liegt der Wert des Projekts.“
Projektpartner ESF und Land Kärnten
Das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) und Land Kärnten finanzierte Projekt „wert.werk“ ist eine Fortführung und Erweiterung des vorangegangenen Projektes brücken.werk. Seit seinem Bestehen 2021 haben darin mehr als 100 Teilnehmer*innen neue Hoffnung und Perspektiven erfahren. Die Fördersumme liegt bis Ende des heurigen Jahres bei fast 870.000 Euro (rund 348.000 Euro ESF/rund 522.000 Euro Land Kärnten). Für Arbeitsmarktreferentin Landeshauptmannstellvertreterin Gaby Schaunig ist das Geld richtig eingesetzt, denn: „Nicht jede und jeder kann sofort am Arbeitsmarkt mitmachen – die Gründe dafür sind vielschichtig. Projekte wie wert.werk geben jungen Menschen Hoffnung und Orientierung, wo sie vielleicht schon den Glauben an sich selbst verloren hatten. Es braucht Zeit, Vertrauen und ein wertschätzendes Umfeld, damit Menschen ihre Fähigkeiten wiederentdecken können. Genau das bietet dieses Projekt: Es lässt niemanden zurück, sondern geht Schritt für Schritt gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern – bis hin zum Ziel, einen Platz im Arbeitsleben zu finden. Das Besondere ist: Neben einem Arbeitsplatz entstehen hier auch Selbstvertrauen, neue Perspektiven und ein Gefühl von Zugehörigkeit. Und genau das macht unsere Gesellschaft stärker.“
Neues Projekt stärkt Suchterkrankte und hilft Armutsbetroffenen
Das mit Juli 2025 gestartete Projekt „Offline Kärnten“ im Auftrag der gemeinnützigen Santner Privatstiftung verfolgt das Ziel, Menschen mit Suchterkrankung ab 25 Jahren eine sinnvolle sowie niederschwellige Beschäftigung und damit Teilhabe zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen, ihr Leben etwas leichter, besser und gesünder zu machen. Dank der Mitarbeit beispielsweise bei der Akquise, Lagerung, Vorbereitung und Ausgabe von gespendeten Lebensmitteln fördern die Teilnehmenden durch die Verwertung derselben überdies nachhaltigen Konsum und leisten durch die gezielte Versorgung benachteiligter Menschen einen wichtigen Beitrag zur konkreten Armutsreduktion. Sie erhalten für ihre Tätigkeit eine Entlohnung von 7,50 Euro pro Stunde und erleben dadurch Selbstwirksamkeit, Struktur und Gemeinschaft. Die Santner Privatstiftung fördert das Projekt, das es in der Steiermark bereits seit mehr als zehn Jahren mit Erfolg gibt, heuer mit 175.000 Euro. Vorstandsvorsitzender Friedrich Santner begründet das so: „Suchterkrankungen sind zunehmend ein Ventil für Menschen, die vom steigenden Tempo und der wachsenden Komplexität des Lebens überfordert sind. Seit einigen Jahren betreibt unser Unternehmen, die Anton Paar ShapeTec GmbH, ein Werk in Wolfsberg. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, das Projekt Offline auch auf Kärnten auszuweiten. Damit übernehmen wir bewusst gesellschaftliche Verantwortung. Wir möchten Menschen dabei unterstützen, Stabilität zu finden und ihren Weg in ein möglichst selbstbestimmtes und würdevolles Leben zu gehen.“
Die gemeinnützige Santner Privatstiftung hat sich neben der Förderung der gemeinnützigen Wissenschaft und Forschung Maßnahmen zur Bekämpfung von Suchtproblemen verschrieben. Sie ist Eigentümerin der Anton Paar Group AG, eines Unternehmens mit 4.600 Mitarbeiter*innen und Sitz in Graz. Anton Paar entwickelt, produziert und vertreibt hochpräzise Laborinstrumente und Prozessmesssysteme sowie maßgeschneiderte Automations- und Robotiklösungen. Das Unternehmen ist globaler Marktführer auf den Gebieten der Dichte- und Konzentrationsmessung, der Rheometrie und CO2-Messung.
Sinnstiftende Arbeit & Dank an Projektpartner*innen
Für Caritasdirektor Ernst Sandriesser sind die beiden Beschäftigungsprojekte eine adäquate Antwort auf die arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen dieser Zeit und auch ein Beweis dafür, dass im Miteinander Wunderbares gelingen kann. Sandriesser: „Im wert.werk leisten Menschen eine Arbeit, die individuellen Sinn stiftet und Werte schafft. Das ermutigt und gibt eine neue Lebensperspektive. Durch Beratung werden die Teilnehmer*innen gleichzeitig bei ihren individuellen Problemen unterstützt. Gleichsam Wertvolles wird im neuen Projekt „Offline Kärnten“ geschehen, in dem die Menschen wieder Sinn im Tun erleben können. Die Projekte zeigen, dass die Menschen arbeiten wollen und wenn ihnen richtig geholfen wird, auch arbeiten können. Ein herzliches Dankeschön der gemeinnützigen Santner Privatstiftung, dem ESF und Land Kärnten für die verlässliche Unterstützung!“
Forderung an den Bund: Beim Zuverdienst braucht es Ausnahmen
Der Caritasdirektor spricht sich entschieden für eine langfristige Absicherung niederschwelliger Beschäftigungsangebote aus. Dazu zählt eine zuverlässige strukturelle Finanzierung, die Möglichkeit eines existenzsichernden Zuverdienstes und die Verankerung flexibler Modelle als integrativer Bestandteil aktiver Arbeitsmarktpolitik. Sandriesser: „Unsere Erfahrung zeigt: Wenn Menschen die Chance haben, sich in ihrem Tempo zu entwickeln, entstehen echte Perspektiven – beruflich und gesellschaftlich. Beschäftigung bedeutet Zugehörigkeit, Stabilität und die Möglichkeit, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen!“ Ein wesentlicher Bestandteil niederschwelliger Beschäftigungsmodelle ist die Möglichkeit eines Zuverdienstes zu Arbeitslosengeld beziehungsweise Notstandshilfe, deren Abschaffung durch den Bund im Raum steht. Sandriesser: „Beim Zuverdienst braucht es unbedingt Ausnahmen. Eine Einschränkung oder Abschaffung würde aus Gründen der mit dem Arbeitsmarkt kollidierenden Lebensrealität der Betroffenen nicht dazu führen, dass dieselben schneller oder überhaupt in den regulären Arbeitsmarkt eintreten. Der Zuverdienst ist weit mehr als ein finanzieller Beitrag. Er gibt Halt, stärkt die Eigenständigkeit und ist für viele ein erster Schritt zurück in die Gesellschaft.“